Landwirtschaft und Rinderzucht - ein Interview
Katrin Kleinpaß: "Europaweit ist mit einer (...) überheblichen Politik die Ernährungssicherung gefährdet worden."

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Wahrscheinlich weiß jedes Kind, dass es besonders viele Landwirte gibt zwischen den Niederlanden und dem Ruhrpott. Auch dass es unter den niederrheinischen Bauern einige Rinderzüchter gibt, ist hinlänglich bekannt. Katrin Kleinpaß, gelernte Landwirtin, kann Bäuerin und Züchterin. Genau wie ihre Töchter Zoe und Nele, die sich täglich tiefer ins notwendige Wissen eindenken.

Allerdings kam die Brünerin so ein wenig zu ihrem Job wie die Jungfrau zum Kinde. Von langer Hand geplant war das jedenfalls nicht! Im Interview schildert sie, warum sie sich seit einigen Jahren mit Herz, Verstand und wachsender Begeisterung der Aufzucht dieser Tiere widmet.

Dibo: Liebe Katrin, sei so nett und stelle dich unserer Leserschaft vor!
Katrin: Mein Name ist Katrin Kleinpaß, ich bin 49 Jahre alt und bewirtschafte in Brünen, zusammen mit meinem Mann Hermann und meinen beiden Töchtern Zoe und Nele, unseren landwirtschaftlichen Familienbetrieb Grünschnittkompostierung, Biogas, landwirtschaftlicher Lohnbetrieb). Hierzu gehören zirka 100 Hektar Ackerbau und 100 Hektar Grünland sowie eine Angus-Mutterkuhherde mit Direktvermarktung. Im Jahr 1994 habe ich die höhere Landbauschule besucht und als staatliche geprüfte Agrarbetriebswirtin abgeschlossen. 2011 habe ich den Betrieb von meinem Vater übernommen.

Dibo: Wie kam das genau mit Deiner Idee, Angus-Rinder zu züchten?
Katrin: Das war Zufall. Vor zirka sieben Jahren wurde uns ein kompletter Betrieb in Wesel zur Pacht angeboten. Hierzu gehört auch ein Stallgebäude. Da wir bis zu diesem Zeitpunkt keine Tiere im Betrieb hatten, waren wir zunächst etwas skeptisch, ob wir dieses Angebot überhaupt annehmen sollen. Kurz entschlossen haben wir uns dafür entschieden und mit konventioneller Bullen- bzw. Färsenmast angefangen. Gleichzeitig habe ich mir zwei Angus-Mutterkühe angeschafft, die eigentliche mein Hobby bleiben sollten. Aus dem Hobby ist dann, wie fast immer, Arbeit geworden.

Dibo: Du hattest doch keinerlei Erfahrung – wie gelang der Start?
Katrin: Eigentlich wollte ich die Färsen tragend verkaufen. Aufgrund der damaligen Milchkrise hätte mir jedoch niemand die Tiere abgekauft. Also wurden die weiblichen Tiere nicht besamt, sondern auch weiter zur Mast gehalten. Der Plan, die Tiere auf dem freien Markt zu verkaufen, war zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht wirtschaftlich, da der Schlachtpreis für Weiderinder wegen des Überangebotes gegen Null ging. Dann musste eine neue Idee her. Ich habe mir einen lokalen Schlachter gesucht und angefangen, das Fleisch selbst zu vermarkten. Zunächst an Familie und Freunde. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda stieg die Nachfrage recht schnell an. Damit hatten wir gar nicht gerechnet.

Dibo: Sind alle Rinder gleich oder ist ein Angus ein besonderes Tier?
Katrin: Ich habe aus zwei Gründen für Angus-Rinder entschieden: 1. Ich wollte keine Rasse nehmen, die "alle" haben (Galloway, Limousin, Charolais etc.). Gleichzeitig sollte es aber eine Fleischrasse von bester, fein marmorierter Qualität sein. 2. Angus-Rinder sind genetisch hornlos, was eine erhebliche Erleichterung im Umgang mit den Tieren ist.

Dibo: Erfüllt Eure Zucht gängige „Bio“- und Nachhaltigkeits-Anforderungen?
Katrin: Nein, unser Betrieb ist kein Bio-Betrieb. Dennoch werden die Tiere ganzjährig auf der Weide gehalten. Den Winter verbringen sie in Offenstall-Haltung auf Stroh. Auch dort fressen sie nur selbst angebautes Gras. Die Mutterkühe leben zusammen mit unserem Bullen Freddy im Herdenverband. Die Kälber bleiben etwa acht Monate bei ihren Müttern, bevor sie mit zirka zweieinhalb Jahren geschlachtet werden.

