Bertold Beitz, seit über 40 Jahren Vorsitzender des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und seit 1999 auch Ehrenvorsitzender der ThyssenKrupp AG verdient zu seinem 98. Geburtstag am 26. September sicherlich eine Ehrung durch die Stadt Essen.
Warum aber Oberbürgermeister Paß und die Stadtverwaltung jetzt den Bezirksvertretungen I und V für ihre Sitzungen am 27. 9 empfehlen, die Bamlerstraße in Altenessen in Bertold- Beitz-Boulevard umzubenennen, ist mit üblichen politischen Maßstäben nicht nachzuvollziehen.
Bisher beginnt der neugebaute Boulevard an der Frohnhauser Str. und endet auf der Bottroper Straße vor der Altenessener Stadttteilgrenze. Mit der später geplanten Verlängerung zur Hache Str. am Hauptbahnhof entsteht hier ein Straßenbauwerk, dass allen Essener Besuchern deutlich in Erinnerung bleibt. Bisher ist es in Essen nicht üblich, dass die inneren und äußeren City-Ringe gleichlautende Namen tragen müssen. Besonders vielfältig wandelt sich die Hans-Böckler Str. zur Grillostr., zur Katzenbruchstr., zur Herzogstr., zur Burgrafenstr. usw., obwohl der Trassenverlauf des äußeren Cityrings durchgängig weiterläuft.
Orientierungsprobleme und Umtaufkosten
Angeblich soll die empfohlene Umbenennung der Bamler Str. zum Bertold-Beitz-Boulevard der besseren verkehrlichen Orientierung dienen und sogar Rettungsfahrten entlang der Straße erleichtern.
Erst nach mehr als einem Jahrzehnt fällt der Verwaltung also auf; es sei es problematisch, dass am nordwestlichen Beginn der Bamlerstraße mit dem neuen Gewerbegebiet Bamlerpark ein Abzweig unter gleichem Straßennamen entstanden sei.
Nur dieser Abzweig soll seinen alten Namen behalten. Die eigentliche, seit 1927 nach dem Luftschifffahrtspionier und Gründer der Essener Meteorologischen Station Carl Bamler benannte Straße soll zur Verlängerung des Bertold-Beitz-Boulevards werden.
Deshalb seien laut Stadtverwaltung auch die geringen Kosten von 1800 € für neue Straßenschilder gerechtfertigt und nicht durch den Haushaltsparagraphen 82 der Gemeindeordnung NRW zu beanstanden, der ansonsten rein freiwillige Leistungen von Nothaushaltsgemeinden untersagt.
Noch erstreckt sich die Bamler Str. aber von der Gladbecker Str. bis zur Bottroper Str. und mittendrin gibt es die U-Bahnstation „Bamlerstraße“. Rund 10000 € dürfte laut EVAG-Standard die Umrüstung der gesamten Station und das Einpflegen des neuen Namens in die verschiedenen Veröffentlichungen der Fahrpläne kosten.
Natürlich sind diese Summen formal nicht durch die Stadt Essen selbst zu tragen, sondern von ihrer defizitären Verkehrsgesellschaft EVAG. Es geht also nicht bloß um neue Schilder für die 11 Straßeneinmündungen in die Bamlerstr.
Eine Brücke für Beitz?
Sinnvoller könnte es sein, statt der Bamlerstr., lieber eine bisher unbenannte Brücke, Schule oder einen Platz nach Bertold Beitz zu benennen. Die für den kreuzungsfreie Radverkehr über die bisherige Bamlerstraße notwendige, aber leider vom Abriss bedrohte Brücke wäre hier eine gute Möglichkeit.
Der Umgang der Stadt Essen mit ihrem einzigen Ehrenbürger seit 1949 sollte trotzdem ein gewisses Maß an bürgerlicher Normalität nicht verlassen. Bereits für die Namensgebung des Bertold-Beitz- Boulevards wurden die Richtlinien der Stadt Essen und des Landes NRW außer Kraft gesetzt, die Benennungen öffentlicher Straßen und Plätze nach lebenden Persönlichkeiten ansonsten ausschließen.
Nun bestätigen Ausnahmen eigentlich die Regel. Zu viele Ausnahmen sorgen allerdings für Verwirrung, welches Geschichtsverständnis denn die Stadt Essen befördern will.
Städtische Richtlinien aus den neunziger Jahren besagen auch, dass Umbenennungen möglichst zu vermeiden sind und nur aus äußerst schwerwiegenden Gründen erfolgen sollen.
Unrühmliche Essener Strassennamen
Gründe zur dringenden Umbenennung einzelner öffentlicher Straßen hatten z.B die Grünen in den vergangenen 20 Jahren immer wieder mit Anträgen angemahnt:
- „Admiral Scheer“ , der im 1. Weltkrieg gegen geltendes Kriegsrecht für den „totalen Seekrieg“ verantwortlich war
- Generaloberst „von Seeckt“, der während des Kapp-Putsches 1920 die demokratisch gewählte Reichsregierung nicht durch republiktreues Militär schützte und später die Aufbaupläne der nationalsozialistischen Wehrmacht entwickelte.
- Reichspräsident “Hindenburg“, der 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannte und bereits 1918, unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg mit der „Dolchstoßlegende“ einer angeblich siegreichen Armee, der nur die revolutionären Arbeiter in den Rücken gefallen seien, Grabsteine für die Weimarer Republik legte.
- „Heinrich-Lersch“, ein rechter, in der NS-Zeit in hohen Auflagen gewürdigter Arbeiterdichter dessen Weltkriegsgedichte unter anderem durch die Gedichtzeile berühmt wurde: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen !“
- „Christoph Wieprecht“, Arbeiterdichter und Kruppianer, ein Hitler gläubiger Essener, der seine Gedichte gern unmittelbar dem Führer widmete.
Seitens der Verwaltung und der SPD und CDU Fraktionen blieben die Ablehnungsgründe immer ähnlich. Erstens solle die Stadt 50 bis 70 Jahre lang existierende Straßennamen nicht mehr ändern, zweitens würden Umbenennungen doch Geld kosten und drittens wären die entsprechenden Menschen doch vielleicht nicht ganz so schlimm gewesen.
Nur bei dem skrupellosen blutigen Kolonialisten „Carl-Peters“ und dem antisemitischen Historiker „Heinrich von Treitschke“ wurde gab es den langwierigen Erfolg Grüner Initiativen, sie schließlich von den Straßenschschildern herunter zu bekommen.
Ganz im Gegensatz zu diesen Herrschaften war Carl Bamler aber ein ehrenwerter Mann, der durchaus weiter Namensgeber einer große Essener Straße bleiben sollte.
Walter Wandtke
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
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