Nachdem die Ratsmehrheit aus CDU, Grünen, EBB und FDP den fast 2,5 Milliardeneurohaushalt für 2012 verabschiedet hat, darf der Essener sich grundsätzlichen Problemen zuwenden, z.B wie mit der Einsparung des dritten Bürgermeisters der Stadtetat weiter saniert werden kann.
Wenn die Regierungspräsidentin einen Sparkommissar mit scharf geschnittenem Rotstift ausschicken könnte, der an der Ratshaustür klopft, müssen natürlich alle irgendwie für verzichtbar gehaltenen städtischen Aufgaben oder Personalpositionen auf den Prüfstand. Laut Haushaltsplan sind bereits im laufenden Jahr 2011 für die Gesamtzahl aller politischen Gremien, also inklusive Rat, Ausschüssen und Bezirksvertretung 17,85 € Kosten pro Einwohner veranschlagt. Der Haushaltsplan für 2012 will diese Kosten auch mit drei Bürgermeistern auf 14 € weiter senken.
Minimaldemokratie
Generell kostet kostet pluralistische Demokratie immer Geld. Spekulieren wir einmal einen Zustand, der nach NRW-Gesetzen gar nicht erlaubt ist. Würden wir ganz auf den Stadtrat verzichten, nur noch alle 5 Jahre einen Oberbürgermeister wählen, der dann unmittelbar den „Konzern Stadt“ dirigieren kann, wäre das sicherlich die maximale demokratische Sparlösung. Mündige Bürger sollten aber davon überzeugt sein, dass sowohl Macht, wie auch die Repräsentation eines demokratischen Gemeinwesens zumindest auf so viele Schultern verteilt werden muss, dass die verschiedenen politischen Kräfte noch hörbar sind.
Maximalsitzungen
Zumindest mit der Zeit der 82 Ratsmitglieder, der Beschäftigten der Stadtverwaltung und der Zuschauer war in der Novembersitzung des Stadtrats nicht gespart worden. Die vorlaufenden Fraktionssitzungen nicht einberechnet, dauerte dieser Sitzungsmarathon rund 9 Stunden, von 14.00 bis fast 23.00 Uhr, um mittendrin gegen die Stimmen von SPD und Linke einen gültigen (Spar)Haushalt 2012 der Stadt Essen beschließen zu können.
Der Antrag der Linken Ratsfraktion, als Beitrag zur Haushaltssanierung in einzelner geheimer Abstimmung den dritten ehrenamtlichen Bürgermeisterposten ab 2014 abzuschaffen, verlängerte die Sitzungsdauer zusätzlich. In geheimer Urnenwahl war der von Linken und der SPD gestellte Antrag tatsächlich erfolgreich.
Keinerlei akute Auswirkung
Nein – der Grüne Dritte Bürgermeister war nicht in Gefahr, da hätte es zur Abwahl laut Gemeindeordnung einer Zweidrittelmehrheit bedurft. Stattdessen stimmte die geheime Mehrheit dafür, als mittelfristigen Sparvorschlag erst nach der Ratsneuwahl im Herbst 2014 auf den Dritten Bürgermeister in Essen zu verzichten.
Ein solcher Kürzungsbeschluss ist natürlich totaler Unsinn, denn jeder neugewählte Rat entscheidet selbstsändig, wie viele Bürgermeister er für nötig hält. Vielleicht will eine neue Ratsmehrheit sich ja radikal beschränken und nimmt mit der/dem einen Bürgermeister/in vorlieb, dessen/deren Wahl in der Gemeindeordnung neben dem Oberbürgermeister auf jeden Fall vorgeschrieben ist.
Nach der SPD-Alleinherrschaft
Seit 1999 hat Essen einen gewählten Oberbürgermeister, der auch Chef der Verwaltung ist und drei ehrenamtliche Bürgermeister, die aus dem Kreis der Ratsmitglieder kommen. Vorher war es in unserer Stadt üblich, dass neben dem vom Rat gewählten SPD-Oberbürgermeister CDU und SPD mit zwei Bürgermeisterposten die Außendarstellung der Stadt Essen allein unter sich ausmachen. Als Zwischenspiel hatte die SPD allerdings 1956 und 1975 auch schon mal mit der FDP eine gemeinsame Wahl durchgeführt, um die CDU als zweitgrößte Ratsfraktion von der Stadtrepräsentation fernzuhalten.
Als drittgrößte Fraktion waren die Grünen wie ihre Vorgängerin Grün-Alternative Liste GAL seit 1984 hier stets außen vor. Das änderte sich erst 1999 unter dem CDU-Oberbürgermeister Dr. Reiniger, als Zeichen neuer Offenheit konnte mit Hans-Peter Leymann-Kurtz ein Mitglied der Grünen Ratsfraktion zum Bürgermeister gewählt werden. Der jetzige Chef der Essener Linksfraktion hatte in dieser Periode durchaus kein Problem damit, die damit verbundene zusätzliche Aufwandsentschädigung und die ihm zustehenden Bürgermeister-Büroräume zu nutzen. Auch ein Ruhrgebietsvergleich ist interessant, denn im Duisburger Stadtrat stellt die Linksfraktion nach den Wahlen von 2009 den dritten Bürgermeister, während die gleich große örtliche Grünen Fraktion ohne Bürgermeister auskommt. Seit den Essener Kommunalwahlergebnissen von 2004 ist der Grüne Ratsherr Rolf Fliß als Bürgermeister engagiert.
Neuer Alleinvertretungsanspruch
Seit Antritt des SPD-Oberbürgermeisters Reinhardt Paß im Herbst 2009 wurde es im Gegensatz zu den Vorjahren allerdings Praxis, dass offizielle Termine die Stadt Essen fast ausschließlich durch den SPD-Oberbürgermeister und den SPD-Bürgermeister Rudolf Jelinek wahrgenommen werden.
Nur die wenigen Termine, die auch mit aller Gewalt nicht in den Terminkalender passen, werden durch deren Büros an den zweiten Bürgermeister, Franz-Josef Britz von der CDU oder Rolf Fliß als drittem grünen Bürgermeister weitergereicht.
Dieser formal korrekte Alleinvertretungsanspruch der SPD dürfte aber nicht im Sinne einer pluralistischen, die realen Kräfteverhältnisse im Rat wiederspiegelnden Repräsentanz der Stadt sein.
Insbesondere ist zu fragen, ob Reinhardt Paß als oberster Lenker des „Konzerns Stadt“ wirklich bei jeden kleinem Jubiläum oder Neubau in Essen persönlich vor Ort sein muss.
Möglicherweise ist diese Zeit für die Stadt sinnvoller bei Aktenstudium oder Hintergrundgesprächen ohne Pressefoto zu nutzen.
Natürlich könnte es ab 2014 zum Konzept werden, wenn statt der Bürgermeister je nach Fachlichkeit öffentlicher Termine die jeweiligen Vorsitzenden eines Kultur- , Sozial- oder Umweltausschusses freundliche Grüße oder kluge Reden namens der Stadt Essen überbringen.
Walter Wandtke
Autor:Walter Wandtke aus Essen-Nord |
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