Grenzerfahrungen
Radfahrgruppe umrundete zu seinem 60-jährigen Jubiläum das Bistum Essen
Bei Halver stoppte ein Rad-Polizist die Gruppe. Drohte etwa eine Verhaftung? Nein, der Beamte geleitete sie sicher nach Meinerzhagen und sogar noch durch die Stadt.
„Diese Strecke entlang der Bundesstraße ist besser als der marode Radweg.“ Die Ludgerusradler waren einem Schutzengel begegnet. Nicht der einzige auf ihrem Weg rund ums Bistum. Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, wichtige kirchliche Orte, landschaftliche Schönheiten, Burgen und Herrenhäuser, spannende Hinterlassenschaften der industriellen Vergangenheit und Spuren der Geschichte prägten die Tour. Die Hitze der ersten Tage, Regen im Sauerland und manchmal sehr steile Anstiege und Abfahrten waren oftmals eine Herausforderung, auch für die E-Biker.
Im Uhrzeigersinn
Nach der allwöchentlichen Kluftmesse der Werdener Ludgerus-Gemeinschaft hatte Propst Jürgen Schmidt die Gruppe mit den besten Wünschen auf den Weg geschickt. Radler aus Borbeck und Werden nahmen das 60-jährige Jubiläum des Bistums Essen zu Anlass, ihre schon traditionelle jährliche Wochenradtour dieses Mal quasi „vor der Haustür“ zu machen und Grenzerfahrungen zu sammeln. Von der Keimzelle des Ruhrgebiets in Werden an der Ruhr aus ging es auf einer Tour im Uhrzeigersinn rund um das Bistum. In Sorge um die Sicherheit der Radler hatten die Borbecker Firma Holzverarbeitung Müller und die Werdener Sicherheitsfirma Firma Condor Schutz und Sicherheitsdienst neue rote Hemden gestiftet: so waren die Bistumsradler überall bestens sichtbar. In der Akademie Wolfsburg in Mülheim an der Ruhr empfing Direktor Michael Schlagheck die Gruppe im Auftrag von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, um sie dann durchs Haus zu führen und zu bewirten. Mit einem Stopp am Kloster Hamborn ging es am ersten Tag nach St. Ludger in Bottrop. Zeitweise begleiteten befreundete Radler aus Herz Jesu Bottrop und auch Propst Manfred Paas die Radlergruppe aus der Abteistadt. Im Kloster Stiepel in Bochum gab es den Reisesegen von Pater Moses, im ehemaligen Bethaus der Bergleute im Wittener Muttental war man beeindruckt von einer ganz besonderen, exklusiven Führung zur damaligen Arbeitswelt der Bergleute. Am Ausgang des Muttentales wartete schon die Ruhr. Fröhlich winkten die Radler ein alternatives Transportmittel heran. Das Linienschiff Schwalbe II nahm sie „per Anhalter“ ein Stück des Weges mit bis nach Bommern. Ihr Weg führte die Radler im Sauerland auf das Dach des Bistums. In Landemehrt oberhalb von Plettenberg wartete auf 510 Meter Höhe Rudolf Anheier mit Getränken auf die Werdener und Borbecker. Bei einem Besuch mit dem damaligen Plettenberger Kaplan Manfred Paas, einem Werdener, sprach Bischof Franz Hengsbach dem Gastgeber den Ehrentitel „der höchste Katholik des Ruhrbistums“ zu.
430 Kilometer und 4.500 Höhenmeter
Übernachtet wurde zu Beispiel auf Burg Altena, der ersten Jugendherberge der Welt und in Radevormwald in der zweitältesten. Auf dem Friedhof von Radevormwald gedachte man der 46 Toten, die ein Zugunglück forderte. 41 Kinder der Geschwister-Scholl-Schule, zwei Lehrer, eine Mutter und zwei Bahnbeamte verunglückten am 27. Mai 1971 auf der Rückfahrt von Bremen kurz vor dem Zielbahnhof in Radevormwald. Die eindrucksvollen Reihen der Gräber machten die Radlergruppe aus Borbeck und Werden sehr, sehr nachdenklich und betroffen. Durch das Bergische Land ging es wieder in die Metropole Ruhr. Bei Breckerfeld war am vorletzten Tag mal eben mit 442 Metern den höchsten Punkt des Ruhrgebiets, den Wengeberg, zu meistern. Im Mauritiusdom von Niederwenigern wurde an Nikolaus Gross erinnert, Glaubenszeuge und Widerständler. Auch beim Besuch der Pax Christi Kirche in Essen wurde der Gewaltopfer gedacht. Nach 430 Kilometern und 4.500 Höhenmetern schloss sich der Kreis in der Adveniatkrypta der Essener Münsterkirche mit einer Dankandacht. Sie wurde gestaltet von Dompropst Thomas Zander am Grab von Franz Kardinal Hengsbach. Der erste Bischof von Essen war ein Sauerländer. Thomas Zander predigte mit wunderbaren Worten von der Rückkehr der Apostel, bezogen auf die Situation der ausgezogenen Radgemeinde. Die Gemeinschaft beschloss ihre Tour mit dem irischen Segenslied „Möge die Straße“. Beim anschließenden Kaffeetrinken mit dem Dompropst im Altfridsaal des Kreuzgangs gab es viel zu erzählen.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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