Drei Tote in Lankern / Offener Brief der Nachbarn an Bürgermeister Bernd Romanski
Anlieger zitieren BILD-Bericht: "Dieser letzte Satz fühlt sich für uns an wie ein Schlag ins Gesicht!"

Die Nachbarschaft am Bahnübergang Lankernbrok äußert sich schockiert über die Art und Weise, wie inhaltlich über den unbeschrankten Bahnübergang diskutiert wird, an den am Freitag drei Menschen starben. In einem offenen Brief an Bürgermeister Bernd Romanski formulieren die Anlieger ...

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Romanski,

das tragische Bahnunglück am vergangenen Freitag hat uns alle erschüttert. Wir Nachbarn wurden zu Zeugen und Ersthelfern. Wir sind in Gedanken bei den Familien der Todesopfer, dem Zugführer und bei allen, die als Feuerwehrleute oder Sanitäter geholfen haben. Es war nicht das erste Unglück an einem der unbeschrankten Bahnübergänge.
Wir haben an den vergangenen Tagen auch diverse Presseberichte gelesen. Darauf bezugnehmend wende ich mich heute stellvertretend für die Anlieger der Straße Lankernbrok und der umgebenden Nachbarschaft an Sie.

In den vergangenen Jahren, und Jahrzehnten beobachten wir Anlieger des Bahnübergangs Lankernbrok die zunehmende Häufigkeit von brenzligen Situationen an dieser Stelle. Fast wöchentlich wird beobachtet, wie Autos oft im letzten Moment über die Gleise fahren. Erst am vergangenen Samstag musste der Zug eine Notbremsung durchführen, um eine Kollision zu vermeiden. Über die Gründe für solche Situationen lässt sich nur mutmaßen: Ortsunkenntnis der Autofahrer, Ablenkung, der Zug wurde nicht gesehen oder das Hupen nicht gehört? Letztlich ist das aber im Ergebnis nicht relevant.

So kam es in den vergangenen Jahren bereits zu Unfällen, bei dem die Insassen der beteiligten Autos jeweils mit dem Schrecken davongekommen sind. Auch für uns Anlieger waren dies große Schreckmomente, denn zwangsläufig eilt man zur Unfallstelle, um zu helfen. Immer wieder kam bei uns nach solchen Vorfällen die Frage auf, warum der Übergang nicht mit einer vernünftigen Signalanlage gesichert wird. Das ist völlig unverständlich. So haben wir schon solange befürchtet, dass es irgendwann nicht mehr gut gehen würde. Mir klingt noch der Satz in den Ohren: „Es muss erst jemand sterben.“

Am 24.04.2020 wurde diese Befürchtung nun traurige Gewissheit. Unbeteiligte können sich nicht vorstellen, was einige von uns (mich selber eingeschlossen) an diesem Tag mit ansehen mussten. Als Ersthelfer eilten wir zur Unfallstelle und versuchten zu retten, was nicht mehr zu retten war. Was blieb, war den Notruf abzusetzen und der sterbenden Frau Beistand zu leisten und sie bis zum Eintreffen der Rettungskräfte nicht allein zu lassen. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, wahrscheinlich nur wenige Minuten, aber es waren mit Abstand die längsten und schlimmsten Minuten, die ich und auch die anderen Beteiligten bisher erlebt haben. Uns zeigten sich Bilder, die wir nicht mehr vergessen werden.

All dies schicke ich vorweg, um unser Anliegen deutlich zu machen.

In diversen Presseberichten mussten wir Sätze lesen, die nach einer Rechtfertigung Ihrerseits dafür klingen, dass der Übergang bisher nicht gesichert ist. So lasen wir auf BILD online (25.4.2020): „Bei dem Übergang, an dem nun das Unglück passierte, habe vor einigen Jahren sogar die komplette Schließung zur Debatte gestanden, sagte er [Romanski] zu BILD. Man habe sich damals nach Rücksprache unter anderem mit der Feuerwehr dagegen entschieden. Auch Anwohner hätten auf den Übergang nicht verzichten wollen.“
Dieser letzte Satz fühlt sich für uns an wie ein Schlag ins Gesicht. Uns kommt es so vor, als sollten wir nun indirekt für den Unfall verantwortlich gemacht werden, weil der Übergang für uns und das nachbarschaftliche Miteinander wichtig ist. Diese Aussage für sich genommen, ist nicht nur deutlich zu kurz gegriffen, sondern unerträglich.

Ich erinnere mich noch gut an das Verfahren, als es damals um die Entbehrlichkeit des Übergangs ging. Mir liegt zudem noch der Pressebericht aus dem BBV vom 28.09.2016 vor, indem steht, dass Sie auf der Bürgerversammlung dafür geworben haben, sich rege im Internetportal zu Wort zu melden, um deutlich zu machen, dass der Übergang nicht entbehrlich ist. Dem sind viele von uns damals gefolgt.

Nun wird uns daraus ein Strick gedreht? Unfassbar!

Uns geht es nicht darum, Ihnen oder der Stadt Hamminkeln den Unfall vorzuwerfen, denn mir sind die Abläufe und Verantwortlichkeiten durchaus bekannt, allerdings sind wir traurig und verärgert darüber, dass uns der schwarze Peter zugeschoben werden soll. Gleichsam ist es im Übrigen vielen auch sauer aufgestoßen, dass mit dem Finger ebenfalls in Richtung Feuerwehr gezeigt wurde.

Wir waren nicht dabei, als Sie ihr Statement dazu abgegeben haben, aber es hätte unseres Erachtens deutlich achtsamer, sensibler und auch mit Rücksicht auf uns Anlieger erfolgen können. Es war völlig unnötig und irrelevant, uns und die Feuerwehr ins Spiel zu bringen. Gerade die Einsatzkräfte bewundere ich nach diesen Ereignissen für die Arbeit, die sie leisten, übrigens nochmal umso mehr.
Wir sollten alle gemeinsam über alle Partei- und Interessengrenzen alles dafür tun, für Abhilfe zu sorgen, so dass fehlende Schranken das letzte Mal Grund für einen Unfall waren. Schuldzuweisungen oder Spekulationen helfen nicht weiter.
Wir setzen auch auf Ihre Unterstützung, die zuständigen Verantwortlichen zu überzeugen.

Mit freundlichen Grüßen
Christin Hoffmann

Im Namen der Familien:
Bielefeld
Essingholt
Feldheim
Gross-Heynk
A. Hessling
K. Hessling
Hoffmann
Hufe
K.-H. Klötgen
K. Klötgen
Nienhaus
Piatkowski
Tebrügge
Vehns

Autor:

Lokalkompass Kreis Wesel aus Wesel

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