Eine Straße für Käthe Larsch - Späte Ehrung für Widerstandskämpferin aus Altenessen.

10. Juli 2011
19:00 Uhr
Altenessen, 45326 Essen
Die Gedenktafel für Käthe Larsch an der Seumannstr. - im Niemandsland zwischen Altenessen und Stoppenberg
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  • Die Gedenktafel für Käthe Larsch an der Seumannstr. - im Niemandsland zwischen Altenessen und Stoppenberg
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In der Juli-Sitzung des Hauptausschusses des Stadtrats wurde endlich die Benennung der Straßen im neuen Universitätsviertel nördlich der Friedrich Ebert Straße beschlossen. Mehrere Monate lang hatte das Verfahren auf Eis gelegen, obwohl es den einstimmigen Beschluss der Bezirksvertretung I gegeben hatte, die drei Neubaustraßen nach „Bargmann“, „Meyer-Schwickerath“ und „Hans Marchwitza“ zu benennen. Der zweite Vorschlag der Grünen, die 1935 von den Nationalsozialisten ermordete Stoppenberg Arbeiterfrau und vierfache Mutter Käthe Larsch zu ehren, fand schließlich eine Mehrheit.
Mit dem ursprünglichen Beschluss in der Bezirksvertretung I hatten alle drei Fraktionen ihre Vorschläge für die Straßennamen durchsetzen können. Die SPD votierte für Hans-Joachim Bargmann, der in den siebziger Jahren wesentlich für die Gründung der damaligen Gesamthochschule – Universität Essen verantwortlich war. Die CDU wollte mit ihrer Benennung den Augenarzt Prof. Dr. Gerhard Meyer-Schwickerath ehren, der über viele Jahre am Universitätsklinikum als Direktor der Essener Augenklinik tätig war.

Die Grünen im Stadtbezirk hatten den ehemaligen Stoppenberger Bergarbeiterdichter Hans Marchwitza vorgeschlagen. Diese beabsichtigte Ehrung stieß allerdings auf den erbitterten Widerstand des NRZ-Lokalchefs Frank Stenglein und des CDU-Ratsherrn Hans Schippman, da Hans Marchwitza bis zu seinem Tod im Januar 1965 überzeugter Kommunist geblieben war. Nun sollte seitens der Grünen nicht sein spätes Werk als sogenannter „Nationalschriftsteller“ in der DDR gewürdigt werden.
Dessen Erstling und bekanntestes Buch „Sturm auf Essen“ schildert aus eigenem Erleben den bewaffneten Arbeiterwiderstand gegen den rechten Kapp-Putsch vom März 1920. Hans Marchwitza war in den zwanziger KPD-Gemeinderatsmitglied in Stoppenberg und gehörte ab 1933 zu den von den Nationalsozialisten verbotenen und verfolgten Schriftstellern.
Zum Glück aber war Marchwitza die Flucht zuerst in die Schweiz, später nach Frankreich und in den Kriegsjahren in die USA gelungen.

Erinnerung an Hans Marchwitza fehlt weiterhin

Auch nach dem Kriegsende 1945 blieb Hans Marchwitza überzeugter Kommunist. Schnell siedelte er bei seiner Rückkehr nach Deutschland nach kurzer Zwischenstation in der amerikanischen Zone nach Potsdam in die spätere DDR über. In der DDR bleib er bis zu seinem Tod im Januar 1965 ein hochgeehrter Schriftsteller mit vielen Buchveröffentlichungen und hohen Auflagen.
Nun glauben verschiedene einflussreiche Personen in der Stadt Essen, aber auch Parteien wie die FDP oder die Wählergemeinschaft „Essener Bürgerbündnis“, es sei untragbar, wenn überzeugte Kommunisten mit Strassenbenennungen geehrt würden, selbst wenn sie aktiven Widerstand gegen Hitlerdeutschland geleistet haben.
Interessanterweise solche kontroversen Debatte aber nicht überliefert, als vor einigen Jahren, noch unter CDU Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Reiniger, ein viel bekannterer Essener Kommunist mit einer Platzbenennung geehrt wurde. Ein kleiner Platz am westlichen Rand der Innenstadt ist bis heute nach dem früheren KPD-Bundestagsabgeordneten Heinz Renner benannt, der u.a. auch als einer ersten Essener Nachkriegsoberbürgermeister tätig war und im parlamentarischen Rats unser Grundgesetz mit gestaltet hat.

