„Auch ich war mal ein Junge“

Karl-Heinz Steven versprüht mit leichter Hand zugleich Stimmungsvolles und Tiefgang.
Foto: Henschke
2Bilder
  • Karl-Heinz Steven versprüht mit leichter Hand zugleich Stimmungsvolles und Tiefgang.
    Foto: Henschke
  • hochgeladen von Daniel Henschke

Heimatdichter Karl-Heinz Steven verzauberte die kfd-Damen mit leichter Hand und Tiefgang

Pater Jörg Gabriel hatte zuvor die Tore weit geöffnet: „Damit ein Lüftchen weht. Es ist unsäglich warm in der Kirche.“

Nach der Messe in St. Kamillus geht es für die Ortsgruppe der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands nach nebenan in die Begegnung Camillo, wo schon Kaffee und Pflaumenkuchen warten. Für den Pater allerdings ohne Schlagsahne. Monika Wiese aus dem kfd-Leitungsteam stellt den Gast vor. Eingeladen ist der Heimatdichter Karl-Heinz Steven. Mitgebracht hat er ein Thema, welches allen unter den Nägeln und auch ganz schön auf den Kopf brenne: den Sommer. Erst überreicht er Monika Wiese ein Buchpräsent mit dem Namen „Sommerglück“. Dann bedauert der pensionierte Lehrer: „Wenn ich doch singen könnte. Dann würde ich Rudi Carrells Lied anstimmen.“ Doch dem Manne kann geholfen werden, gut gelaunt schmetterte die Runde „Wann wird‘s mal wieder richtig Sommer?“.

Wo das Glück zu finden ist

Nach dieser musikalischen Einstimmung verblüfft Steven mit der weiten Bandbreite seines Schaffens. Er startet mit einem Gedicht über den letzten Sommermonat August. Berichtet von Reisen in ferne Länder, doch: „Wir bleiben gerne daheim. Wo in der Welt kann’s schöner sein?“ In seiner Kindheit war oft kein Geld für Reisen: „Da fragte der kleine Karl-Heinz...“ Leises Lachen im Raum. Karl-Heinz Steven ist 94 Jahre alt und schmunzelt neckisch: „Ja, auch ich war mal ein Junge. Glaubt man gar nicht. Ist aber doch wahr.“ Also, der kleine Karl-Heinz fragte: „Mutter, warum fahren wir nicht in Urlaub, wie es meine Klassenkameraden tun?“ Die Mama wollte nicht sagen: „Da haben wir kein Geld für“, sondern erzählte ihm eine Geschichte: „Nur da, wo Sonne und Erde zusammenstoßen, leben Menschen in großem Glück.“ Die sich auf die Suche machten, stießen nach langer Reise auf ein altes Haus. Die Tür stand auf und plötzlich realisierten die Suchenden: „Das ist ja unser eigenes Haus!“ So hat es Steven erlebt: „Der Ort, an dem das Glück zu finden ist. Dieser Ort befindet sich hier bei uns. Wir brauchen nur die Tür zu öffnen. Diese Geschichte begleitet uns durchs Leben. Mancher rennt dem Glück hinterher und weiß nicht, das es zuhause wartet.“ Man kommt ins Gespräch, denn die Damen haben andere Erfahrungen gemacht: „Es gibt auch Zuhause, wo man Katastrophen erlebt.“ Oder man hat das Pech, in den Sommerferien Geburtstag zu haben und so stets eine fröhliche Party mit Freunden und Geschenken zu verpassen. So manche bittere Lebenserfahrung bricht hier durch. Steven lässt dies nur zu gerne zu. Andererseits besteht er darauf, zumindest im hohen Alter sei es doch eher so: „Reisen macht so viel Arbeit und es gibt böse Überraschungen.“

Der erste Liebesfilm

Ein Schulaufsatz über „mein schönstes Ferienerlebnis“? Was da schreiben? Dann kam der Geistesblitz: ein betagter Bekannter wurde liebevoll „Opa Wolf“ genannt. Der Bube Karl-Heinz wollte unbedingt ins Kino und dort den Film „Biene Maja“ sehen. Der „Opa“ kam mit. „Wir nahmen Sperrsitz. Das nannten wir Rasiersitz.“ Doch der Film über die Biene Maja war bald zu Ende: „Das war nur der Vorfilm. Es folgte als Hauptfilm eine Liebesgeschichte. Wie peinlich.“ Was tun? Steven berichtet, als ob gestern gewesen wäre: „Nichts mehr rechts oder links schauen. In den Sitz rutschen, vielleicht sieht mich keiner? Dieser Liebesfilm kam zum unpassenden Zeitpunkt. Für mich zu früh. Für Opa Wolf zu spät.“ Als das Licht im Saal wieder anging, blieb das ungleiche Paar noch sitzen mit hochroten Köpfen. Karl-Heinz platzte heraus: „Das war mein erster Liebesfilm.“ Opa Wolf flüsterte: „Auch meiner!“ Der Deutschlehrer gab der Klasse ihre Aufsätze zurück, verteilte Lob und Tadel. Doch einen Aufsatz behielt er ein. Warum nur? Die Lösung war höchst überraschend: Der Lehrer ließ den Text in einer Zeitung veröffentlichen! Karl-Heinz Steven hatte sein erstes Geld verdient: „20 Reichsmark habe ich dafür bekommen.“

Lausbubenstreiche

Der Monat Juni wird in Versen vorgetragen, dem Juli entlockt Steven diesen frommen Wunsch: „Oh Herr, du spendest Sonnenlicht, Du wirst auch Regen spenden.“ Fast prophetisch seine Worte: „Jetzt schimpfen wir über die Hitze. Doch wenn es drei Tage lang regnet, vermissen wir die Wärme.“ Eine Blume stehe ihm für den Sommer: „Der Löwenzahn verschwindet leider immer mehr. Der zur Pusteblume wird.“ Das sehen die Damen wieder kritisch: Da blühe nix, alles trocken, aber der Löwenzahn mache sich breit: „Der Schrecken jeden Rasens.“ Bei Steven weckt er jedoch Kindheitserinnerungen: „Ich erinnere mich an so manchen Lausbubenstreich in der Kirche, als irgendjemand Unfug mit Pusteblumen trieb.“ Wer wird das wohl gewesen sein?
Karl-Heinz Steven ist am 1. Adventsonntag 1923 geboren, versprüht aber immer noch mit leichter Hand und zugleich Tiefgang eine ganz besondere Stimmung. Das finale Gedicht muss er auf Drängen seines Publikums ein zweites Mal vortragen: „Noch mal, bitte.“ Die Dame spricht für alle: „Es hat mir richtig gut getan, Ihnen zuzuhören. Dankeschön.“

Karl-Heinz Steven versprüht mit leichter Hand zugleich Stimmungsvolles und Tiefgang.
Foto: Henschke
Heimatdichter Karl-Heinz Steven in der Begegnung Camillo. 
Foto: Henschke
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.