Delfter Blau kam aus dem Hespertal

Hannelore Kahmann wirft einen Blick zurück in die Industriegeschichte des Hespertals.
Foto: Henschke
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Der zweite Abschnitt des Historischen Pfades Werden-Land bietet überraschende Ein- und Ausblicke

Einige Mitwanderer kommen sogar aus Borbeck und Steele. Die 30-köpfige Wanderschar wird in knapp zwei Stunden viel erfahren über Heidhausen und herrliche Ausblicke genießen dürfen.

Eine erste Wanderung führte bereits vom Treidelplatz am Ruhrufer in die Höhe, immer den Klemensborn hinauf, über die Barkhovenallee ging es mit Stippvisite am Gedenkstein für den „ländlichen Raffael“ Theodor Mintrop zum Heiligenhäuschen an der Jacobsallee. Am Heidhauser Platz nimmt nun der zweite Abschnitt des Historischen Pfades Werden-Land den Faden wieder auf. Hannelore Kahmann, engagierte Heimatforscherin, möchte ihren Gästen die Honnschaft Heidhausen näher bringen.

Als die Elektrizität Einzug hielt

Vor dem alten Heidhauser Rathaus beginnt die Tour: „1904 wurde Ferdinand Aloys Schaphaus erster Bürgermeister von Werden-Land. Es wurde ein Gelände erworben, 1910 das Rathaus gebaut. Direkt nebenan stand das Wohnhaus des Bürgermeisters mit schönem Garten und einem Pavillon.“ Schaphaus war sehr rührig, neue Straßen und Wegenetze wurden angelegt, Wohn- und Geschäftshäuser gebaut, auch hielt die Elektrizität Einzug ins Werdener Land. Nach der Eingemeindung 1929 blieben die Stadtarztstelle, eine Bücherei und die Sparkassen-Zweigstelle. Als nach dem Krieg die Heidhauser Schule aus allen Nähten zu platzen drohte, zogen die evangelischen Schüler in das Rathaus bis 1965 in die Adolf-Clarenbach-Schule, dann wurde die neue Gemeinschaftsschule an der Jacobsallee gebaut. Seit 1993 steht das repräsentative Rathaus unter Denkmalschutz, 2003 verkaufte die Stadt Essen, nun ist es ein Hotel.
Am Kamillusweg erinnert die Ur-Heidhauserin an Männer wie ihren Vater, die mit eigenen Kräften ihre Häuser bauten. Im nahegelegen Steinbruch brach das Familienoberhaupt die benötigten Steine. Die kleine Hannelore brachte dem Vater den Henkelmann mit dem Mittagsessen und musste sich bei Sprengungen hinter einer Schutzmauer verstecken. Der kleine Friedhof der Kamillianer zieht den Blick auf sich, auch kann man hier eine herrliche Fernsicht genießen. Vorm Kamillushaus überkommen Hannelore Kahmann ihre Kindheitserinnerungen. Der Krieg hatte damals seine Spuren hinterlassen, das kleine Mädchen sah sehr wohl die langen Schlangen derjenigen, die an der Pforte für die Armenspeisung anstanden: „Sie hatten Hunger.“ Hilfe wird hier weiterhin großgeschrieben, in der Fachklinik Kamillushaus werden heute suchtkranke Menschen betreut.

Keimzelle des Historischen Pfades

Am südlichsten Rand der Stadt Essen befand sich die Coelestinschule. 1978 musste das Gebäude an der Wimberstraße dem Bildungszentrum für Entsorgung und Wasserwirtschaft weichen. Vor mehr als 300 Jahren schenkte der Werdener Abt Coelestin von Geismar der Heidhauser Bevölkerung vierdreiviertel Morgen guten Landes: „Aber die Schule müsst ihr selbst bauen.“ Der kluge Mann dachte sich, es müssten nicht nur Lateiner ausgebildet werden, sondern auch normale Menschen. Hannelore Kahmann schmunzelt: „Das war noch weit bevor in Preußen die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde.“ Schulleiter Adolph Wimber unterrichtete 53 Jahre an dieser Schule, letzter Rektor war Friedrich Küpper. Eine richtige Landschule war das noch, ein großer Schulhof mit mehr als 30 Linden, ein großer Garten und ein kleiner Schulwald gehörten dazu. Ehrfürchtig erinnert Hannelore Kahmann sich an ihre Einschulung 1948: „Wir waren 64 i-Dötzchen.“ Im Jahr 2012 trafen sich an die 300 ehemalige Schüler und Lehrer und erinnerten in einem Festakt an die Schulgründung im Jahr 1712. Die Gedenktafel war übrigens Keimzelle des Historischen Pfades, angeregt durch Bezirksbürgermeister Michael Bonmann.

Ein Blick in die Industriegeschichte

Jetzt führt der Pfad in den Wald, die Straße schlängelt sich malerisch bergab bis ins Hespertal. Dort angekommen, wirft Hannelore Kahmann einen Blick zurück in die Industriegeschichte der Region. Spannend. Wer hätte gewusst, dass das weltberühmte Delfter Blau auch durch Farbpulver aus dem Hespertal besonders leuchtete? In der Bläufabrik wurden nämlich seit 1773 Kobalterze unter Zugabe von Alaun geröstet und die sogenannte „Schmalte“ produziert: „Das muss man sich vorstellen wie der Schaum auf der Hühnerbrühe, den man abschöpft.“ Dieses blaue Glas wurde mithilfe eines durch die Wasserkraft des Rosenbachs angetriebenen Walzsteins zerkleinert. Die Mineralogin Kahmann hat sogar Fundstücke dabei, die sie aus einer Baugrube sichern konnte und die nun von Hand zu Hand wandern. Stoff-, Papier- und Glas-Fabriken, aber auch Porzellanmanufakturen nutzten Kobaltblau als Basisfarbe. Zunächst erhielt die Bläufabrik Kobalterze und Alaun aus den nahen Gruben, in späteren Jahren vom Wittgensteiner Land. Das Werk war bis 1854 in Betrieb, beschäftigte zwischenzeitlich immerhin bis zu 40 Leute.
Bald ist Hesperbrück erreicht, die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Einige laufen nach Hause, andere nehmen den Bus, schließlich ist die Haltestelle vis-à-vis. Nun bliebe noch der dritte Abschnitt des insgesamt 13,5 Kilometer langen Historischen Pfades zu erwandern. Hannelore Kahmann wird am 24. Februar von den Tier-Skulpturen am Schwarzen durch Fischlaken und dann immer den Berg herunter bis zum Ausgangspunkt am Treidelplatz gehen.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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