Vom Recht der Namensgebung

Bedeutendere Straßenbenennungen mit bundesweit bekannten Persönlichkeiten oder für Straßen mit „überbezirklicher Bedeutung“darf eine Bezirksvertretung laut Hauptsatzung der Stadt Essen allerdings nicht allein entscheiden. Solche Namensvorschläge müssen dann durch einen Beschluss des Hauptausschusses der Stadt Essen bestätigt werden. Normalerweise ist so etwas aber reine Formsache ohne weitere Debatte, denn Schwarz, Rot, Grün und Gelb hatte sich doch vorher im Stadtbezirk I konfliktlos für die drei Namen entschieden.
Kurzfristig und überraschend nahm die Stadtverwaltung dann allerdings den Beschlussvorschlag für die Namensgebung von der Tagesordnung des Ausschusses. Die Stadtverwaltung hatte wohl Sorge, eine Kampfabstimmung über eine Straßenbenennung könnte dem Image der Stadt schaden. Außerhalb der Ratsgremien entstand dafür eine umso regere Diskussion über Zeitungsartikel und Kommnetare in unserer übergroßen Ruhrgebietsmediengruppe.

Unbewiesene Gerüchte über Hans Marchwitza

CDU-Ratsherr und Fraktionsvorstandsmitglied Hans Schippmann hatte kurz vor der Hauptausschusssitzung sein Veto eingelegt, da Hans Marchwitza doch in der DDR ein hochdekoriertester und staatstragender Schriftsteller gewesen sei, der angeblich auch den Mauerbau in Berlin verteidigt hätte. Belege dazu und zu anderen Vorwürfen gegenüber Marchwitzas öffentlichem Leben in der DDR wurden allerdings nicht angeführt.
Dieses Veto war dann ausreichend , dass der NRZ-Lokalchef Frank Stenglein einen großen Artikel dagegen schrieb, dass die Grünen angeblich „Stalins Poeten“ mit einer Strassenbenennung ehren wollten.
Eigentlich war es den Grünen darum gegangen, mit Hans Marchwitza einen Autoren zu ehren, der in klarer, weithin verständlicher Sprache dass Leben von Arbeitern in dieser Stadt während des ersten Drittels des vorigen Jahrhunderts beschrieben hat. Erwartungsgemäss verschreckte dieser gleichzeitig in NRZ und WAZ erschienene Artikel viele Menschen, die in den Glauben versetzt wurden, eine Straßenbenennung nach Hans Marchwitza sollte den Stalinismus vielleicht eine ebenso späte wie falsche Rechtfertigung liefern.
Gegen diese gedruckte öffentliche Meinung konnte jetzt auch eine öffentliche Lesung aus Büchern von Hans Marchwitza im Buchhaus Altenessen am Karlsplatz mit ihren literarischen Fakten keine Änderung mehr herbeiführen.
Zum Glück gibt es aber auch viele weitere Menschen in Essen , die mit ihrem Leben ein Vorbild sein können, dessen Erinnerung auch mit Straßenbenennungen wach gehalten werden sollte.

