Selbstversuch - der große und der kleine Daniel beim Schützenfest

Die Polizei stoppt den Verkehr, einträchtig marschieren die Vorsitzenden von Gut Schuss und Werdener Spielleuten, Thorsten Gerigk und Peter Schürmann.
  • Die Polizei stoppt den Verkehr, einträchtig marschieren die Vorsitzenden von Gut Schuss und Werdener Spielleuten, Thorsten Gerigk und Peter Schürmann.
  • hochgeladen von Daniel Henschke

Wie soll ich’s ausdrücken? Gewalt ist nicht so meins. Ich bin Pazifist, Kriegsdienstverweigerer, war auf unzähligen Friedensdemos, sogar in Rom beim „Marcia di Pasqua“ zum Petersplatz, würde niemals im Leben ein Gewehr in die Hand nehmen.
Aber Tradition ist meins. Heimatverbundenheit. Mich wohlfühlen in überschaubaren Gruppen - Familie, Freundeskreis, Verein, „dörfliche“ Gemeinschaft.

Denn ein Dorf ist meine Heimat Fischlaken allemal. Und hier werden Familiäres, Freundschaften, Vereinsleben noch hoch gehalten. Kann man alles hautnah erleben beim Schützen- und Dorffest. Der Bürgerschützenverein „Gut Schuss“ Fischlaken lädt ein, drei tolle Tage lang geht es rund im „Schmuckstück im Essener Süden“, wie der grüne Stadtteil am Baldeneysee stolz benannt wird.
An die Hand bekomme ich Daniel Peters, unseren fleißigen Praktikanten, der in der Redaktion nur noch „der kleine Daniel“ heißt. Denn ich messe 1,96 Meter und da kann der Jungspund nur von träumen…

Heinz gegen Manfred

Tapfer steht er mit mir im Festzelt und lässt das Königsschießen über sich ergehen. Er versucht, beim Blick auf die Uhr unauffällig vorzugehen und sehnt sich offensichtlich weit fort. Denn für seine jungen Augen spielt sich Unglaubliches ab. Ein nur entfernt einem Vogel, gar einem Adler, ähnelndes Holzirgendetwas soll mit Gewehrschüssen von der Stange geholt werden. Es treten an der 2. Vorsitzende der BSV, Heinz Napierala, sowie sein Konkurrent Manfred Dockenfuss, als Manfred I. bereits König im Jahr 2011. Wir wetten – um einen Euro – ich setze auf Manfred, der kleine Daniel favorisiert den Heinz. Amtierender Titelträger ist Thorsten Gerigk, zugleich auch Vorsitzender des 2007 gegründeten Schützenclubs. Er gibt den Ehrenschuss ab, dann geht es los. 2012 brauchte es nur 25 Schüsse, dann flatterte der Vogel herab. Doch diesmal dauert es länger. Deutlich länger. Es ist mollig warm im Festzelt, glücklicherweise sind einige Seitenteile hochgeklappt worden. Der 40. Schuss, nichts tut sich. Ein hörbar um Aufrechthaltung der Spannung und der guten Laune bemühter Moderator Hans-Jürgen Naboreit greift in die verbale Trickkiste, rechnet dem Manfred vor, wie oft er schon die Stufen zum Schießstand hochgeklettert ist, rät dem Heinz: „Du musst nur so schießen, wie ich schießen müsste!“, gipfelt in „mit frischem Mut und heißem Lauf immer auf den Vogel drauf!“
Der kleine Daniel verdreht die Augen. Nun ja, seine Generation hat sicherlich andere Vergnügungen, die ich vielleicht nicht immer so prickelnd fände. Chacun à son goût.
Jetzt blicke aber selbst ich auf die Uhr: 46 Minuten sind schon rum. Hat der Vogel gerade gewackelt? Es sind wohl eher meine strapazierten Augen, die mir einen Streich spielen. Fast eine Stunde ist rum, der 100. Schuss hat nichts gebracht, der 101. nichts, der 102. blieb ohne Wirkung. Doch dann: Heinz betritt als „Bürgerlicher“ das Podest, zielt genau, trifft ultimativ, der Adler stürzt, Napierala klettert herunter – nun als Majestät. Groß ist der Jubel, Thorsten Gerigk proklamiert „Heinz I., König von Fischlaken“!

Abendliches Bierchen

Abends beim Bierchen ist es gemütlich, viele alte Freunde sind am Start, es ist angenehm warm auf dem proppevollen Schulhof. Im Festzelt sitzt die Prominenz, ich stehe draußen, vielleicht noch ein Gläschen? Am nächsten Tag klemme ich mir Jazz-Frühschoppen und Erbsensuppe, doch nachmittags melde ich mich zum Dienst: der große Festumzug durch Fischlaken steht an. Eine ideale Gelegenheit, dem Praktikanten meine Heimat und ihre Menschen zu erklären. Ob er will oder nicht...

Rund durchs Dörfchen

Ich zeige ihm die Grundschule, die gegenüber liegende Übergangswohnheims-Ruine, hier sollen Kita-Plätze entstehen, dort winkt der Willi, da ist der Landarzt, dort erfreut der Stephan die Prozession mit Seifenblasen, hier steht ein Tablett mit Schnäpschen bereit, überhaupt herrscht ausgelassene Stimmung, man wäre fast geneigt, kräftig „Helau“ zu rufen. Jetzt geht es durch den Kimmeskampweg, Schützenbruder Hans-Dieter verteilt Wasserflaschen, die man – geleert – einige Meter weiter in bereitgestellte Körbe werfen kann – oder eben auch daneben. Mit flottem Schritt marschieren neben „Gut Schuss“ die Werdener Spielleute, die Ruhrperle und der Fanfarenzug der KG Völl Freud, befreundete Schützenvereine, sogar die holländische „Heilig Kruis Gilde“.
Der Zug kehrt zu seinem Ausgangspunkt zurück, ich erläutere kurz die Parade der Politiker: „Da sind die Bundestagsabgeordneten Petra Hinz und Kai Gehring, dort winken die Ratsherren von Werden – unser Hanslothar – und von Fischlaken, Matthias Hauer. Unser Bezirksbürgermeister Michael Bonmann steht dort drüben, Daniel Behmenburg und Martina Schürmann aus der BV daneben.“ Habe ich alle aufgezählt, keinen vergessen? Der kleine Daniel spult vor seinem inneren Auge alles ab: „Der Herbert und seine Ute, die Marlies und der ihr Michael, wer war jetzt nochmal der Atta?“ Ich glaube, dem jungen Kerl ist mittlerweile alles zu viel, also erlöse ich ihn von der Qual.
Aber jetzt kennt er wenigstens mein Fischlaken und meine Fischlakener. Obwohl, ich müsste ihm noch so manches zeigen, über einige meiner Mitmenschen berichten. Erklären, warum hier so viele Straßennamen Bezug zum Bergbau haben. Aber damit verschone ich ihn. Zunächst!
Hier geht es zum Selbstversuch von Daniel Peters.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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