Grundsteuer-B-Schock
Bürger werden zur Kasse gebeten
Fast hätte die Stadt Hamminkeln die Spitzenposition unter allen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen eingenommen: Der Hebesatz für die Grundsteuer B sollte von 650 auf 1300 Prozent erhöht werden - er wäre höher als in jeder anderen Gemeinde in NRW.
Im Dezember hatte die Stadt Hamminkeln die geplante Erhöhung nach unten korrigiert. Seitdem war die Rede von einem Hebesatz von 1050 Prozent. Zum Vergleich: Auch damit läge Hamminkeln auf Platz zwei der NRW-Kommunen - hinter Niederkassel mit 1100.
Zusatzkosten 142 Euro pro Bürger und Jahr
Vier Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr sollen generiert werden. Bei knapp 28.000 Einwohnern bedeutet das durchschnittlich 142 Euro pro Kopf und Jahr, die die Bürger bezahlen müssen. "Völlig inakzeptabel", meint Michael Peters. Für ein Ein- oder Zweifamilienhaus könnten mehrere Hundert Euro pro Jahr zusätzlich anfallen, hat er ausgerechnet. Wohlgemerkt nur für die Grundsteuer B, also die Steuer, die Kommunen für bebaute und bebaubare Grundstücke sowie Gebäude verlangen. Immobilienbesitzer können die Kosten auf ihre Mieter umlegen, so dass jeder Bürger betroffen wäre. "Die Bürger ächzen, alles wird teurer. Eine Erhöhung in dieser Größenordnung ist schlicht dreist."
2210 Unterschriften gegen Erhöhung übergeben
Der Vermessungstechniker hat eine Online-Petition gestartet und Unterschriften gegen die geplante Erhöhung gesammelt. Bereits Anfang Februar übergab er im Haupt- und Finanzausschuss mit einigen Unterstützern 2210 Unterschriften, die Petition läuft aber weiter auf www.change.org.
Die Politik hat reagiert und das Thema von der Tagesordnung des Haupt- und Finanzausschusses und des Rates genommen. Offiziell begründet wird dieser Schritt nicht mit dem Widerstand seitens der Bevölkerung, sondern mit "Bilanzierungsregeln bzw. Bilanzierungserleichterungen, die zu Ende Februar gesetzlich möglich werden", heißt es schriftlich aus dem Bürgermeister-Büro auf Anfrage unserer Redaktion. Und weiter: "Dass es Änderungen an den Plänen geben kann, ist möglich/wahrscheinlich. Ob das mit der Petition zu tun hat, muss die Politik beantworten."
Kommunen in finanzieller Schieflage
Aber wieso wollte Hamminkeln die Grundsteuer B überhaupt so stark erhöhen? Die Stadt sah sich dazu gezwungen, weil die Kassen leer sind. Um nicht in die Haushaltsicherung, den so genannten Nothaushalt zu rutschen, sei die Diskussion um Steuererhöhungen "unumgänglich", wird der Hamminkelner Kämmerer Robert Graaf in der NRZ zitiert. Als Gründe für die finanzielle Schieflage nennt er steigende Aufgaben durch den Bund, die nicht ausreichend finanziert würden. In der Beschlussvorlage werden die Inflation, gestiegene Personalkosten, die steigende Kreisumlage, die Jugendamtsumlage und die ÖPNV-Umlage sowie Zinsanpassungen von der Nullzinsphase auf aktuell vier Prozent als Kostentreiber genannt.
"Einfach unverschämt"
Bei allen guten Gründen - die Schmerzgrenze bei der Hamminkelner Bevölkerung ist erreicht. "Einfach unverschämt", schreibt eine Unterstützerin der Petition. Ein anderer begründet seine Unterstützung der Petition: "...weil ich armer Rentner bin und mir das nicht leisten kann".
