Damenqual
Da stehen sie nun in Reih und ohne Glied in einer zwanzig Meter langen Warteschlange und trippeln von einem Bein aufs andere, als gelte es, sich für den bevorstehenden Auftritt im Musical „Chorus Line“ warm und locker zu machen. Unter ihnen Frauen, die kurz zuvor noch göttinnengleich mit unverhohlener Arroganz durch die luxuriöse Einkaufsmall stolzierten und nun plötzlich leidvoll erfahren, dass es zumindest temporär wichtigere Bedürfnisse als chice Klamotten und teuren Klunker gibt.
In einer Klo-Warteschlange wird wenig gesprochen - man leidet still. Doch wer im Vorbeigehen in die Gesichter der sich nach Erlösung sehnenden Frauen schaut, ahnt die Qual und Pein, die sie wohl oder übel zu durchstehen haben. Wegsehen ist für uns Männer leider nicht möglich, denn die zur Herren-Toilette führende, stets freie Überholspur verläuft parallel zu dem ständig anwachsenden Stau.
Gerade in der Vorweihnachtszeit sind die Innenstädte proppenvoll und die wenigen, meist schmuddeligen und stets papierlosen öffentlichen Toiletten haben häufig ein derart unheimliches Ambiente, dass man sich bereits beim Betreten vor Angst in die Hose macht. Also findet an den Wochenenden ein wahrer Run auf die Kunden-Klos der großen Warenhäuser statt, wobei die Frauen Wartezeiten von zehn bis zwanzig Minuten einplanen sollten. Eigentlich könnte man sie Patientinnen nennen, weil dieser Begriff vom Wortstamm „patiens = geduldig, aushaltend, ertragend“ abgeleitet ist. Während sich meine Frau auf Platz 18 in die Warteschlange einreiht, kann ich das Unvermeidliche gewissermaßen „en passant“ erledigen, wobei ich ironischerweise die Wahl zwischen mehreren unbesetzten Kabinen und Urinalen habe. Zwischenzeitlich ist meine Frau auf Position 16 vorgerückt und als ich ihr dann im Minutentakt die fürsorgliche, jedoch auch nervende Frage stelle:“Geht`s noch?“ - zischte sie mir - nur für mich hörbar - „Verpiss dich“ entgegen.
Autor:Klaus Ahlfänger aus Herten |
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