Eine musikalische Liebeserklärung
Über die willkommene und großartige Zweckentfremdung einer Sporthalle
Der Violinschlüssel im Titelbild – das ist sofort klar – kann nur für das L stehen, und damit für die Liebe. Wer kennt ihn nicht, den 1976 erschienenen Welthit „Music“ von John Miles, dessen erste Zeilen lauten: „Music was my first love – and it will be my last“. Chor- und Posaunenchorleiter Marcel Bönninger nahm – dazu ermuntert und dabei unterstützt von seiner Tochter Melina – seinen 50. Geburtstag zum Anlaß, unter diesem Motto die Chöre, mit denen er schon zusammengearbeitet hatte, zu zwei Großkonzerten zu vereinigen. Wer ihn kennt, ihn planend und dirigierend erlebt hat, oder wer bei einem dieser beiden Konzerte mitsingend, mitspielend oder zuhörend dabei war, der ahnt (bzw. weiß), daß es sich bei diesem Liebesverhältnis offensichtlich um einen fruchtbaren Dauerzustand handelt – zwischen eben diesen Polen „first“ und „last“.
In der Schulsporthalle Hamminkeln waren am 25. und 26. Januar nicht Breitensport, Ballspiel oder Badminton angesagt, sondern Blechbläser, Bühnengesang und Beats. Über 200 Musiker nahmen den zur Bühne erkorenen Raum vor der Kletterwand der Halle ein; ein Vorgang, bei dem allein schon das Zuschauen Spaß machte. Etwa ein Viertel davon bestand aus den Bläserinnen und Bläsern der Posaunenchöre aus Hamminkeln und Voerde, die mit ihren Trompeten, Flügelhörnern, Hörnern, Posaunen und Tuben sitzend die vorderen Reihen bildeten. Dahinter, auf den Stufenpodesten, besetzten die Sängerinnen und Sänger ihre ihnen stimmengemäß zustehenden Positionen; außer dem gastgebenden Hamminkelner Männergesangverein „Bleib treu“ waren darunter vertreten: der MGV Brünen, die New Gospel Voices aus Flüren, der Junge Chor Haldern sowie Mitglieder des Drevenacker Männer- und des kath. Dingdener Kirchenchores. Rhythmische Unterstützung gab es genau aus der Mitte, von Musikschullehrer Dieter Bergmann am Schlagzeug. An beiden Tagen ließen sich jeweils ca. 750 Zuhörer (Geburtstagsgäste) in der ausverkauften Halle von dem Dargebotenen begeistern.
Beeindruckend die Vielfalt der verschiedenen musikalischen „Lager“, aus denen „Polychorleiter“ Bönninger die Titel für das Programm ausgewählt hatte. Los ging's mit dem Rock-Musical Jesus Christ Superstar (Andrew Lloyd Webber), später folgte mit Der ewige Kreis aus König der Löwen ein weiterer „Musicalbesuch“. Aus der Rock/Pop-Ecke kamen die Pop-Ballade Earth Song (Michael Jackson) und – als „Opener“ der zweiten Programmhälfte – John Miles' vielgesichtiges Music, der „Mottosong“ des Projekts. Filmthemen bildeten den größten Anteil, derer vier waren zu hören: die beiden Werke des griechischen Komponisten Vangelis Conquest of Paradise und Chariots of Fire(1) aus den gleichnamigen Filmen, ein Medley aus Titeln von Fluch der Karibik (von den deutschen Komponisten Klaus Badelt und Hans Zimmer) sowie die Ballade Gabriellas sång aus dem schwedischen Film Wie im Himmel. Letzteres Werk war, aus dem Jahre 2004 stammend, mit knapp zehn Jahren das jüngste der aufgeführten, das Halleluja aus dem Messias von G. F. Händel hingegen das älteste – mehr als fünfmal so alt wie der Dirigent. Mit dem schlesischen Chorstück Transeamus usque Bethlehem gab es eine feine weihnachtliche Nachspeise, und mit Highland Cathedral gegen Ende einen Ausflug in musikalische Dudelsack-Gefilde; bemerkenswert, daß auch dieses so schottisch klingende Werk von deutschen Komponisten (Ulrich Roever und Michael Korb) kreiert wurde.
Insgesamt eine sehr kontrastreiche Mischung, für deren Stücke Bönninger die Arrangements selbst geschrieben und auf „seine Leute“ zugeschnitten hatte: eine zusätzliche nennenswerte Qualität, neben dem (für alle sichtbaren) deutlichen wie mitreißenden (bisweilen auch sehr sportlichen bzw. „sporthallenkompaktiblen“) Dirigat, und der (für alle hörbaren) sprachgewandten und humorvollen Art der Conférence.(2) Offbeats, Siebenvierteltakte und ähnliche „krumme Dinger“ gehören bei den meisten Posaunen- und anderen Chören ja nicht gerade zum musikalischen Alltag; um so erwähnenswerter, wie gut das große Musikschiff – mit Bönningers optischen und Bergmanns akustischen „Lotsendiensten“ – auch durch die rhythmischen Gewässer fuhr.
Alles in allem ein vorbildhaftes Beispiel sowohl für musikalische Vernetzung als auch für „Sporthallenzweckentfremdung“, eine passende wie gelungene Geburtstagswürdigung und ein ganz besonderes Erlebnis. Mit etwas Verspätung (noch gerade „in der Oktav“), aber respektvoller Anerkennung:
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!
Vor allem dem Geburtstagskind, aber auch sämtlichen (im Vorder- und Hintergrund) beteiligten Akteuren.
Anmerkungen:
(1): Dieses war vielleicht das einzige der Stücke, bei man noch zusätzlich einen Keyboardspieler hätte einsetzen können; wenn, dann aber nur den hier zu bewundernden. ;-)
(2): Ein besonderes Schmunzeln zauberte bei mir der Hinweis auf die im Text von Transeamus lauernde (und schon selbst mehrfach erlebte) Gefahr hervor, die lateinische Textstelle „Mariam et Joseph“ zu der plattdeutschinfizierten Variante „Maria met Joseph“ mutieren zu lassen.
Autor:Theo Grunden aus Hamminkeln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.