„Eine Seilbahn wäre nicht schlecht“
Geschichte und Geschichtchen bei der Fahrradexkursion auf dem Historischen Pfad Werden-Land
Der Historische Pfad Werden-Land mit seinen 13,5 Kilometern Länge spürt dem Weg der seit 1720 traditionellen Flurprozession nach. Die insgesamt 17 Stationen sind zu Fuß oder im PKW erlebbar.
Oder auch auf dem Drahtesel. Auf Wunsch von Bezirksbürgermeister Michael Bonmann führt Günther Mayer eine Fahrradexkursion an. Vom Treidelplatz aus geht es den Berg hoch. Der Klemensborn ist mit seinen Steigungen eine echte Herausforderung. Nach mühsamem Aufstieg oben beim Haus am Turm angekommen, stöhnt eine erschöpfte Mitradlerin: „Eine Seilbahn wäre nicht schlecht.“ Darauf entgegnet der ortskundige Führer, dass in der Tat in den 30er Jahren so eine Seilbahn im Gespräch war. Diese sollte auf dem Pastoratsberg von der Ruhr bis hoch zum Aussichtsturm führen. Bereits 1882 gab es eine Seilbahn, die von der Zeche Pauline über die Ruhr bis zum Werdener Güterbahnhof führte. Hier wurden aber keine Personen, sondern Kohle befördert. Rund 20 Minuten benötigte ein Korb von der Zeche zur Verladestation an der Bahn.
Die Rathausuhr steht auf 10 nach 12
Am Rathaus von Werden-Land angekommen, weisen alteingesessene Heidhauser darauf hin, dass dessen Uhr leider nicht mehr funktioniert. Viele Anwohner bedauern, dass die Uhr schon seit vielen Jahren auf 10 nach 12 steht. Die Uhrsteuerung muss erneuert werden, das Ziffernblatt kann erhalten bleiben. Alfred Kleinfeldt meint launig: „Da sollen schon einige Heidhauser den Bus verpasst haben, weil sie der Uhr geglaubt haben.“ Scherz beiseite: „Es wäre schön, wenn wir alle die Rathausuhr in Heidhausens Mitte wieder zum Laufen bringen und aktiv mit einer Spende dazu beitragen könnten.“ Die Spenden werden erbeten auf das Konto des Werdener Bürger- und Heimatvereins bei der Sparkasse Essen. Als Stichwort „Rathausuhr“ angeben, die IBAN lautet DE15 3605 0105 0001 6289 32. Die Fahrt geht weiter und Günther Mayer weiß so viel Interessantes zu berichten. Wussten seine Mitfahrer eigentlich schon, dass in Heidhausen und Holsterhausen aufgrund des guten Klimas jede Menge Einrichtungen zur Erholung erbaut wurden? Im „Luftkurort Heidhausen“ gab es viele Häuser des Gesundheitswesens, von der Industrie, den Krankenkassen. Unter anderem Lungenheilstätte, Engelsburg, Altenheim Rosenau, AOK-Erholungsheim, Krupp-Erholungsheim am Korstick, Haus Hoheneck und Kamillusklinik.
Einst ein Industriegebiet
Weiter geht’s an der Wimberstraße, hier verweist ein Schild auf die ehrwürdige Coelestinschule. Nun geht es immer den Tannenbusch herunter bis ins Hespertal. Die Bläufabrik ist beredter Zeuge der einst hier angesiedelten Industrie. Bei einigen Mitfahrern kommen Erinnerungen hoch. So ist Günter Piontek hier ganz in der Nähe aufgewachsen und erzählt von der klitzekleinen Schule. Das waren noch Zeiten, als acht Klassen in einem Zimmer hockten und Unterricht bei einem einzigen Lehrer hatten, der auch im Haus wohnte. Und von dem ungewöhnlichen Erlebnis, der einzige Schüler des ganzen Jahrgangs zu sein. „Aha“, sagt ein ganz Vorwitziger: „Daher war der Günter stets der Klassenbeste.“ Hier im Hespertal ist der strukturelle Wandel des Ruhrgebietes sehr gut zu erleben. Dort, wo nun die Natur das Kommando übernommen hat, wo idyllische Wanderwege die Spaziergänger locken, da war vor nicht allzu langer Zeit noch Industrie angesiedelt. So die Zeche Pörtingsiepen. Kohle wurde in der Gegend schon seit mindestens 1578 abgebaut. Der Name der Zeche geht auf den Begriff „Siepen“ für ein kleines Tal und den 832 erstmals urkundlich erwähnten Hof Poerting zurück. Zu Spitzenzeiten bot das Bergwerk einer Belegschaft von 3.008 Mann Arbeit und Lohn.
Die Kaffeetafel biegt sich
Nun machen die Radler Rast am Waldhaus. Auch ein Relikt vergangener Zeit, denn hier wohnte der letzte Ziegeleimeister von Pörtingsiepen. Am Gartentor warten schon Hannelore und Siegfried Bartsch. Sie haben hier ein Paradies geschaffen. Hanslothar Kranz war damals auf die Ruine gestoßen. Das Dach musste neu gedeckt werden, die Wände waren feucht. Doch mit
viel Muskelschmalz, Geduld und Spucke wurde renoviert, sperrmüllreife
Möbel gesammelt und aufgefrischt. Nun ist das Haus ein Schmuckstück,
Hannelore Bartsch führt durch die Räume: „Das ist unsere feste Burg.“ Der ökumenische Arbeitskreis für Behinderte leistet unersetzliche ehrenamtliche Arbeit, die oft psychisch an die Grenzen bringt. Nicht nur Bezirksbürgermeister Michael Bonmann und Frau Susanne sind begeistert ob des verdienstvollen Engagements. Die reich gedeckte Kaffeetafel biegt sich förmlich, der Kuchen stärkt den Körper, der Kaffee weckt die Lebensgeister. Die Radler fühlen sich in dieser fröhlichen Atmosphäre wohl, das spürt man.
Dann heißt es Abschied zu nehmen von dieser friedlichen Oase, weiter geht’s nach Fischlaken, dann immer den Berg hinunter bis zum Ausgangspunkt.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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