Joachim Jürgens im Gespräch mit dem Stadtspiegel Herten
Das Gewissen der Politik

Ein Stück Hertener Geschichte: Joachim Jürgens (2.v.r.) bei der Haldenbegehung Anno 1981 mit Minister Hans Otto Bäumer.  Neben Jürgens steht Dieter Schüller. Foto: privat
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Joachim Jürgens hat seit 40 Jahre unter anderem mit Pro Herten lang die Hertener Politik "aufgemischt", nun geht er in den Ruhestand. Doch kann man das wirklich glauben? Der STADTSPIEGEL hat nachgefragt.

von Thorsten Seiffert


Stadtspiegel: Herr Jürgens, Sie gehen nun in Rente - oder doch eher in den "Unruhestand"?


"Das politische Geschehen hat mich in den 40 Jahren mehr oder weniger geprägt. So werde ich auch weiterhin die politische Bühne in Herten beobachten und gegebenenfalls auf unserer Homepage www.pro-herten.de analysieren, kommentieren und dokumentieren."

Rückblickend: Was war für Sie der größte Skandal in der Hertener Politik?


"Hier könnte man Bücher füllen. Das größte Problem ist die an Partikularinteressen ausgerichtete Politik. Wie sagte es doch so treffend Carl F. von Weizsäcker: 'Der Politik ist eine bestimmte Form der Lüge fast zwangsläufig zugeordnet: das Ausgeben des für eine Partei Nützlichen als das Gerechte.' 
Um Konkret zu antworten: Die Causa Schützenstraße, eine seit den Neunzigern gutachterlich mit Fördermittel subventionierte entlastungsbedürftige Gemeindestraße, wird verworfen, die mittels Fördermittel erstandene Grundstücke werden als Wohnbaugebiete umgewandelt.
Oder Süd erblüht: ein mit Millionen subventioniertes Vorhaben führt dazu, dass die oben genannte Straße nun Landesstraße wird. Die Ewaldstraße wird Gemeindestraße, Vorhaben werden nicht durchgeführt, Fördermittel in Höhe von 800.000 Euro müssen wegen Vergabefehler zurückgezahlt werden – entstanden ist eine no Go Area. Das habe ich alles unter http://archiv.pro-herten.de/ archiviert. Als drittes kann ich noch das hochsubvenionierte Projekt „Blauer Turm“ – nennen, von dem, trotz sinnvoller Wasserstoffgewinnung, nichts mehr in Herten geblieben ist."

Und was der größte Erfolg für Sie und Ihre Initiativen?

"Der größte Erfolg war die Verhinderung des Haldentafelbergs und durch kontinuierliche Tätigkeiten im Ergebnis das Landschauftsbauwerk Halde Herten geschaffen zu haben.
Leider sind alle Mitstreiter – zu nennen Beispielhaft, Pastor Kuhn, Dr. Junold, H.H. Holland, Reinhard Bömke und viele mehr von uns gegangen. Übriggeblieben - außer meiner Wenigkeit -ist nur noch Dieter Schüller."

Doch es gab ja noch mehr.
"Ja, die illegale Gichtgasschlammabkippung im Hertener Süden durch meinen früheren Arbeitgeber, RAG. Wir äußerten zudem den Verdacht, dass Hertens Schulen durch Schadstoffe belastet sind. Da konnte der Bürgermeister nicht nachvollziehbar, wie wir zu unserer Einschätzung bezüglich der Schadstoffbelastungen an Hertener Schulen gekommen sind. Auch die Verhinderung des australischen HCB-Sondermüll-Imports von 2006 bis 2009 gehört zu unseren Erfolgen. Unter www.jidv.de/dl/jj.pdf ist das alles dokumentiert."

Und wie hat sich die Politik aus Ihrer Sicht in den letzten 40 Jahren verändert?

Die Politik ist nach einer langjährigen Dominanz der 'Bergbaufraktion' nach 40 Jahren zusammengebrochen, ohne dass eine qualifizierte Nachfolge zu finden war. Irrsinnige, unwahre Behauptungen in den sozialen Netzen wie Facebook erzeugt eine Politik der Worte und nicht der Taten. Ein WIR ist nicht festzustellen. Stattdessen werden Entscheidungen am Rat vorbei initiiert und müssen kostspielig revidiert werden, siehe die Causa Wochenmarkt, deren fragwürdige Aktionen erst durch die Akteneinsicht, die ich mit Frau Ruhardt (die Linke) aufgedeckt hatte, aktenkundig wurde."

Und nun? Rosen pflanzen und im Garten liegen?

"Mit Sicherheit werde ich mich weiter in die Geschehnisse unserer Stadt einmischen, analysieren und auf Pro-Herten dokumentieren, solange der da Oben mir die Kraft dazu gibt. Auch werde ich mein politisches Archiv (rund 400.000 indizierte Dokumente aus den 40 Jahren gespeichert) ordnen und in Teilen veröffentlichen.

Autor:

Lokalkompass Herten aus Herten

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