„Wenn Oma Erna durch Werden läuft und ein Problem hat“
Polizeihauptkommissar Winfried Bitzer ist „Dorfsheriff“ beim Bezirksdienst Werden in der Bungertstraße
Winfried Bitzer sitzt ganz entspannt am großen Tisch und ist offen für Fragen. Verschmitzt verspricht er, alle zu beantworten: „Aber nicht, dass ich mich hier um Kopf und Kragen rede…“
Aber da braucht der „Dorfsheriff“ nun wirklich keine Bedenken zu haben. Sein Job ist so was von wichtig für den Stadtteil. Neben ihm sitzt Pressesprecherin Sandra Steinbrock. Sie hat es schon so oft live miterlebt, wie ihre Kollegen vom Bezirksdienst die Runde drehen: „Ach, wo ich Sie gerade sehe. Ich habe da mal eine Frage! Vor Ort Präsenz zeigen, das ist die Bürgernähe, die wir meinen.“ Bitzer ist da erfrischend offen: „Man darf sich auch nicht scheuen, zuzugeben, dass man was momentan nicht weiß. Da vergibt man sich doch nichts. Ich lasse mir dann die Nummer geben, kümmere mich und frage nach. Und der Bürger bekommt seine Antwort.“ Die junge Kollegin nickt: „Ist doch gut, wenn man so ehrlich ist. Sonst würde das Vertrauensverhältnis auch leiden. Wir brauchen eine positive Einstellung zur Polizei als Freund und Helfer. Die Polizei lebt von Kontaktaufnahme, von Zeugenaufrufen. Wichtig ist uns, dass der Bürger keine Scheu hat, die 110 anzurufen.“
Wo bitte liegt Selm-Bork?
Der 58-Jährige Hauptkommissar ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Seit September 2016 für Werden zuständig, war Winfried Bitzer zuvor zehn Jahre lang in Kettwig eingeteilt. In Rüttenscheid geboren, zog Bitzer 1980 an den Iländer Weg, wohnt mittlerweile in Fischlaken. Im Oktober 1977 begann der Dienst, die erste Stelle war direkt ein Schock: „Sie melden sich in Selm-Bork“. Bork ist ein Ortsteil der Stadt Selm im Kreis Unna. Doch das wusste der 18-jährige Jungspund damals nicht: „Ich habe erst einmal den Atlas rausgeholt, aber nichts gefunden. Also bin ich zum Bahnhof. Dort wusste aber auch niemand Bescheid. Irgendwie klappte es dann doch, erst ging es nach Dortmund, dann mit der Bimmelbahn nach Bork. Dort wurden wir mit dem Bus zur Unterkunft gebracht“. Ein Koloss an Polizeikaserne: 1197 Unterbringungsmöglichkeiten, eine Dreifachsporthalle, eine Schwimmhalle, eine Mensa und ein Heizkraftwerk. So muss man sich das vorstellen: „Langer Flur. Medizinische Untersuchung. Wir mussten uns Alle komplett ausziehen.“ Ein verschämter Blick zur jungen Kollegin: „Damals gab es bei uns noch keine Frauen.“ Die nächste Demütigung: Die langen Haare mussten ab. „Und ich sage noch zum Friseur: Ein Faconschnitt, bitte…“ Von wegen! Zack, säbelte die Maschine alles runter. Es folgten Jahre als einfacher Wachtmeister im Streifendienst, jetzt ist er Hauptkommissar, demnächst Leiter der Bezirksdienststelle Werden. Winfried Bitzer könnte nicht zufriedener sein mit seiner „Karriere“.
