Ein unbeschriebenes Blatt (Ereignisse liegen etwa 3 Jahre zurück)

Im Grunde genommen ist alles beim Alten geblieben. War es einst das leere Blatt Papier, welches meine Gedanken und Ideen in eine Art Schockstarre versetzte, so verhindert jetzt die weiße Schreibfläche meines Computer-Programms jeglichen Zugriff auf das zuvor Ausgedachte. Während der Cursor ungeduldig in der Startposition blinkt und geradezu nach Bewegung lechzt, herrscht in meinem Inneren eine Art innerstädtischer Leerstand, den man auch durch Ansiedlung von Ein-Euro-Läden oder Billig-Bäckern nicht kaschieren könnte.

Sollte ich etwa in einer Glosse darüber sinnieren, ob unser Stadtoberhaupt nun grinst oder einfach nur sympathisch lächelt. Immerhin hat es Mona Lisa mit ihrem heiteren Gesichtausdruck zu Weltruhm gebracht, auch ist Johannes Paul I als lächelnder Papst in die Geschichte eingegangen, obwohl ihm lediglich eine Amtszeit von 33 Tagen beschieden war. Oder täte unser Bürgermeister besser daran, auf Fotos ähnlich dröge wie Gustav Heinemann oder gar wie Herbert Wehner dreinzublicken?

Angesichts meiner eigenen Ideenlosigkeit gewannen plötzlich die banalsten Geschehnisse an Bedeutung. So hat ein kluger Ratsherr einen Ausweg aus der Finanzmisere gefunden, indem er vorschlug, auswärtigen Besuchern des Freizeitbades Copa Ca Backum ein erhöhtes Eintrittsgeld abzuverlangen. Vermutlich hatte die entsprechende Pressemeldung viele ungläubige Leser veranlasst, einen prüfenden Blick auf Zeitungsdatum und Kalender zu werfen. Mich belustigte bereits die sachliche Berichterstattung derart, dass eine satirisch überhöhte Schilderung zuviel des Guten gewesen wäre.

Somit war ich immer noch zeilenweit von meinem Ziel entfernt, etwas Lesbares zu Papier zu bringen. Könnte ich mich etwa zumindest thematisch an den australischen Giftmüll heranwagen? Doch besser nicht, zumal ich mich vor Wochen - in einem Anflug von deutschem Hochmut - zu der Bemerkung hatte hinreissen lassen: „Die da unten haben zwar viel Ahnung von Schafzucht, sind aber zu blöd, ihren hochgiftigen Müll gefahrlos zu entsorgen.“ Einige Tage später las ich dann, nicht technisches Unvermögen, sondern der massive Widerstand der Bevölkerung habe die Errichtung von geeigneten Verbrennungsanlagen verhindert.

Die an und für sich erfreuliche Tatsache, dass die Menschen in Australien keineswegs die Mentalität ihrer Wolle liefernden Tiere übernommen haben, drängt Herten in die Rolle des fiktiven spanischen Dorfes Villabajo. In abgewandelter Form müsste dann ein Werbeslogan aus den 90-er-Jahren lauten: „Während man in Villarriba bereits den Sieg über Konzernent-scheidungen feiert, sinnt man in Herten noch über eine gemeinsame Abwehrstrategie nach.“

Mein Rechner versinkt nun in einen elektronischen Halbschlaf, wechselt also automatisch in die sogenannte Standby-Funktion., weil seit einer halben Stunde keine Eingabe erfolgte. Jetzt sehne ich mich wieder nach meiner alten Schreibmaschine zurück, die selbst die längsten schöpferischen Pausen mit Langmut und Verständnis hinnahm. Gabriele hieß sie und stammte aus dem guten Hause Adler. All meine Bemühungen waren reiner Zeitverlust und rausgekommen ist nicht einmal ein Blatt Papier, das man frustriert hätte zerknüllen können. Aber morgen ist auch noch ein Tag!

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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