Merkels Offenbarungseid
Der Besuch bei Anne Will am Mittwoch in der ARD, die Quasi-TV-Ansprache ans Volk, war offenbar als Befreiungsschlag einer immer mehr unter dem Druck der Flüchtlingskrise stehenden Kanzlerin gedacht. Er endete mit einem beängstigenden Offenbarungseid, die Lage nicht im Griff zu haben.
„Ich habe einen Plan.“ – Hat Sie?
Einen Geheimplan, über den Sie nicht reden kann? Oder warum blieben alle Aussagen unkonkret und nebulös? Nein, Sie hat keinen Plan, wie weitere Aussagen verrieten: „Ich weiß auch nicht, was morgen ist.“ Ganz die alte Merkel mit ihrem „auf Sicht fahren“. Kein Konzept, sondern ein Experiment. Mit einer Versuchsanordnung, die nicht funktionieren kann. Wahrscheinlicher, als das es klappt ist, dass es einen Schritt in Richtung einer Bestätigung der Sarrazin’schen Thesen („Deutschland schafft sich ab“) geben wird.
Die von Merkel grob umrissenen Handlungsfelder sind stark vermintes Gelände:
1. Die Prozesse im Land besser steuern
2. Europäisches Handeln einfordern
3. Fluchtursachen bekämpfen
Die Prozesse im Land besser steuern
Dieses Handlungsfeld möchte die Kanzlerin gern anderen überlassen und ihr eigenes Agieren auf die beiden anderen Bereiche konzentrieren. Die wichtigste Aufgabe des neuen Flüchtlingskoordinators Peter Altmaier: „Den ungeordneten Zustrom von Flüchtlingen in geordnete Bahnen lenken.“ Zuviel war aus dem Ruder gelaufen, wie ein überforderter Innenminister eingeräumt hatte. Asylverfahren beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Warum ist das bisher nicht gelungen? Und welche Wirkung erhofft man sich, wenn doch die Neuankömmlinge weit überwiegend eine „Bleibeperspektive“ haben?
Kein Wort dazu, wie der aktuellen Knappheit an Unterkünften und der daraus folgenden Wohnungsnot kurzfristig begegnet werden soll. Kein Wort zu Sprach- und Integrationskursen, für die ausreichendes Personal und Geld fehlen. Kein Wort zur Arbeitsmarktintegration angesichts von 90 Prozent Flüchtlingen, die keine ausreichende Berufsausbildung haben. Kein Wort zu den Voraussetzungen für Kitas und Schulen, die die Flüchtlingskinder inkludieren sollen. Alles wird den Ländern und Kommunen überlassen, einschließlich der Kosten. Die letzten Beschlüsse haben lediglich eine Mitfinanzierung der Bundes für die Zeit des Asylverfahrens erbracht (670 Euro je Flüchtling monatlich). Danach fallen die Kosten für anerkannte Asylanten über die Eingliederung in Hartz IV oder Sozialhilfe überwiegend den Kommunen zur Last.
Fazit: Alle bisher vom Bund eingeleiteten Maßnahmen und Gesetzesänderungen sind nicht ausreichend, um die innerhalb Deutschlands entstandenen Probleme zu lösen. Die Hauptlast bleibt bei überforderten Kommunen hängen. So wird das nichts. (Bayern hat bereits „Notwehrmaßnahmen“ angedroht.)
Europäisches Handeln
Zustimmung wird Merkel in der EU mit der Forderung erzielen, „die EU-Außengrenzen besser zu sichern.“ Die Scheinheiligkeit schlechthin, denn was ist das anderes, als die Grenzen dicht zu machen, nur nicht die deutschen (was sie ablehnt), sondern die der „Frontstaaten“? Was schon schwierig genug sein dürfte und ebenfalls nicht kurzfristig erfolgen kann.
Dummerweise hat Merkel selbst das EU-Recht gebrochen und Flüchtlinge unregistriert nach Deutschland einreisen lassen. Verständlicherweise wollen nicht andere dafür in Mithaftung genommen werden. Trotz der Unterstützung Frankreichs wird sich die Mehrheit der EU-Staaten daher wie bisher nicht dazu bewegen lassen, mehr als symbolische Quoten an Flüchtlingen aufzunehmen. Auch auf diesem Handlungsfeld werden also keine durchschlagenden Erfolge zu erzielen sein.
Bekämpfung von Fluchtursachen
Die Anmaßung schlechthin, die Menschen glauben machen zu wollen, Deutschland oder die EU könnten hier Entscheidendes ausrichten.
