Ein schmaler Grad
„Der Kunstmarkt ist mittlerweile wie die Börse – es gibt nur noch wenige stabile Größen“, bringt es Dr. Silke Köhn auf den Punkt. Sie ist heute als Sachverständige gemeinsam mit Dr. Oliver Gradel ins Werdener Bürgermeisterhaus gekommen, um Licht ins „Kunst-Dunkel“ zu bringen.
Zahlreiche Werdener sind ihrer Einladung gefolgt – immer im Hinterkopf der Gedanke, dass sich Omas Porzellan doch noch als Produkt einer berühmten Manufaktur herausstellt. „Oft genug müssen wir diese Träume zunichte machen. Gerade bei den in der Familie besonders gehüteten Schätzen. ‚Da müsst ihr ganz besonders gut drauf aufpassen’ – und leider ist oft das Gegenteil der Fall. Aber ich denke, wir schulden unseren Besuchern eine ehrliche Einschätzung!“ Und so muss sich eine Besucherin, die verschiedene Grafiken im Gepäck hat, auch anhören: „Sollten Sie sich zu einem Verkauf entscheiden, werden Sie mit keiner hohen Summe rechnen können. Druckgrafiken von Dali sind außerdem ein ganz schwieriges Feld – da wurde in der Vergangenheit viel Schindluder mit getrieben. Der Kunstmarkt ist außerdem zur Zeit sehr viel mehr an Öl interessiert.“
Kunstsprechstunde
Aber natürlich nicht an jedem Ölgemälde. „Sie haben uns einen typischen Pferdemaler mitgebracht. Zwei gewaltige Pferde mit einem Bauern bei der Arbeit – leider nicht nur Pferde. Dafür würde sich eher ein Interessent finden. Bei diesem Motiv handelt sich um den typischen Geschmack im III. Reich – also um die Kunst, die überhaupt zugelassen war: Ganz in dem Sinne ‚Der Bauer auf seiner eigenen Scholle’. Das ist heutzutage nicht so beliebt – vielleicht versuchen Sie es mal bei ebay oder auf dem Trödelmarkt.“
Ganz zufrieden ist der ältere Herr mit dieser Einschätzung nicht. „Also meine Frau hat schon mal 400 Euro für das Bild geboten bekommen. Ich glaube darunter verkauft sie es nicht.“ „Das hören wir durchaus nicht selten“, erklärt Gradel. „Glaube ich auch. Vielleicht ein besonderer Liebhaber – da hätten Sie verkaufen sollen!“
Dr. Köhn und Dr. Gradel helfen weiter
Auch nicht gut weg kommt der Kunstdruck der nächsten Dame. Aus einer unscheinbaren Kartonrolle zieht sie ein kunterbuntes Bild heraus, das den skurrilen Namen „Das Rüsseltier“ trägt. „Ein Otmar Alt – moderne Kunstdrucke. Davon gibt es relative viele – ist gerade in Wartezimmern von Arztpraxen sehr beliebt. Da werden Sie Schwierigkeiten beim Verkauf haben.“
Und dennoch: „Natürlich kommen auch Leute, die unentdeckte Schätze vorstellen. Eine wertvolle, russische Porzellantänzerin hatten wir letztes Mal zum Beispiel – die hat bei der Auktion dann 7.000 Euro gebracht. Bei der Vermittlung helfen wir dann natürlich gerne.“
Wer jetzt glaubt, dass in seinem Keller ebenfalls noch wahre Kunstschätze schlummern, der hat im September wieder die Gelegenheit, im Bürgermeisterhaus vorzusprechen. Den genauen Termin lesen Sie in Ihrem Kurier.
Autor:Julia Colmsee aus Essen-Süd |
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