Freiwillige treffen sich zum Großreinemachen
Werdener sammeln Müll
Der Werdener Simon Wehden engagiert sich für die Umwelt. Der Oxford-Absolvent hat die Initiative „Gemeinsam für Stadtwandel Werden“ auf den Weg gebracht. Nun sammelt er Müll.
Nach dem Bachelor in Chemie mit dem besten Abschluss seines Jahrganges in Aachen ermöglichte ein Jahresstipendium das Studium in Oxford. Drei Trimester lang sog Simon Wehden die besondere Atmosphäre der englischen Universitätsstadt auf und absolvierte den Master-Studiengang „Enviromental Change and Management“ mit Auszeichnung. Zurück in Deutschland, wollte der 24-Jährige seine Gedanken teilen und Mitmenschen zum Nachdenken anregen. Der Ruf „Hört auf die Wissenschaft“ sei doch genau richtig: „Man muss es halt gut erklären. Ohne Fridays for Future hätte mir aber keiner zugehört. Man muss miteinander reden. Ich mache schon den Mund auf, doch der Ton macht die Musik. Zu oft wird komplett aneinander vorbei gebrüllt.“ Mit einer Vortragsreihe im Haus Fuhr gab der „Nachhaltigkeitsmultiplikator“ sein Wissen weiter, erklärte komplizierte Zusammenhänge: Wie funktionieren Treibhauseffekt und Erderwärmung? Welche Konsequenzen birgt der globale Umweltwandel? Was ist ein Klimabudget und warum braucht es negative Emissionen? Das Publikum wuchs und wuchs: „Bald saßen da hundert Leute. Wahnsinn.“ Aus dem Seminar ging die Initiative „Gemeinsam für Stadtwandel Werden“ hervor, die sich intensiv mit lokalen Lösungen der Umweltkrise beschäftigt. Die Teilnehmer hatten nämlich entschieden, nicht nur zu reden, sondern auch anzupacken.
Treff am Biergarten
Anpacken? Kein Problem. Seit Anfang September sammelt Simon Wehden mit einer Gruppe umweltbewusster Werdener Müll. Das notwendige Gerät lagert bei Gastwirt Mali Sirin, der die Aktion unterstützt. Jeden Mittwoch treffen sich die Aktivisten am Biergarten. Ungeduldig scharren die Freiwilligen schon mit den Hufen: „Was machen wir heute?“ Von jung bis alt ist alles dabei. Den ältesten Teilnehmer Herger Strötgen und den Jüngsten Henri trennen mal eben 82 Jährchen. Na und? Das gute Dutzend an Helfern macht sich in Kleingruppen auf den Weg. Rund um den S-Bahnhof muss dringend angepackt werden, weiß Barbara Vlijt: „Das ist ein weites Feld und sehr ergiebig.“ Eine Stunde später wird sie mit vollen Müllsäcken den Beweis antreten. Peter Bankmann und Eugen Schneider laufen derweil am Hardenbergufer entlang, denn auch dort gibt es Drecksecken. Unter der Brücke zur Brehminsel hat der Ruhrverband endlich das kleine Wehr freigeräumt und -geschnitten. Simon Wehden kraxelt vorsichtig runter zum Wasser, um Unrat aus dem Heyerstrang zu fischen. Jetzt bloß nicht ausrutschen. Mitstreiter Herger Strötgen ist bei so einer Aktion schon ins kühle Nass gefallen. Der 83-Jährige kümmert sich übrigens nicht nur um den Abfall. Mit Gießkannen wässert er Bäume, was bei der trotz erster Regenfälle immer noch anhaltenden Trockenheit auch Not tut.
Gebüsche als Kloake
Nun geht es auf die Insel. Freddy Kleinfeldt hat keine Scheu, dort picknickende Mitmenschen anzusprechen. Weist sie auf die Säuberungsaktion und den bereitstehenden Abfallbehälter hin. Wobei der seiner Meinung nach größer ausfallen dürfe, er habe da bereits mit OB Thomas Kufen gesprochen. Ein paar leere Bierflaschen wandern in den Sack. Überall liegen Kronkorken herum. Simon Wehden hat eine Idee: „Das liegt an der Fernsehwerbung, wenn der Verschluss so hochploppt.“ Warum könne der TV-Spot nicht zeigen, dass das Bier genauso schön zische, wenn man den Kronkorken festhalte und korrekt entsorge? Ein Mitsammler erweitert den Gedanken: Eine Essener Brauerei vergebe in ihrer Aktion „Bonus-Korken“ wertvolle Preise und auch Gutscheine. Diese Summen könne man doch spenden für ein ökologisches Projekt. Apropos: Wehden hat im Gespräch Spaziergänger sensibilisiert für die Aktion und dafür eine Spende erhalten: „Damit wir neue Müllsäcke kaufen können.“ Nun kommen die Ehrenamtler zu einer mehr als heiklen Stelle. Rund um den Kinderspielplatz sind die Gebüsche zu Kloaken verkommen. Hier verrichten Menschen ihre Notdurft, hinterlassen entsprechend Ekeliges: Klopapier, sogar Damenbinden. Unglaublich, was man hier alles ans Tageslicht fördert.
Eigene Handschuhe
Nach einer Stunde treffen sich die Freiwilligen an der Brehmbrücke und zeigen vor, was sie so alles gesammelt haben. Nächste Woche sind sie alle wieder da, versprochen. Mitmachen kann nun wirklich jeder, irgendeine Vereinsmitgliedschaft ist nicht erforderlich. Einfach mittwochs um 17 Uhr zum Treffpunkt Werdener Wiesn am Treidelplatz kommen. Wer genauere Infos möchte, meldet sich unter stadtwandel.werden@gmail.com beim Newsletter an. Zum Zwecke der Promotion wird Simon Wehden demnächst für drei Jahre nach Berlin ziehen, aber weiterhin regelmäßig beim Stadtwandel Werden und dem wöchentlichen Müllsammeln vorbei schauen. Der Aktivist blickt noch einmal auf die beachtliche Menge an gesammeltem Müll: „Hier kann man einfach mithelfen und dabei engagierte Menschen kennenlernen.“ Noch ein Tipp: „Sich eigene Arbeitshandschuhe mitzubringen, das wäre schon hilfreich.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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