Urbanatix: Unter den Jungen Wilden ist ein Hattinger
(von Cay Kamhorst) Begriffe wie „Parkour“, „Dirtbike“ und „Freerunning“ sind bestimmt den Wenigsten geläufig und werden eher in die Ecke der „abhängenden Jugend ohne Zukunft“ gesteckt. Aber weit gefehlt!
Sympathisch ist er und fängt sofort an, von seiner Leidenschaft, dem „Parkour“, zu erzählen. Je mehr er erzählt, um so weniger verstehe ich. Im Fernsehen habe ich zwar mal einen Bericht über Jugendliche gesehen, die sämtliche Hindernisse überwinden, die sich ihnen, beispielsweise in der Stadt, in den Weg stellen. Teils kletternd, teils springend, mit Anlauf und ohne. Also habe ich eine ganz vage Vorstellung von dem, was mir der Hattinger Christian Kirschnick mit vielen Fremdworten, aber voller Begeisterung, erzählt.
„Parkour heißt, sich möglichst schnell von A nach B und ohne Hilfsmittel zu bewegen“, erklärt mir der 22jährige. Nun ja, das gelingt mir auch, wenn ich ganz schnell renne. Wo liegt also der Unterschied? „Wichtig dabei ist die Effizienz und die Ästethik. Hindernisse werden nicht umgangen, sondern mit unterschiedlichen Techniken überwunden. Beispielsweise in dem nur die Hände genutzt werden, wie bei einem Handstand“.
Seine Begeisterung während er erzählt ist mitreißend. „Mein Leben ist der Parkour! Nicht die Umwelt passt sich uns an, sondern wir passen uns der Umwelt an, indem wir sie, so wie sie ist, mit einbeziehen.“ Der Mensch müsse sich den Gegebenheiten anpassen, was auch in anderen Lebensbereichen hilfreich sein könne. Nicht dagegen, sondern miteinander. „Ich finde, der Sport verändert den Menschen positiv. Ich betreibe Parkours und Freerunning aktiv, aber es gibt durchaus andere, die damit rein philosphisch umgehen. Sich also das Prinzip zum Leitbild machen, aber den Sport nur am Rande ausüben.“
Christian Kirschnick geht in seinem Sport auf. Mit Leib und Seele ist der Sportstudent seinem Hobby verfallen. Angefangen hat alles 2005, als er ein Video mit Streetakrobaten gesehen hat. Das hatte ihn tief beeindruckt, aber er konnte noch nicht wirklich was damit anfangen. Ein Jahr später sah er im Fernsehen eine Reportage über das Thema und sofort war ihm klar: das will ich auch machen! Doch was auf den ersten Blick so einfach aussieht und für Unwissende sogar eher wie Jugendliche, die sich nicht an Regeln halten wollen wirkt, bedarf in Wirklichkeit harter Arbeit.
„Ich habe nachts auf der Straße geübt, dann ist da nicht viel los. Bin auf Linien balanciert und habe versucht, Hindernisse zu überwinden. Die Verletzungsgefahr ist eher gering, denn man lernt, sich selbst richtig einzuschätzen.“ Im Internet habe er dann Gleichgesinnte gefunden. Etwa sechs Stunden pro Woche trainiert Kirschnick derzeit für die Urbanatix-Show. Mehr Zeit ist durch sein Studium nicht drin. Im Bochumer Bermudadreieck steht die Marienkirche, die entweiht und ausgeräumt wurde und nun als Trainingsort für sämtliche Arten der Streetartistik dient. Eigens dafür wurde die ehemalige Kirche mit Trampolinen, Obstacles (verschiedene Hindernisse zur Überwindung), Trickingbahnen, Rampen und vieles mehr ausgestattet. Jeder darf sich dort versuchen.
„Bei Urbanatix trete ich mit einer Gruppe von zehn Leuten auf. Dazu kommen noch kleine Zwischeneinlagen während der gesamten Show“, stellt er seinen Beitrag vor und fügt lachend hinzu: „Wir sind die einzigen dort, die Kisten schleppen müssen, um unsere Hindernisse aufzubauen. Die anderen haben es da einfacher, da sie entweder mit ihrem BMX oder kleineren Gerätschaften auftreten. Aber bestimmt nicht weniger spektakulär“.
Urbanatix wurde ursprünglich als Projekt für Ruhr.2010 vorgeschlagen, damals aber abgelehnt. Trotzdem fanden Castings statt und professionelle Trainer betreuten die 16- bis 25jährigen Bewegungskünstler. Erste kleinere Auftritte folgten bis dann 2010 der erste große Auftritt mit Newcomern und Profis gemeinsam stattfand. Es wurde ein voller Erfolg und als einziges Projekt Anfang 2010 nachnominiert.
Vom 16. bis 20. November stehen jetzt wieder über 60 Ausnahmetalente der Bewegungskunst, Streetart und Musik in Bochum auf der Bühne. Das „Heimspiel“ mit den anstehenden 13 Shows ist bereits fast ausverkauft. Dennoch erhalten Kurzentschlossene noch Karten für alle Showtermine. Mit einem aufwendigen Bühnenbild und unter dem Leitmotiv „Spinning Around“ zeigt Urbanatix eine großartige, lebendige Show. Auf meine Frage, ob er denn überhaupt noch „normal“ durch die Straßen gehen könne oder ob er dabei ständig nur springt und klettert, antwortet Kirschnick schmunzelnd: „Naja, wenn ältere Leute vor mir gehen, ist es schon ganz praktisch, wenn ich dann trotz Barrieren an ihnen vorbeikomme. Die überraschten Blicke sind dann auch ganz lustig anzusehen.“
Kartenpreise: ab 24,50 Euro (ermäßigt 19,50 Euro) bis 39,50 Euro zzgl. aller VVK-Gebühren, Rollstuhlfahrer 34,50 Euro plus eine Begleitperson
Termine: Freitag, 11. November bis Sonntag 20. November 2011 zu unterschiedlichen Zeiten zwischen 17 und 20 Uhr, Montag ist spielfrei
Tickets: erhältlich unter Hotline (0211 27 4000 oder www.westticket.de oder www.eventim.de und an allen bekannten VVK-Stellen.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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