79 Jahre und kein bisschen leise
Rentner Herger Strötgen sammelt Müll und steckt den Nachwuchs mit seiner Leidenschaft an
Immer im Einsatz. Runde 80 Jahre jung wird Herger Strötgen in diesem Jahr und sagt von sich: „Ich muss bekloppt sein.“ Der Rentner wird laut, wenn er sich aufregt: „Da lasse mir auch nicht den Mund verbieten. Wenn ich sowas sehen, werde ich sauer.“ Sowas, das ist achtlos weggeworfener Müll.
An der Bremerstraße in Heidhausen aufgewachsen, lebt er inzwischen in Fischlaken. Strötgen liebt die Natur, wollte Landschaftsgärtner werden, doch der Vater meinte nur: „Junge, damit verdienst du nicht das Salz in der Suppe.“ Also wurde es doch was ganz anderes, Rohrinstallateur. Auch später blieb er dem Handwerk treu, war Kundendienst-Techniker, später Hausmeister. Nun der Ruhestand: „Ich bin bestimmt kein reicher, aber ein durchaus zufriedener Rentner.“ Doch unzufrieden ist er mit der Vermüllung der Landschaft: „Es ist mir unbegreiflich, warum die Menschen das machen.“ Herger Strötgen muss sich schütteln. Doch dann wird er unruhig: „Nicht so viel quatschen, lieber anpacken.“ Seine Maxime bleibt er auch ihm Gespräch mit dem Journalisten treu: „Tut mir leid, aber ich muss jetzt los. Ich bin verabredet.“ Strötgen schnappt sich sein Wägelchen und marschiert los. Ziel ist das Hohe Kreuz, dort kann man prima über Fischlaker Felder in die Ferne blicken. Zu Silvester stets höchst beliebter Treff der Feiernden. An sich gar nicht verwerflich, wenn da nicht die Hinterlassenschaften wären…
„Wo ist der Müll?“
„Sehen Sie doch nur, was hier rumliegt. Das kann man doch mitnehmen. Dabei war ich schon zweimal hier, habe teilweise die Kracher und Batterien aus dem Schnee gefischt. Da hat mir übrigens Frau Hedtfeld sehr geholfen. Das war wirklich nett von ihr.“ Doch es ging noch weiter, nun „entsandte“ die Dame ihren Enkel, der rückt mit Schulfreund und der Mama an. Rentner Strötgen grüßt die rund 70 Jahre Jüngeren kameradschaftlich: „Das finde ich toll, dass ihr mitmacht!“ Svante Hedtfeld und Jeron Ludwicki sind nicht zu bremsen: „Wo ist der Müll?“ Schwupps, sind sie unterwegs, liegt noch genug in der Gegend herum. Später erklären sie: „Das ist unser kleines Spiel auf dem Schulhof. Wer sammelt den meisten Müll ein?“ Herger Strötgen steht daneben, spürt vor lauter Glück den eiskalten Wind nicht mehr und strahlt. Haben sich hier Gleichgesinnte getroffen? Vor zehn Jahren hat er den „Böller-Aufräumdienst“ übernommen, doch dies ist beileibe nicht sein einziger Dienst an der Gesellschaft. Beim Repair-Café hilft er mit seinem technischen Geschick. Wo er geht und steht, sammelt er Flaschen, Papier, Dosen, vieles mehr.
„Wenn ich die erwische!“
Interessant findet der „Müllmann“, wie die Spaziergänger reagieren: „Die meisten gehen schnell vorbei.“ Plagt sie ein schlechtes Gewissen? Ab und zu halten Passanten an, loben, andere fragen irritiert: „Sind sie von Grün und Gruga?“ Diese Mitbürger können sich wohl nicht vorstellen, dass hier jemand etwas für Gotteslohn tut. „Die veräpple ich dann gerne und behaupte, ich bekäme 30 Euro Stundenlohn.“ Listig strahlen die Augen, doch sofort trübt wieder eine ärgerliche Erinnerung den Blick: „Vor Jahren habe ich den Seitenarm der Ruhr am Heyerstrang gesäubert. Das hat auch länger gehalten. Aber…“ Sein Weg führt ihn oft runter nach Werden, auf den Brehm, leider häufen sich auch hier die Umweltsünden. Was da nicht alles im Wasser landet! Sitzbänke, Einkaufswagen, Rollstuhl, Kinderfahrrad, Begrenzungspfosten, die Liste ist lang. Unmöglich. Der Rentner wird laut: „Wenn ich die erwische!“ Dabei ist es Strötgen nicht darum zu tun, alles und jeden unter Beschuss zu nehmen. Bei den Entsorgungsbetrieben EBE zum Beispiel war man seinem Ansinnen gegenüber sehr aufgeschlossen: „Frau Muschhoff hat sich sehr freundlich um mich gekümmert. Ich konnte bei EBE sogenannte Partnersäcke abholen, das sind große Müllbeutel. Sogar Zangen zum Aufsammeln des Mülls haben sie mir geliehen. Das ist doch vorbildlich.“
SauberZauber
Die Müllzangen kommen den jungen Helfern bekannt vor. Die benachbarte Fischlaker Schule nimmt natürlich am „SauberZauber“ teil, hier geht es um die gemeinsame Verantwortung aller Einwohner für eine lebens- und liebenswerte Stadt. Ganz Essen soll zu Besen und Zange greifen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich einzusetzen und gemeinsam mit anderen Essener Bürgern nahe gelegene Wiesen, einen Parkplatz, Bolzplatz oder eine ähnliche öffentliche Fläche zu reinigen. Arbeitsmaterialien wie Handschuhe, Müllsäcke und Müllzangen werden zur Verfügung gestellt. 2017 ist der Hauptaktionstag am 18. März, Schulen und Kindergärten können vom 13. bis 24. März ihre Aktionen durchführen.
Nun ist aber Pause angesagt. Die Müllsäcke haben sich schon gut gefüllt, der kalte Wind zeigt Wirkung. Nun zaubert Herger Strötgen eine Thermoskanne aus seinem Beutel: „Hier Jungs, habt ihr heißen Tee zum Aufwärmen und zur Stärkung Kekse.“ Das lassen sich die Helfer nicht zweimal sagen, hocken sich auf die Bank. Der passionierte Müllsammler lächelt, doch sein Blick wandert schon wieder suchend umher: „Auweia, da sehe ich noch was.“ Weg ist er. Immer im Einsatz.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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