„Dann sind wir losgelaufen!“ Nils und seine Mutter Christiane pilgern auf dem Jakobsweg – Teil 1: von Werden bis Aachen
Der Jakobsweg. Schier unendlich zieht er sich durch Europa. Und doch hat er ein Ziel: Santiago de Compostela im spanischen Galicien. Hier liegt – angeblich – der Apostel Jakobus begraben. Ein Pilgerort, der im Laufe der Jahrhunderte mal in Mode, mal fast vergessen war.
Christiane Friedrich muss schmunzeln: „Auch ich hatte den Hape gelesen. Der Jakobsweg war plötzlich wieder in aller Munde. Ich brauchte Zeit für mich, zum Nachdenken. Da habe ich im Fernsehen eine Reportage gesehen, die hat mich eingefangen. Habe mir überlegt, mal die erste Etappe des Jakobswegs von Werden in Richtung Santiago zu laufen.
So als unverbindliche Probetour. Meiner Familie sagte ich: ‚Ich bin dann mal zwischendurch einen Tag weg!‘ Von kompletter Pilgerreise war da noch nicht die Rede. Dann wollte der Nils mit und die ganze Sache bekam Eigendynamik.“
Der Nils. Ein ganz normaler 13-Jähriger. Oder doch nicht? Denn er hat eine Mission: „Ich kann die Mama doch nicht alleine lassen!“ Mit einer feinen Mischung aus Beschützerinstinkt und Abenteuerlust reagierte er blitzschnell und entschied: „Alleine gehen lassen wollte ich sie nicht, ein bisschen was entdecken wollte ich auch.“
Eine der Trassen des Jakobsweges verläuft durch Werden. „El camino comienza en su casa - der Weg beginnt zuhause“ ist hier also (fast) wörtlich zu nehmen. Also stiefelte Christiane Friedrich los, den Sohn im Schlepptau.
Von Werden aus verläuft die Strecke zunächst auf dem Leinpfad, bevor sie in das Ruthertal abbiegt und führt über die Kapelle Maria im Maien und die Gassen von Kettwig zurück zur Ruhr. Nach Überquerung der Ruhr geht es durch den Wald nach Ratingen-Hösel und weiter in das Zentrum von Ratingen.
„Keinen Bock mehr!“
Eine schöne Strecke. 19 Kilometer. Exakt auf halbem Wege hatte Nils keinen Bock mehr. Aber er entschied sich. Nicht umzukehren, sondern durchzuhalten.
Vorsorglich hatte sich unser Pärchen das Pilgerheft zugelegt, in dem man Stempel der einzelnen Stationen auf dem weiten Weg sammeln kann. Doch in Ratingen war nix mit Stempel: „Viele Gemeinden sind da nicht so drauf eingestellt. Glücklicherweise haben wir den Küster getroffen, der konnte uns weiterhelfen.“
1.933 Kilometer
Zurück in Werden, ging das Grübeln los: Weiter gehen? Die ganzen 1.933 Kilometer? Oder lieber sein lassen?
Ausreden gäbe es genug, ist ja auch nicht so einfach, das Pilgern mit Schule, Beruf und Familie zu koordinieren. Doch dann kam der Trotz: „Warum nicht?“
Auch Nils war mit an Bord: „Die Mama alleine lassen? Nee. Mit dem Rucksack losziehen und auswärts übernachten, das fand‘ ich spannend.“ So pilgerten sie los, die Rucksäcke gut gefüllt, mit rund 10 Kilo Gepäck. Bis Aachen ging es, 135 Kilometer.
Dort kam die „Erleuchtung“. Christiane Friedrich berichtet: „Auf dem Weg haben wir so rumgeflachst, ob wir nicht Sponsoren finden. Darüber kam der Gedanke, Spenden für einen guten Zweck zu sammeln. Das war aber eher in den blauen Dunst hinein geredet. Doch dann sah Nils im Aachener Bahnhof so eine Werbung für ‚Save the Children‘ und rief: ‚Mensch, guck‘ mal, Mama!‘ Damit war die Sache klar!“
Was sagen eigentlich die Freunde? „Och, ist kein großes Thema. Die Lehrer finden es cool, meine Mitschüler dagegen finden das irgendwie nicht so interessant. Nur mein bester Freund ist Feuer und Flamme.
Er ist Muslim und plant fürs nächste Jahr, die ‚Haddsch‘ nach Mekka zu unternehmen, also auch eine Pilgerfahrt. Da haben wir viel drüber geredet.“
Was geht beim Pilgern so im Kopf rum? Nils sieht’s eher pragmatisch: „Man denkt an den Vortag, Gespräche, wo man übernachtet hat, man erzählt auch einfach mal Mist!“
Entschleunigen
Christiane ist da deutlich „spiritueller“ unterwegs: „Das sind für mich Grenzerfahrungen. Ich sehe in Allem ein Zeichen. Aber ich kann so runterkommen, entschleunigen. Auch Familiäres innerlich verarbeiten, das geht tief und ist oft gar nicht einfach. Gedanklich etwas abschließen, akzeptieren, danach endlich wieder Positives sehen können.“
Also grübelt man ständig beim Marschieren? „Nein. Nun ja, ich bin körperlich längst nicht so fit wie der Nils. Also mache ich mir kleine Mini-Etappenziele: Bis zu diesem Blümchen, bis zur nächsten Mauer, irgendwann denkt man nix anderes mehr, als endlich anzukommen!“
Ziemlich groggy kamen die Beiden in ihren Etappenzielen an. So war die Unterkunft oft nur noch Nebensache, sagt Christiane Friedrich: „Selbst in diesem einen höchst komischen Pilgersaal war das Bett bequem und ich konnte herrlich pennen!“
Fortsetzung folgt!
Spendenkonto
Wer möchte pro absolviertem Kilometer spenden? 2015 waren es von Huy bis Brûly 149 Kilometer. 2014 schickte die Organisation „Save the Children“, die Kindern in Not hilft, Nils eine Urkunde mit der stolzen Summe von 2.552 Euro!
Spendenkonto von „Save the children“:
Konto 929
BLZ 10020500 Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: E92100205000003292912
BIC: BFSWDE33BER
Wichtig ist der Verwendungszweck: „Nils pilgert“.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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