„Da war Taschentucheinsatz angesagt“
Dr. Christiane Schmidt ist stolz auf den ersten gemischten Abiturjahrgang ihres Mariengymnasiums
Die feierliche Messe in St. Ludgerus wurde von Weihbischof Wilhelm Zimmermann zelebriert. Dann ging es ins Forum des Mariengymnasiums.
Unter Moderation des Abiturienten Lukas Fußangel kam es zur Zeugnisvergabe mit eigens für diesen Anlass umgetextetem Abi-Lied. Mittendrin die Schulleiterin Dr. Christiane Schmidt. Für sie war die Feier ein einschneidendes Erlebnis. Denn der Jahrgang war nicht nur der erste mit männlichen Absolventen. Er war auch der erste, den sie komplett als Leiterin der Schule begleiten durfte. Die entspannte Pädagogin ist gut gelaunt. Denn der große Moment ist überstanden: „Als mich vor dem Gottesdienst der Weihbischof fragte, ob ich denn aufgeregt sei, konnte ich ihm kaum noch antworten. Und als später das Abi-Lied angestimmt wurde, gab es bei mir kein Halten mehr. Da war Taschentucheinsatz angesagt.“
Ein Besuch bei „Frau Doktor Christiane Schmidt, Oberstudiendirektorin im Kirchendienst“. Eine resolute Frau, die katholische Religionslehre und Latein unterrichtet. Die schon mit 39 Jahren Leiterin eines so großen Gymnasiums wurde. Doch ist man erst einmal durch die Tür, fällt der Blick auf unzählige Wackelfiguren: Eine ewig winkende Queen, ein Napoleon, ein Einhorn, wackelnde und sprechende Blumen. Kitschig. Ja und? Das wird noch getoppt von der „Harry und Meghan“-Tasse. „Meine erste königliche Hochzeit war 1976 die mit unserer Silvia Sommerlath. Seitdem sitze ich bei jedem Royal Wedding vorm Fernseher und bin gerührt.“
Den Hut in den Ring geworfen
Dass die Schulleiterstelle am Mariengymnasium frei wurde, erfuhr Christiane Schmidt durch einen Zufall und war sofort wie elektrisiert. Bis dahin unterrichtete sie am Nikolaus-Groß-Abendgymnasium des Bistums Essen: „Ich hatte zwei Tage Bedenkzeit. Dann habe ich meinen Hut in den Ring geworfen.“ Das war im November 2009. Ende Januar kam dann die Nachricht, sie wäre im engeren Kreis. Ein überzeugter Karnevalist als Schuldezernent? Da habe man ihre Prüfung auf Aschermittwoch gelegt. In vier verschiedenen Modulen wurde sie getestet. Was sie nur auf Nachfrage zugibt: Mit Bestnote. „Am 18. April wurde ich zum Bischof gerufen. Da dachte ich immer noch, es gehe um eine größere Zahl an Kandidaten. Plötzlich sagte er: Ja, ich stimme zu.“ Christiane Schmidt war völlig überrumpelt: „Ich habe erst gar nicht verstanden, was man von mir wollte.“ Ihre Nachfrage muss den Bischof verblüfft haben, doch Franz-Josef Overbeck spielte mit: „Sie sind’s!“ Drei Tage nach ihrem Geburtstag das allerschönste Geschenk. Zum 1. August 2010 übernahm Schmidt die Stelle von Hanspeter Loewen. Die Umstellung war eine gewaltige: Vom jovialen Rheinländer zur eher nüchternen Westfälin. Kaum im Amt, musste sie viele Versprechen einlösen, die gegeben worden waren. So etwa das der parallelen Monoedukation: „Die Jungs und ich kamen gleichzeitig als Neulinge durch diese Tür.“
Stereotypische Klischees aufbrechen
Erstmals in seiner langen Geschichte hat das Gymnasium 46 männliche Abiturienten zu verzeichnen. Zusammen mit 89 Abiturientinnen bekamen sie in einer fröhlichen Feier ihr Reifezeugnis überreicht. Wie war denn dieser besondere Jahrgang, wie die Jungen? Auf ihre Abiturientia lässt Frau Oberstudiendirektorin nichts kommen: „Super. Sehr gute Ergebnisse.“ Die Jungen haben überwiegend überzeugende Noten, von den vier Absolventen mit glatt 1,0 sind zwei männlich. Die Zusammenführung der beiden Geschlechter in der Oberstufe ist gelungen: Stereotypische geschlechterorientierte Klischees werden bewusst aufgebrochen, da haben Mädchen Informatik gewählt und Jungen Pädagogik. Ob der geschlechtergetrennte Unterricht wirklich zu besseren Noten führt? Kritiker sagen: Schulen mit diesem Konzept befinden sich meist in kirchlicher oder privater Trägerschaft. Diese hätten oft Schüler aus einem bildungsbürgerlichen Umfeld, die generell bessere Noten und höhere Bildungsabschlüsse erzielten. Eine Art Selbstselektion. Hier wird Christiane Schmidt energisch: „Keine Schule kann für ihren Standort.“ Werden biete sicherlich eine privilegierte Lage, aber auch gemischte Klientel: „Auch unsere Schüler haben ganz normale Probleme.“ Ihr Haus steht grundsätzlich allen Konfessionen offen, auch muslimischen Schülern, sogar nicht getauften Kindern. Auch nahm das Mariengymnasium 16 Flüchtlingskinder auf. Ganz bewusst verteilt auf viele Klassen und dort fest integriert: „Das ist unser Auftrag.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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