Dibo: Bitte beschreibe die Facetten Deiner Beziehung zu den Rindern!
Katrin: Unsere Tiere haben alle Namen, sowohl die weiblichen als auch die männlichen. Und genauso wie wir Menschen, haben auch die Tiere alle eine eigene Persönlichkeit. Obwohl alle Tiere einfarbig schwarz sind, kann ich sie auf der Weide auseinanderhalten und weiß welches Kalb zu welcher Kuh gehört. Zum Beispiel vererbt unsere Kuh Miri wunderschöne Augen mit sehr langen Wimpern. Cora hingegen vererbt sehr große, abstehende Ohren.
Die Verantwortung für meine Tiere endet nicht an meiner Stalltür, sondern erst mit der Wertschätzung des Kunden. Daher ist es mir wichtig die Tiere selbst aufzuladen, zum Schlachter zu fahren und dabei zu bleiben, bis sie ihr Leben gelassen haben.

Dibo: Habt Ihr mit Euerm Angebot eine Marktlücke geschlossen?
Katrin: Zu Anfang haben wir den Fleischverkauf aus dem Kühlhaus heraus gemacht. Alles etwas rustikal. Als die Nachfrage stieg und wir gemerkt haben, dass da offensichtlich eine Marktlücke ist, haben wir die alte Werkstatt in einen Hofladen umgebaut. Im Moment lasse ich etwa alle drei Wochen ein Tier schlachten. Ich benachrichtige die Kunden über WhatsApp und kann so auch die Bestellungen aufnehmen.

Dibo: Wie läuft der Hofladen?
Katrin: Wir haben viele Stammkunden aber auch regelmäßig neuere Interessenten, die gutes Fleisch mit Herkunftsgarantie zu schätzen wissen. Jeder kann individuell bestellen, auch in kleinen Mengen. Es gibt keine Mindestabnahme. Sonderwünsche werden nach Möglichkeit gerne erfüllt. Zwischen den Verkaufsterminen gibt es im Hofladen jederzeit vakuumiertes, tiefgefrorenes Fleisch nach Verfügbarkeit

Dibo: Was wünscht Du dir (und Euern Rindern) für die nähere Zukunft?
Katrin: Für die Zukunft wünsche ich mir persönlich, dass der neue Kuhstall vor dem Winter fertiggestellt wird und es mehr regnet. Allgemein, dass den deutschen Landwirten mehr Vertrauen und Respekt für ihre guten Produkte entgegengebracht wird. Dass in medialen Berichterstattungen mit mehr Hintergrund recherchiert wird. Dass es bei agrarpolitischen Entscheidungen und Beschlüssen weniger um Wählerstimmen und somit um Geld, als denn tatsächlich um Klima,- Tier,- und Naturschutz geht. Europaweit ist hier bisher mit einer dekadenten und überheblichen Politik die Ernährungssicherung gefährdet worden. Dazu sollten unbedingt auch die befragt werden, die täglich in der Praxis arbeiten. Hierzu gibt es auch in den sozialen Medien einige kluge Köpfe, die nicht nur lospoltern, sondern mit Hintergrundwissen wertvolle Einblicke auch für Nichtlandwirte geben. Ich empfehle den Verantwortlichen die Ballade von Adelbert von Chamisso "Das Riesenspielzeug".

Über Angus-Rinder ...

Die Rinderrasse Aberdeen Angus entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Schottland, wie Ausgrabungsfunde belegen. Sie wird seit über 200 Jahren intensiv gezüchtet und ist inzwischen eine der bedeutendsten Fleischrinderrassen weltweit.
Bereits 1876 wurden Angus Rinder nach Deutschland exportiert – im größeren Maße seit 1955. Die schottischen Aberdeen Angus wurden mit einheimischen Rinderrassen verpaart. Mit den Nachkommen dieser Kreuzung entstand vor etwa 60 Jahren das sogenannte Deutsche Angus Rind als erste deutsche Fleischrinderrasse.
In den letzten 30 Jahren wurde die Zucht dieser Rasse auf das international übliche Aberdeen-Angus-Zuchtziel ausgerichtet. So wird die Rasse einheitlich als Rasse „Angus“ weitergezüchtet. (Quelle: herz-fuer-tier.de)

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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