Junger Mann.....
„Junger Mann", tönte es hinter mir in der Kassenschlange, „lassen sie mich mal eben vorbei?" Als Ältester in der Gruppe der Wartenden konnte nur ich gemeint sein, denn offensichtlich hat man erst nach Vollendung des sechzigsten Lebensjahres Anspruch auf diese eher beschämende Anrede. So erröte ich auch jedes Mal ein wenig, wenn man mich beim morgendlichen Brötchen-Kauf mit aufgesetzter Piepsstimme unerträglich freundlich fragt, darf es sonst noch etwas sein, junger Mann?"
Eine perfekte Lösung für das Ansprechen fremder Personen gibt es in der deutschen Sprache leider nicht. So rufen wir im Cafe laut „Fräulein", wenn es uns nach einem weiteren Stück Kuchen gelüstet und auch kurz vor der Pensionierung stehende Verkäuferinnen werden traditionell gleichermaßen angeredet. Seitdem die Anrede „Gnädige Frau" zu Recht aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist, müssen wir uns mit einem unhöflichen „Hallo" begnügen, wenn wir eine Passantin auf das verlorengegangene Taschentuch aufmerksam machen wollen. In Zeitungsartikeln und Internetforen wird fortwährend darüber diskutiert, wie man das rein deutsche Problem lösen könnte. Gar blöd fand ich die Empfehlung, man solle die Bedienungen in Gaststätten mit Familiennamen ansprechen, weil auch das häufig gebrauchte „ Herr Ober, bitte zahlen" unschicklich sei. Wie nahe müsste uns dann das Personal kommen, um die am Revers oder Bluse befestigten kleinen Namensschildchen entziffern zu können?
Da haben es unsere französischen Nachbarn beim Bestellen oder Zahlen wesentlich einfacher. Man ruft nach dem „Garçon“ und schon eilt der Ober herbei, ohne dass er sich gekränkt fühlt, obwohl diese Anrede wörtlich mit „Junge" zu übersetzen ist. Namentlich nicht bekannte Personen werden dort schlicht mit Monsieur, Madame oder Mademoiselle angeredet und ähnlich wird auch in anderen Sprachen verfahren. Signore, Signora, Señor oder Señora heißt es z.B. in Italien bzw. in den spanisch sprechenden Ländern. Wer traut sich schon bei uns zu fragen, „Frau, können Sie mir die Uhrzeit sagen?" Folglich müssen betagte Rentnerinnen weiterhin die Anrede „junge Frau" über sich ergehen lassen
Bei meinen ersten England-Reisen irritierte es mich, wenn ich mit „Sir" angesprochen wurde, schließlich hatte ich doch keinerlei Verdienste vorzuweisen, die mich berechtigt hätten, diesen Adelstitel führen zu können. Fast ein wenig enttäuscht war ich, als ich merkte, dass auf der Insel diese Anrede - besonders im Dienstleistungsbereich - gang und gäbe ist.
Beim Warten an der Bushaltestelle fiel mir auf, dass Vornamen bei den Jugendlichen eine untergeordnete Rolle spielen. Bezog sich der Begriff einst lediglich auf den strengen Vater, so redet man sich heute in der Clique wechselseitig mit „Alter" an. Als ich einen von ihnen bat, das ständige Spucken zu unterlassen, blaffte er mich an, „ He Alter, hast Du ein Problem damit?" Meine Empörung hielt sich insofern in Grenzen, weil ich mich durch diese coole Anrede irgendwie dazugehörig fühlte.
Einmal mehr hatte mich die Bäckerei-Fachverkäuferin mit ihrer peinlichen Anrede gequält und hinzu kam, dass der Haussegen deutlich schief hing. Den anstehenden Kirmesbummel mochte ich dennoch nicht absagen und so zwängten wir uns fast wortlos durch die Menschenmassen. Meine Frau musste wohl bemerkt haben, wie mein Blick auf einem Schild mit der verlockenden Aufschrift „Junger Mann zum Mitreisen gesucht" verharrte, denn sie zischte mir spöttisch zu:" Das traust du dich sowieso nicht"
Autor:Klaus Ahlfänger aus Herten |
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