Schreck an der Tankstelle - Preise für Müller deutlich gestiegen (Wiederholung aus 2011)

Gar zu verführerisch wirkte die Blondine auf dem Werbeplakat für pasteurisierte Milch, so dass ich beinahe gegen die Litfaß-Säule gefahren wäre. Liebend gern würde ich sie in ein feines Restaurant einladen, um dort mit ihr Carpaccio und Pfirsich Melba zu essen. Es muss ja nicht jeden Abend Bismarck-Hering oder ein Sandwich sein.

Früher aß ich gerne Eingewecktes und meine Mutter achtete stets darauf, dass die für die Herstellung benötigte Temperatur von 100 Grad Celsius strikt eingehalten wurde Das war in einer Zeit, als man hier noch keine Pizza Margherita bestellen konnte und Bœuf Stroganoff nur den reichen Familien vorbehalten war. Während ich dies schreibe, kärchert mein Nachbar zum wiederholten Male die Waschbeton-Platten seiner Garagen-Auffahrt. Ich sollte mich eigentlich über den Lärm beschwerden, doch dann würde er wahrscheinlich seinen Dobermann auf mich hetzen oder mich gar mit seinem Colt bedrohen, den er in seiner umfangreichen Waffensammlung hat.

Überhaupt ist dieser Hundebesitzer ein ständiges Ärgernis. Zu früher Stunde lässt er seinen Mercedes-Benz minutenlang warmlaufen, so dass danach die ganze Gegend nach Diesel riecht. Obwohl er neuerdings von Hartz 4 lebt, brennt bei ihm Tag und Nacht das Licht und ich möchte nicht wissen, wie viel Kilowatt er im Jahr unnötig verbraucht.

Da lob ich mir meinen Nachbarn zur Linken. Im Sommer verbringt er die meiste Zeit in seinem Schrebergarten, so dass ich mir nicht ständig anhören muss, dass während der Französischen Revolution einige seiner Vorfahren auf der Guillotine geendet sind. Wesentlich bequemer hingegen scheint seine Recamiere zu sein, auf der er seine Fernsehabende verbringt, obwohl sie überhaupt nicht zu der eher modernen Einrichtung seines Wohnzimmers passt. Und dies nur nebenbei: Sein angeblich wertvolles Tafelbesteck ist auch nicht echt, es wurde lediglich mit einer Silberschicht galvanisiert. Er sei Buchbinder gewesen, was ich ihm jedoch nicht abnehme. Schließlich konnte er sich nichts unter dem Fachbegriff Lumbecken vorstellen.

Die Gespräche in meinem Freundeskreis sind stets öde. Mal wird über die Vor- und Nachteile des Otto-Motors gegenüber dem Wankel-Motor gestritten – dann wieder wird dringend davon abgeraten, einen Ford oder Opel zu kaufen. Es sind eben stets die üblichen Männerthemen, die keinen Platz für Gespräche über Alterssicherung in Form der Riester-Rente lassen. Und immer wieder werden die dieselben Geschichten aus der Jugendzeit aufgetischt, als man noch mit Leichtigkeit den doppelten Rittberger sprang und auch den Auerbach-Salto vom 10-m-Turm aus wagte

Fast panisch werde ich, wenn mir wieder einmal die Mega-Hertz-Frequenz meines Lieblingssenders entfallen ist. Macht sich bei mir etwa eine leichte Alzheimer-Tendenz bemerkbar? Auf jeden Fall sichere ich mich ab, indem ich alle wichtigen Dinge in meinen Taschenkalender mit Leporello-Faltung eintrage. Auch scheine ich mich charakterlich verändert zu haben, musste ich mir doch von einem guten Freund vorwerfen lassen, dass ich neuerdings häufig merkele „Gestern warst du dagegen, heute bist du plötzlich auf einmal dafür – und morgen wird es wahrscheinlich wieder umgekehrt sein". Sein Vorwurf schlug mir auf den Magen, hinzu kam noch, dass ich am Vortag Schillerlocken und Unmengen von Mozartkugeln in mich hineingestopft hatte. Nur gut, dass wir einen Underberg im Haus haben. Mit Ramazzotti oder gar
Doornkaat kann man mich hingegen jagen.

Meine Geschichte mag auf dem ersten Blick wirr und holprig wirken, doch ging es mir in erster Linie darum, dass wir uns bei dem Gebrauch der Begriffe bewusst machen, welche Leistungen deren Namensgeber für die Menschheit erbracht haben. Als gutes Beispiel mag hier nicht unbedingt Karl Friedrich Louis Dobermann gelten, der diese Hunderasse speziell gezüchtet hatte, weil sein Job als Steuereintreiber nicht ganz ungefährlich war. Amüsant finde ich es, wenn man seinen eigenen Familiennamen gegen den des eigentlichen Erfinders austauscht. Hört sich irgendwie knuffig an, wenn es dann in der Sportübertragung beim Eislaufen heißen würde. „Hoffen wir, dass er auch den doppelten Leutheusser-Schnarrenberger sicher springt“

Kleine Hilfestellung:

Carpaccio wurde nach dem italienischen Maler Vittore Carpaccio benannt, der u.a. wegen seiner leuchtenden Rot-Töne bekannt wurde

Einwecken = Johann Carl Weck (auf vielen Gläsern steht auch noch der Name Weck)

Guillotine = Joseph-Ignace Guillotin

Emil Lumbeck

Luigi Galvani

Anders Celsius

Margherita Maria Teresa Giovanna di Savoia (Pizza)

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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