Willst Du mit mir gehen?
Die Werdener Spaziergang-Paten freuen sich immer mittwochs auf Gäste
Ingo Kurbjuhn, umtriebiger Seniorenbeauftragter der Bezirksvertretung, ist begeistert von ehrenamtlichen Freiwilligen, die ihre Zeit für Mitmenschen bereit stellen. „Für Gäste ist dieser Spazier-Treff jederzeit offen. Die Paten freuen sich über Zuspruch!“
Fast die Hälfte der über 70-Jährigen kommt kaum noch raus aus den eigenen vier Wänden. Ein wöchentlicher Spaziergang in den Stadtteilen, ins Leben gerufen durch Stadt, Seniorenbeirat und Gesundheitskonferenz, soll dies ändern.
Das Projekt trägt den Namen „Willst Du mit mir gehen?“ und soll helfen, durch Bewegung im Alter mobil und psychisch stabil zu bleiben. Zudem sollen so Kontakte gefördert werden. Ingo Kurbjuhn stachelt den Bewegungs-Ehrgeiz seiner älteren Mitmenschen an: „Bevor Sie untätig zu Hause sitzen, genießen Sie doch eine schöne Zeit mit unseren Spaziergangspaten. Trauen Sie sich ruhig!“
Immer mittwochs treffen sie sich in Werden, die Spaziergänger. Um 15 Uhr warten die Paten vor dem Werdener Rathaus auf bewegungslustige Senioren. Heidi Hentschel ist eine von ihnen, hat wieder einmal eine Strecke für einen Rundgang ausgekundschaftet, die ihre Mit-Spazierer motiviert, aber nicht überfordert. Denn gut zu Fuß sind Senioren leider oft nicht mehr, trauen schon gar nicht mehr, alleine vor die Tür zu gehen.
Es hatte geregnet, zeitgleich findet eine andere Veranstaltung statt. Dennoch stehen neun Unentwegte bereit, um erneut die Schönheiten Werdens zu erleben. Und ich.
Adelheid Hentschel: „Es hat sich ein fester Stamm gebildet. Zunächst sind wir nur kurze Strecken gegangen, waren auf der Brehm und am Dingerkus-Haus. Jetzt trauen wir uns schon viel weiter. Es gibt ja so vieles zu entdecken, wir waren am Wildgatter im Heissiwald, an der Straußenfarm, am Staadt, an der Engelsburg…“
Heute hat Heidi Hentschel einen Ausflug an den Baldeneysee geplant, „mit Kaffee trinken, ist doch klar!“, denn es soll kein Sportprogramm, sondern ein gemütlicher Nachmittag werden. Ich laufe mal mit, kann ja nicht so schwer sein, mit den durchwegs älteren Damen - „sonst sind auch Herren dabei, aber heute nicht“ - mitzuhalten.
Das Schlusslicht
Über die neu gestaltete Brücke mit dem extra breiten Gehweg geht es - da kann man schön nebeneinander gehen und ein wenig quatschen. Frau Hentschel schaut sich immer mal um, ob noch Alle da sind, lächelt das hinher tapsende Schlusslicht aufmunternd an: „Kommen Sie, junger Mann!“
Ist ja auch gemein, eine der Damen hat sogar ihre Nordic-Walking-Stöcke dabei: „Ich kann schlecht stehen, aber Laufen geht ganz flott“, gesteht sie mit kessem Augenaufschlag. Ich muss mich sputen, denn das Tempo ist erstaunlich hoch. „Beim ersten Mal waren wir viel langsamer“, stellt eine Dame fest, „aber mittlerweile ist es doch ganz gut, oder?“ Ich stimme zu, passe mich der Geschwindigkeit an, am Wehr vorbei geht es zum Regattaturm, an einem Cafe machen wir Rast. „Glück gehabt. Wir können sogar draußen sitzen“, überrascht Frau Hentschel nicht nur den skeptisch schauenden Kellner. Jetzt wird erst einmal Päuschen gemacht.
Es gibt viel zu erzählen, der Kaffee schmeckt, der Blick auf den Baldeneysee ist einfach herrlich, was will man mehr? Eine Frage habe ich noch: warum ist Frau Hentschel Patin geworden? „Ich bin im Dezember in Ruhestand gegangen und wollte ehrenamtlich tätig werden. Da kam der Aufruf der Stadt genau recht. Eine schöne Abwechslung.“
Das Gewitter kommt beim Rückmarsch immer näher, am Bürgermeisterhaus erwischt es die kleine Gruppe, ein kleiner Schluss-Spurt verhilft auf den letzten Drücker ins Trockene. Insgesamt stehen in Werden vier Paten „Spazierstock bei Fuß“. Neben Heidi Hentschel sind dies Frau Leuschenberg und das Ehepaar Wenzel. Fünf Monate lang wollen die Initiatoren das Projekt „Willst Du mit mir gehen?“ ausprobieren und die Erfahrungen auswerten.
Die Werdener haben ihr Urteil schon gefällt: „Nächsten Mittwoch sind wir wieder unterwegs!“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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