Von Schattenmännern, Kettenhunden und Knochenbrechern: Als ich einmal nicht die Nummer 10 war!

Immer wenn ich gefragt werde, was ich denn beim Fußball für eine Position gerne eingenommen habe, muss ich nicht lange nachdenken. Die Nummer 10 fand ich schon immer klasse. Im Mittelfeld locker rumtraben, die Regie in den eigenen Händen halten, die Stürmer zusammenfalten, wenn sie mal wieder meinen genialen Pass nicht erlaufen haben, weil sie zu spät losgerannt sind - das war mein Leben.
Alles andere hatte keinen Sinn. Bei mir war jede Liebesmüh vergeblich. Grätschen üben auf Asche? Ich habe das einmal gemacht, meine Knie angeguckt und dann meinem Trainer den Vogel gezeigt. Die Männer fürs Grobe sind immer die anderen gewesen. Die Schattenmänner, Kettenhunde und Knochenbrecher.

Einmal habe allerdings auch ich gedacht: So nicht. In einem Frankreich-Urlaub nach dem Gewinn der Europameisterschaft 1996. Wir spielten am Strand 4 gegen 4. Deutsche gegen Franzosen. Ich kannte meine germanischen Mitstreiter nicht, stellte aber schnell fest, dass es sich um grobmotorische Vollpfosten handelte, so Typ Bankdrücker oder Wasserkastenträger, wie wir sie früher im Verein genannt haben.

Das Spiel geriet recht früh aus dem Ruder. Wir drohten haushoch unterzugehen. Beim Stande von 1:5 nach gespielten sechs Minuten kam bei mir endgültig diese urdeutsche »Nicht verlieren können«-Mentalität durch.

Und weil wir spielerisch nichts reißen konnten, musste es über den Kampf gehen. Ich schmiss mich also von nun an mit drei, vier Metern Anlauf mit gestrecktem Bein in die Bälle. Erstaunlicherweise haben sich die Franzosen das lange, sehr geruhsam angeschaut. Doch dann haben sie sich wohl für einen Moment an Battiston, an 1982 und an Toni Schumacher erinnert. Und sich ausgemalt, was passieren würde, wenn sie sich nicht langsam mal wehren würden.

Ach, eine Geschichte am Rande: Nach Toni Schumachers schlimmen Foulspiel an dem Franzosen Patrick Battiston während der Weltmeisterschaft 1982 in Frankreich wunderten sich Millionen Zuschauer, wieso der Torhüter keine rote Karte sah. Verschwörungstheoretiker entwarfen den Plan, dass der Schiedsrichter der Partie ein holländischer Brauerei-Direktor sei, dessen Firma die größten Umsätze in Deutschland mache. Und um den WM-Reibach nicht zu gefährden, habe der Spielleiter Schumacher nach dessen Foulspiel auf dem Platz gelassen.

Ich sprang also immer noch von drei, vier Metern in die Bälle. Doch dann begannen die Franzosen ihre Schlappen drauf zu halten. Das ging ein paar Mal gut, aber dann machte es knack. Und ich dachte: super! Zweiter Tag eines dreiwöchigen Campingurlaubs und ich brach mir erst einmal drei Zehen an meinen rechten Fuß.

Schnell fuhr man mich ins Krankenhaus. Dort nickten mir alle sehr, sehr freundlich zu und egal, wo ich auch hinkam, lächelte man mich überaus zuvorkommend an. Man kann sogar sagen: Man lachte mich aus! Denn was war passiert?

In dem kleinen Örtchen hatte sich rasend schnell herumgesprochen, was geschehen war. Dass da so ein deutscher Vollidiot wäre, der meinte, ein Spaßspielchen plötzlich mit bitterem Ernst führen zu müssen. Jahre später habe ich eine Geschichte »Rache für Battiston« genannt. Die hat mit dieser nichts zu tun, aber der Titel der Erzählung ist damals an diesem Urlaubs-Nachmittag geboren worden.

Denn die Franzosen fanden es zwar total lustig, wie doof ein Deutscher sein konnte, sich aus lauter falschem Ehrgeiz wie eine misslungene Mischung aus Hans-Peter Briegel und Guido Buchwald aufzuführen. Doch bei allem Spaß hatten sie sich damals am Strand geschworen, diesmal würde der Deutsche büßen müssen. Anders als 1982. Die Rache für Battiston hatte also ich abbekommen und nicht Toni Schumacher. Und das nur, weil ich einmal in meinem Leben nicht die Rolle meiner Lieblingsposition gespielt hatte.

Autor:

Ben Redelings aus Bochum

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