Etikett oder Etikette?

Och Mensch, es hätte ein so schöner Abend werden können: ich war zu einer Party eingeladen und hatte auch so richtig Lust, mich mal wieder schön zu machen. Mein Lieblingsoberteil war für den Anlass genau das Richtige. Da musste ich also nicht lange überlegen, was ich anziehen sollte. Die passende Hose hatte ich auch schnell zur Hand, und so konnte ich mich in Ruhe um den Rest - also meine Haare und mein Gesicht - kümmern.

Nach relativ kurzer Zeit fand ich mich hübsch genug, um mich in den Trubel zu stürzen.

Mit meinem Äußeren war ich zufrieden, aber es gab da etwas, das mir zu schaffen machte (ich muss zugeben, das war nicht das erste Mal, dass ich dieses komische Gefühl hatte, aber ich hatte es immer mehr oder weniger erfolgreich ignoriert).

Ich habe getanzt, gelacht, getrunken und mich prächtig amüsiert. Es waren sehr nette Leute auf der Party, von denen ich manche schon kannte und einige erst kennenlernte. Unter ihnen war eine Frau, die mir besonders durch ihr Vokabular in Sachen Mode auffiel: jedes zweite Wort war "stylish", "Marke" oder "teuer". Das ist eigentlich gar nicht meine Welt: ich liebe es, andere Leute shoppen gehen zu lassen und mir dann ihre zu klein gekauften Sachen bei ebay zu schnappen. Deswegen konnte ich mit dieser hippen Person auch nicht recht ins Gespräch kommen.

Wie gesagt, ich habe auch getrunken, und so war es nur natürlich, dass ich für ein paar Minuten von der Tanzfläche verschwinden musste.

Mit mir allein habe ich es dann nicht mehr ausgehalten: dieses Gefühl, das mich manchmal an den Rand des Wahnsinns treibt, wurde übermächtig, und so zog ich mein Lieblingsoberteil aus, drehte es auf links und entfernte dieses Etikett, ohne das das Teil zwar nicht mehr als Marke, stylish oder teuer erkannt werden kann - aber ich hatte endlich Ruhe und konnte mich auf einen ungestörten Abend freuen.