Erfolgreicher zweiter Vorschlag der Grünen:
Käthe Larsch

Gegen den zweiten Vorschlag der Grünen, dann eine mutige Frau mit einem Straßennamen zu ehren, die sich aktiv dem nationalsozialistischem Terror entgegenstellte, stimmten im Hauptausschuss des Stadtrats schließlich nur noch Essener Bürgerbündnis und die FDP, während die CDU sich enthielt. Der anwesende NDP-Ratsherr war natürlich auch dagegen, hat in diesem Gremium aber kein Stimmrecht.
Eigentlich hätte man glauben können, Käthe Larschs Leben und ihr grausamer Tod könnte bei ihrem Einsatz gegen das nationalsozialistische Unrecht auch die CDU zu einer Zustimmung bringen, aber mit ihrer Enthaltung hat sie zumindest die Namensgebung nicht weiter blockiert.
Im Mai 1935 war Käthe Larsch für das Herstellen von antifaschistischen Flugblättern erst verhaftet, und später, als sie die Namen ihrer Mitbeteiligten nicht preisgab, im Zusammenwirken von Polizei und medizinischen Helfern ermordet worden. Da der Vater Rudolf Larsch bereits für seine Tätigkeit für die jetzt illegale KPD zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden war, wurden Käthe Larschs vier Kinder bis zum Kriegsende 1945 in ein städtisches Kinderheim gesteckt. Das Sorgerecht wurde dem Vater staatlicherseits entzogen.
Angesichts dieses geballten Unrechts gegenüber der Familie Larsch ist eine Straßenbenennung natürlich nur ein kleines Mosaiksteinchen gegen das Vergessen.
Trotzdem wird mit dieser Entscheidung unterstrichen, dass jeder Widerstand gegen den Nationalsozialismus einen Anspruch auf Respekt und Erinnerung verdient. Für diese Erinnerung muss das Einzelschicksal gewürdigt werden, gleich ob dieser Mensch seinen Widerstand gegen den NS-Terror kommunistisch, sozialistisch, religiös oder bürgerlich-humanistisch begründet hat.

Eine Universität im alten Arbeiterviertel Segeroth.

Die Ehrung einer kommunistischen Widerstandskämpferin an diesem Ort weist aber auch auf die Vorgeschichte als ´rotes Viertel` des heutigen Universitätsbezirkes im Essener Segeroth hin. Von hier am Nordrand des Stadtzentrums bis nach Altenessen und Karnap lebten Menschen, die sich ihren angemessenen Platz in der Essener Gesellschaft stets mühsam erkämpfen mussten.
Vor den Flächenbombardements im 2. Weltkrieg waren hier billige Wohnquartiere zu finden, in denen Zehntausende von Arbeiterfamilien unter den miesesten Bedingungen leben mussten. Hier fanden bis zu den Deportationen durch den NS-Staat auch andernorts ausgegrenzte Sinti und Roma ihre Existenznischen.
Dass die Menschen in diesen Mietskasernen kaum an die Reformierbarkeit des Staates glauben konnten, sondern sich an revolutionäre Lösungen klammerten, wie sie die KPD verbreitete, ist deshalb wenig überraschend.
Wer deshalb heute das Universitätssviertel in seinen Straßennamen nur als Ort ingenieurwissenschaftlicher Kältetechnik oder feinsinniger Debatten über klassische deutsche Literatur vermarkten will, hätte damit einen wichtigen Aspekt unterschlagen, der in den siebziger Jahren zur Gründung der Universität gerade an diesem Ort am Nordrand der Stadtmitte geführt hat.
Für die Erinnerung an den Schriftsteller Hans Marchwitza sollten wir vielleicht zukünftig direkt nach Stoppenberg gegen, wo er nicht nur als Gemeinderatsmitglied vielfältige Spuren hinterlassen hat.

Walter Wandtke

Die Gedenktafel für Käthe Larsch an der Seumannstr. - im Niemandsland zwischen Altenessen und Stoppenberg
Der gut 20 jahre alte Text der Gedenktafel für Käthe Larsch ist nur noch für besonders aufmerksame Leser und LeserInnen zu entziffern,
Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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