Wie es am Ende in Hamminkeln ausgeht, steht noch nicht fest. Bürgermeister Bernd Romanski plant mit mindestens 900 Prozentpunkten, hat er gegenüber der NRZ gesagt. Fällt bis Mitte März keine Entscheidung, rutscht die Stadt in ein Haushaltssicherungskonzept - das, was die Verwaltung mit den Steuererhöhungen unbedingt vermeiden wollte.
Vergleich: Wie hoch ist die Grundsteuer B in den Städten?
Rund ein Viertel der Kommunen in Nordrhein-Westfalen hat zwischen Juli 2022 und Juni 2023 die Hebesätze der Grundsteuer B erhöht. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilt, lagen zum Stichtag 30. Juni 2023 die Hebesätze von 104 Kommunen über dem Wert des Vorjahres. In fünf Kommunen waren sie niedriger als Ende Juni 2022 und in 287 Kommunen waren sie unverändert.
So hoch war der Hebesatz für die Grundsteuer B am 30. September 2023 in den Städten unseres Erscheinungsgebietes:
1. Witten 910
2. Mülheim 890
3. Hattingen 875
4. Gladbeck 850 (inzwischen 950)
5. Duisburg 845 (vorher 855)
6. Wetter (Ruhr) 755
7. Hagen 750
8. Herne 745
9. Herdecke 745
10. Schwelm 742
11. Moers 740 (geplant 800)
12. Ennepetal 740
13. Sprockhövel 730
14. Gevelsberg 695
15. Voerde 690
16. Hemer 680
17. Heiligenhaus 680
18. Bottrop 680
19. Gelsenkirchen 675
20. Oberhausen 670
21. Essen 670
22. Hamminkeln 650 (ursprünglich geplant 1300, dann 1050)
23. Dinslaken 648
24. Bochum 645
25. Hünxe 600
26. Menden 595
27. Breckerfeld 560
28. Velbert 550 (Plan: 650)
29. Iserlohn 496
30. Wesel 493 (inzwischen 690)
31. Rees 493 (geplant 501)
32. Emmerich 493 (geplant 501)
33. Hilden 480 (geplant 630)
34. Isselburg 453
35. Ratingen 400 (geplant 480)
36. Langenfeld 299 (geplant 360)
37. Monheim 250 (inzwischen 282)
Einschätzung des Bundes der Steuerzahler NRW
Rik Steinheuer, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in NRW: "Wir erkundigen uns derzeit bei allen 396 nordrhein-westfälischen Kommunen, ob für 2024 eine Grundsteuer-B-Erhöhung bereits beschlossen oder noch beabsichtigt ist. Bisher liegen uns aus rund 300 Städten und Gemeinden Antworten vor, von denen jede dritte Kommune in diesem Jahr an der Steuerschraube dreht. Wir gehen davon aus, dass die Quote bei den Kommunen, die bisher noch nicht geantwortet haben, ähnlich sein wird. Endgültige Klarheit wird es erst im Sommer geben, denn die Kommunen können noch bis zur Jahresmitte die Hebesätze rückwirkend zum Jahresbeginn verändern. Die übergeordneten Ebenen sind gefordert, den Kommunen nicht ständig zusätzliche Aufgaben aufzubürden, erst recht nicht ohne ausreichende Gegenfinanzierung. Zudem sprechen wir uns dafür aus, die Vielzahl verwaltungsaufwändiger Förderprogramme drastisch zu reduzieren und im Gegenzug die allgemeine Finanzausstattung der Kommunen zu verbessern. Manches Projekt wird nur deshalb umgesetzt, weil hohes Fördergeld winkt – zu Lasten von objektiv dringlicheren Maßnahmen, die aber vollständig aus dem Stadtsäckel zu bezahlen wären. Aber die Kommunen müssen sich auch an die eigene Nase fassen: Die Möglichkeiten, durch interkommunale Zusammenarbeit und konsequente Digitalisierung Einsparpotentiale zu heben, sind bei weitem noch nicht ausgereizt."
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