Der Polizist als Kummerkasten
„75 Prozent Außendienst ist anzustreben.“ Klingt gut, ist manchmal aber gar nicht zu schaffen, bei all‘ dem Schriftkram: „Naja, in Werden muss nicht so viel geschrieben werden. So viel fällt bei uns ja nicht an, Gottseidank. Zum Beispiel Haftbefehle sind sehr selten.“ Man merkt schnell, andere mögen regelrechte Schreibtisch-Hengste sein, aber Winfried Bitzer möchte auf die Straße. Was gibt es denn dort zu tun für einen „Dorfsheriff“? So ein Bezirkspolizist ist auch Kummerkasten, gerade ältere Menschen sind froh, wenn jemand sich Zeit für sie nimmt: „Ansprechpartner sein. Wenn die Oma Erna durch Werden läuft und ein Problem hat, dann hält sie doch bestimmt keinen Streifenwagen an. Wenn ich durchs Städtchen gehe, bekomme ich in der Tat viel Rückmeldung und wertvolle Hinweise. Das muss überhaupt nicht die große Straftat sein. Da sind Verkehrszeichen verdreht oder Schilder nach Beendigung einer Baustelle nicht abgeräumt worden. Oder ein Auto steht schon verdächtig lange am selben Fleck - ist es etwa gestohlen und dort abgestellt worden?“ Parkplatznot ist das ganz große Thema im geplagten Werden. „Ich bin doch hier quasi groß geworden auf dem Streifenwagen. Die Verkehrssituation in Werden ist nun mal angespannt. Habe ich Verständnis. Aber da gibt es wirklich welche, die rotzfrech vor meiner Nase im Verbotenen parken.“ Die Kollegin schmunzelt: „Wir könnten ein Buch schreiben mit den besten Möchtegernausreden, um irgendwie doch straffrei zu bleiben.“ Bitzers Motto: „Erst einmal verwarnen, ein Schuss vor den Bug reicht eigentlich immer. Wichtig ist ja, dass man beim nächsten Mal da nicht mehr parkt.“ Doch wer da mit Winfried Bitzer unbedingt noch diskutieren möchte, hat schlechte Karten.
Probleme entschärfen
Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Stadt ist eng, sie ist gut. Am runden Tisch sitzt man zusammen, spricht Probleme an und klärt sie. Ideen werden angestoßen. Doch alles hat seine Grenzen, weiß Bitzer: „Manches muss ich einfach akzeptieren.“ Im Laufe der Zeit hat man die Ansprechpartner kennengelernt, im Jugendamt, bei der Suchthilfe, im Straßenamt. Das hilft ungemein, Winfried Bitzer nennt ein Beispiel.“Wir hatten in Werden und auch in Kettwig große Probleme mit jugendlichen Randalieren. Die Hauptübeltäter bekamen Stadtteilverbot, Streetworker haben die jungen Leute gezielt angesprochen, mit ihnen über die Gefahren von Alkohol und Betäubungsmitteln redeten. Und siehe da, die Probleme waren entschärft.“ Ganz lösen werde man sie nie können in einer Gesellschaft, die der Jugend kaum noch Alternativen biete: „So wie früher Gruppen und Freizeitaktivitäten, etwa in der Kirche, gibt es leider immer weniger. Da beginnen die jungen Leute irgendwann aus Langeweile, dummes Zeug zu machen.“ Ein weiteres Beispiel guter Zusammenarbeit ist das „Kiss an Go“ an der Ludgerusschule. Gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland fand die Grundschule 2016 eine Möglichkeit zur Entspannung: Die „Elterntaxis“ halten nicht mehr direkt vor dem Gebäude, sondern abseits. Den Rest laufen die Kinder. Somit ist die enge Straße nicht mehr versperrt, der Zebrastreifen einsehbar. Winfried Bitzer war positiv überrascht: „Die Verkehrssituation an der Kellerstraße hat sich verbessert, doch optimal ist sie noch nicht.“ Den einen oder anderen Fahrer habe man trotzdem ermahnen müssen.
Neue Räumlichkeiten gesucht
Der „Bezirksdienst Werden“ in der Bungertstraße 14 ist telefonisch zu erreichen unter 0201-4513690. Sollten Winfried Bitzer und sein Kollege, Gregor Wieczorek geht demnächst in den verdienten Ruhestand, gerade unterwegs sein, dann springt der Anrufbeantworter an. „Oder einfach einen Zettel in den Briefkasten schmeißen. Wir rufen zurück. Versprochen.“ Der Bezirksdienst soll auch in Werden bleiben, aber an anderer Stelle: „Wir suchen gerade einen neuen Standort. Die Räumlichkeiten hier an der Bungertstraße entsprechen einfach nicht mehr den Standards.“ Im Hochparterre liegt die Wache, ist dadurch nicht behindertengerecht, im Keller sind Dusche und WC geradezu museumsreif, die zwei Arrestzellen uralt. Winfried Bitzer würde gerne Angebote potenzieller Vermieter an seine Vorgesetzten weiterleiten: „Wir brauchen gar nicht so viel. Büro, Umkleiden, Sanitärbereich… Einfach bei mir unter 0201-4513690 melden!“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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