Eine Seefahrt, die ist lustig
Die Saison beginnt: Am Treidelplatz in Werden sind die Tretboote zurück
Als Joseph von Baader das erste Tretboot erfand, hatte er eine spezielle Klientel im Blick. Der Münchener präsentierte seine auf Kufen ruhende Konstruktion als „Wasserschlitten“ 1810 in Gegenwart der königlich-bayerischen Familie. Die Erfindung war zerlegbar und für eine adelige Zielgruppe gedacht, die so schöne Gegenden genießen konnte.
Eine Seefahrt, die war also schon vor über 200 Jahren lustig. Als die preußische Regierung ab 1780 Schleusen erbaute, wurde die Ruhr schiffbar und für etwa hundert Jahre zum meistbefahrenen Fluss Deutschlands: Es gab Dampfschiffe, auch Fähren, die Ruhraak, ein flaches Transportschiff für Rohstoffe und Lebensmittel, besonders Kohle, bestimmte das Bild. Flussaufwärts wurden sie getreidelt, also an einer Leine von Pferden gezogen, die auf dem Leinpfad liefen. Ab und zu wurde in einem „Überschlag“ die Uferseite gewechselt, so auch in Werden, daher der „Treidelplatz“. Das Leben der Ruhrschiffer war hart, ohne eine gepfefferte Mischung aus Kautabak, klarem Schnaps und fürchterlichen Flüchen ging da nichts. Werden war damals eine kleine, gesellige Hafenstadt mit unzähligen Kneipen, um all‘ die durstigen Schifferkehlen zu feuchten.
Freizeitvergnügen
Heutzutage gilt die Schifffahrt auf der Ruhr dem Freizeitvergnügen. Alfred Kleinfeldt vom Bürger- und Heimatverein hat sich das Werdener Ruhrufer mit dem Brehm zur Herzensangelegenheit gemacht. „Wege zum Wasser“ ist das Motto, den Fluss für Werden „wiederzuentdecken“. Es tut sich einiges: Das Graffiti an der Treppe zur Ruhr wird demnächst erneuert, da von Vandalen überschmiert. Nebenan unter der Ruhrbrücke soll das große Wandbild mit neuen Motiven übersprüht werden. Die kleine Sitzstufentreppe zur Ruhr könnte in absehbarer Zeit durch LED-Bänder erleuchtet werden. Fehlten nur noch die Boote…
Muskelkraft
Nun war es wieder soweit, Peter Müller transportierte seine 20 Tretboote aus dem Gelsenkirchener Winterlager ins Abteistädtchen: „Wir machen das immer so Mitte April, vorher ist das Wetter einfach nicht gut genug.“ Geöffnet ist von elf Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit, bis ungefähr zum 15. Oktober - „solange es sich lohnt“ - liegen die ungewöhnlichen Wassergefährte, durch Pedale mit Muskelkraft betrieben, in Werden vor Anker.
Ein heißer Sommer
Bootsverleiher Müller hofft natürlich auf gutes Ausflugswetter, erste Prognosen prophezeien auch einen heißen Sommer. Bloß keinen Starkregen! Denn wenn es wie aus Kübeln schüttet, muss Müller eine Pause einlegen: „Steigt der Pegelstand in Hattingen über 3,58 Meter, darf ich nicht mehr vermieten. Dann muss man halt zwei, drei Tage abwarten…“ Erst im letzten Jahr machte er die böse Erfahrung, was passiert, wenn die Wehre oberhalb von Werden zu weit geöffnet sind: „Die Strömung wurde so stark, dass die Boote abgetrieben wurden und nicht mehr aus eigener Kraft zurückkamen. Die mussten wir abschleppen!“ Aber eigentlich ist die Ruhr im Sommer ein träger Fluss, der Antrieb der Viersitzer kräftig genug. Bei seinen zwölf weißen Booten liegt er versteckt in der Mitte, die roten und blauen Gefährte haben ihre Schaufeln außen liegen und ähneln so fast Raddampfern.
Im Rahmen der feierlichen Eröffnung des Treidelplatzes hatte Peter Müller großzügig Gutscheine gespendet: „Die können jetzt eingelöst werden!“
Idyllisches Plätzchen
Eine Seefahrt macht aber auch durstig…da weiß Peter Müller guten Rat. Direkt nebenan haben bereits vor 14 Tagen die „Werdener Wiesn“ eröffnet. Müller empfiehlt: „Erst eine schöne Zeit auf dem Wasser verbringen und dann zünftig in den Biergarten einkehren.“ Wiesnwirt Mali Sirin geht ins dritte Jahr und ist gespannt, was ihm 2016 bringt: „Wir haben da ein idyllisches Plätzchen unter mächtigen Bäumen, wo man bei Kaffee, Wein, Bier oder Kuchen zur Ruhe kommen kann.“ Die Gaststätte unter freiem Himmel lädt natürlich auch die Radler des direkt vorbeiführenden 230 Kilometer langen RuhrtalRadwegs herzlich ein. Die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft soll ein Highlight werden, ein leistungsstarker Beamer und eine große Leinwand werden dafür sorgen, dass unter der Brücke ein OpenAir-Kino der besonderen Art entsteht. Hier können die Werdener Jogis Spielern hoffentlich bis zum Finale zuschauen, mitfeiern und - in Maßen - auch anfeuern.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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