Die Realitäten: Syrien ist Spielball der Großmächte USA und Russland geworden. Die einen unterstützen verschiedene Oppositionsmilizen, die anderen das Assad-Regime. Noch achten beide Großmächte darauf, nicht in direkte Konfrontation zueinander zu kommen. Im Hintergrund mischen der Iran, die Türkei, Saudi-Arabien und Frankreich mit. Und dann ist da noch der IS …
Afghanistan ist gerade dabei, wieder von den Taliban überrannt zu werden, wie der Fall von Kundus vor Augen führt. Die gerade erst abgezogene Bundeswehr zurück nach Afghanistan?
Nigeria wird mit den Islamisten von Boko Haram nicht fertig, in Somalia, Sudan, Eritrea wütet ebenso der (Bürger-) Krieg. Die Liste könnte fortgesetzt werden ….
Das will unsere Bundeskanzlerin alles in kurzer Zeit befrieden? Hier überhebt sie sich genauso wie mit dem bisherigen Kurs einer unbegrenzten Aufnahme aller Flüchtlinge.
Auf allen drei Handlungsfeldern stehen die Chancen für baldige Erfolge also eher schlecht. Die jetzt dringend benötigte Atempause für die Flüchtlingsaufnahmesysteme wird es deshalb eher nicht geben. Es darf daher die Prognose gewagt werden, dass es ohne einen Kurswechsel schon bald zu einem teilweisen Zusammenbruch der Unterbringungs- und Versorgungssysteme für Flüchtlinge, zu Chaos und auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen wird. Die Anzeichen einer Kanzlerinnendämmerung mehren sich!
Zur Klarstellung
Es geht hier nicht darum, humanitäre Politik in Frage zu stellen oder generell die Aufnahme von Flüchtlingen abzulehnen. Die Deutschen leisten da gerade Großartiges. Aber beides muss mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der eigenen Fähigkeiten, Ressourcen und Integrationskraft erfolgen, damit das Vorhaben auch gelingen kann. Niemandem – auch den Flüchtlingen nicht – ist damit gedient, wenn Deutschlands Leistungsfähigkeit durch Überforderung Schaden nimmt.
Die relevanten Handlungsfelder sind von der Bundeskanzlerin zwar richtig definiert, kurzfristige gravierende Erfolge sind aber aus den genannten Gründen kaum zu erwarten. Insbesondere die Felder Europa und Fluchtursachenbekämpfung bedürfen eines Langzeitprogramms.
Die Integration der heute bereits in Deutschland angekommenen Flüchtlinge sowie der noch nachziehenden Familien ist als Aufgabe schon groß genug, um sich daran zu verheben, zumal nicht erkennbar ist, dass die dafür notwendigen Strukturen schnell genug geschaffen werden (können). Wer jetzt noch ankommt, muss damit rechnen, lange Zeit in Sammelunterkünften, unter Umständen in Turnhallen oder gar Zelten leben zu müssen. In räumlicher Enge, ohne Privatsphäre und mit langen Zeiten der Unklarheit, wie es weiter geht. Mit allen daraus zu erwartenden Folgen. Eine Auszeit durch Begrenzung des Zustroms an weiteren Flüchtlingen ist daher dringend erforderlich.
Dies widerspricht auch nicht dem Asyl-Recht. Wer aus einem sicheren Drittstaat kommt, was für 95 Prozent der derzeit Ankommenden zutrifft, hat hier keinen Anspruch auf Asyl. Es ist derzeit allein die humanitäre Geste, die dies zubilligt.
Auch der Hinweis der Kanzlerin, der Zustrom der Menschen sei praktisch gar nicht zu verhindern, ein Aufnahmestopp nicht durchsetzbar, weil man die Grenzen nicht schließen und umfassen kontrollieren könnte, ist nicht haltbar. Wäre dies ernst gemein, müsste sie erklären, wie sie die von ihr angestrebte Quotenregelung durchsetzen will, wenn die Flüchtlinge darauf bestehen, nicht nach Spanien, Portugal oder Polen zugewiesen zu werden, sondern nur auf „we want Germany“ bestehen, und dort auch nicht nach Ulm, Erfurt oder Osnabrück wollen, sondern nur nach München, Hamburg, Berlin oder Köln. Kann man sie dann auch nicht aufhalten? Aufgabe der staatlichen Steuerung? Außerkraftsetzung jeder Rechtsordnung, nur noch der Wille der Flüchtlinge zählt?
Man sieht: Das wäre die Bankrott-Erklärung jeder Regierung und der Weg in Chaos und Anarchie. Schon um hier nicht auch noch falsche Signale zu produzieren müssen umgehend wieder geordnete Prozesse und ein abgebremstes Zuwanderungstempo sichergestellt werden. Das haben der bislang zuständige Innenminister, der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagfraktion, der bayerische Ministerpräsident und viele andere, ja sogar unser Bundespräsident bereits ausgesprochen. Nur Frau Merkel träumt noch von unbegrenzten Möglichkeiten. Wünschenswert, aber eben nicht realistisch.
Autor:Peter Kramer aus Heiligenhaus |
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