35 Jahre Mauerfall
"Die Wende war unser größtes Glück"

Auch nach 34 Jahren noch die große Liebe: Katrin und Marcus Hertel, hier bei der Ausstellung "Das zerbrechliche Paradies" im Gasometer Oberhausen. | Foto: Hertel
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Ein Berg Fotoalben liegt auf dem Esstisch. Katrin Hertel hat wichtige Stationen ihres Lebens auf einem Zettel notiert. Besonders interessant ist die Zeit um 1989 und danach, denn sie brachte die Wende - auch im Leben von Katrin und ihrem Mann Marcus.

Es war der Sommer 1990, als Katrin mit ihren Eltern zum Verwandtenbesuch nach Velbert kam. Ihre erste Reise nach West-Deutschland.
Marcus, dessen Schwester mit Katrins Onkel verheiratet war und damit Teil der Familie, war gleich begeistert von der jungen Frau aus dem Osten. "Ich hatte damals schon den Plan, eine Familie zu gründen. Als ich Katrin sah, wusste ich: Die ist es!"

Katrin durfte länger im Westen bleiben

Aber das Anbändeln gestaltete sich im Kreis der Familie schwierig. "Marcus hat bei einem Ausflug in den Traumlandpark ganz viele Plüschtiere für mich geschossen", erinnert sich Katrin. "Mit Hilfe deiner Schwester hab ich deine Eltern überzeugt, dass du länger bleiben darfst."
Die Eltern reisten zurück nach Rostock, Katrin verlängerte ihre Ferien in Velbert. Fünf Tage später waren die damals 16-Jährigen ein Paar. Marcus erinnert sich heute noch an die entscheidende Frage, die er Katrin gestellt hat: "Könntest du dir eine Beziehung vorstellen, die auf weiterer Entfernung basiert?" Ein kleiner Schock, als Katrin mit "Nein" antwortete - schnell schob sie "Nein, ich habe nichts dagegen" hinterher. Es war der 24. Juli 1990.
Nach den Ferien begann Katrins Ausbildung als Restaurantfachfrau in Rostock, während Marcus eine Ausbildung zum Formenbauer in Velbert absolvierte.

Frisch verliebt: Katrin und Marcus Hertel 1990. | Foto: Hertel
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Fernbeziehung für ein gutes Jahr

"Erst haben wir uns zwei oder drei Monate gar nicht gesehen, danach bin ich zumeist ein Wochenende im Monat zu Katrin gefahren", erzählt Marcus. Nach einem guten Jahr war es wieder Marcus, der Nägel mit Köpfen machte. Er sprach unter anderem beim Haus Stemberg vor, fragte, ob seine Freundin dort ihre Ausbildung fortführen könne - und hatte Erfolg. Nachdem auch Katrins Eltern überzeugt waren, ihre minderjährige Tochter gehen zu lassen, packte die 17-Jährige ihr Hab und Gut und zog zu Marcus und seinen Eltern in den Westen.
Ein großer Schritt, weiß die 50-Jährige heute. "Das war schon ein Kulturschock. In dem Dorf in der Lausitz hatten wir nicht mal Telefon." Sie erinnert sich an den ersten McDonalds-Besuch in Essen. "Ich hab fast nichts gegessen, war mit dem Angebot überfordert."

Erinnerungen an die Kindheit in der DDR

Bis heute hat sie ihre Kindheit in der DDR in guter Erinnerung. "Es wurde unglaublich viel für uns Kinder geboten, es gab viele Vereine und Ferienlager." Hin und wieder erreichten sie Westpakete - "manchmal geöffnet" - mit der BRAVO. Und Bananen gab es höchstens drei, für jedes der Kinder eine.
Katrin erinnert sich aber auch an einen Lehrer, der sie wegen ihrer Verwandtschaft in Westdeutschland anders angesehen hat. "Kapitalisten, schimpfte er", erinnert sich Katrin. Er sei einer der ersten gewesen, die nach dem Mauerfall in den Westen zogen.
Auch erinnert sie sich an die mahnenden Worte ihrer Eltern, wenn sie bei schlechtem Empfang West-Fernsehen gucken durfte. "Das sollten wir Kinder niemandem erzählen."

Vorurteile gab es mehr im Osten als im Westen

Vorurteilen begegnete das Paar mehr im Osten als im Westen. "Ob ich mit einem Ausländer zusammen sei, wurde ich verächtlich gefragt", sagt Katrin, die inzwischen in einem Dorf nahe Rostock lebte. "Das war in der Zeit von Lichtenhagen", schiebt sie als Erklärung nach.
Marcus hörte nur in der Berufsschule von einem Mitschüler blöde Ossi-Sprüche, aber da stand er drüber.

Plötzlich erwachsen

Mit 17 Jahren musste das frisch verliebte Paar schnell erwachsen werden, den Lebensunterhalt von den beiden Azubi-Gehältern bestreiten. "Wir haben nicht viel gemacht außer zu arbeiten. Die Miete war günstig, uns ging es gut", sagen die Beiden. Die Familie glaubte nicht an die Beziehung. "Vor allem Katrins Mutter hat immer wieder gesagt: Das hält eh' nicht", sagt Marcus.

1996 folgte die Hochzeit

Ein Irrglaube: 1996, im siebten Jahr der Beziehung und an einem Freitag, dem 13., wurde geheiratet. Tochter Sarina erblickte ein Jahr später das Licht der Welt, mit Sohn Leon wurde das Familienglück perfekt. Bereits in den 90ern ist das Paar nach Heiligenhaus gezogen. Dort engagieren sich Marcus und Katrin seit einigen Jahren als Jugendtrainer bei den Sportkeglern Heiligenhaus. In Zukunft will das Ehepaar einen Wohnwagen anschaffen und viel reisen. "Wir haben noch viel gemeinsam vor. Die Wende war unser größtes Glück."

Auch nach 34 Jahren noch die große Liebe: Katrin und Marcus Hertel, hier bei der Ausstellung "Das zerbrechliche Paradies" im Gasometer Oberhausen. | Foto: Hertel
Frisch verliebt: Katrin und Marcus Hertel 1990. | Foto: Hertel
Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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