Rekordverdächtig: Von roten Karten und Pfandbechern!

Spektakuläre Fallrückzieher, knallhart geführte Zweikämpfe, ekstatischer Torjubel in den Armen glücksbeseelter Menschen? Für meinen Freund Brösel waren das klassische Nebenkriegsschauplätze auf der Jagd nach immer neuen Rekorden. Stadionbesuche mit unserem knuffigen Klassenkameraden gerieten zu neunzigminütigen Ausflügen auf einen betonierten Abenteuerspielplatz. Fußball war dabei für Brösel nicht einmal die schönste Nebensache der Welt.

Einen der aufregendsten Tage erlebte unser Freund, als es ihm gelang, 37 Pfandbecher während der regulären Spielzeit auf dem Boden der Bochumer Ostkurve einzusammeln und bei den mürrisch dreinschauenden Getränkeverkäufern in bare Münze einzutauschen. Während wir nach einer geholzten 0:1-Niederlage gegen Waldhof Mannheim gefrustet den Heimweg antraten, klimperte Brösel glücklich grinsend mit den Markstücken in seiner prall gefüllten Hose. Es gab Momente, da beneideten wir unseren Kameraden um seine Leidenschaftslosigkeit.

Am ersten Spieltag der neuen Bundesligasaison hätte aber wohl auch Brösel einmal kurz interessiert auf den grünen Rasen geschaut. Denn dem Kölner Youssef Mohamad gelang in der 48. Bundesliga-Spielzeit ein durchaus denkwürdiger Rekord. Nach nur 87 Sekunden wurde er in der Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern vom Felde verwiesen. Eine reife Leistung. Vor allem, weil erst im April Andreas Ivanschitz von Mainz 05 die Messlatte mit 188 Sekunden sehr tief gelegt hatte.

Ein sonderbares Händchen für Rote-Karten-Rekorde haben in der Bundesliga-Geschichte übrigens die in der Regel eigentlich eher als technisch versiert bekannten Kicker des ruhmreichen VfL Bochum bewiesen. Als Peter Jackisch am 25. August 1987 beim Stande von 0:0 in die Partie seiner Blau-Weißen gegen den FC Schalke 04 eingewechselt wurde, konnte er noch nicht ahnen, dass bereits acht (!) Minuten später die Begegnung für ihn schon wieder beendet sein sollte. Das Besondere: Es war sein erstes Spiel überhaupt. Bis heute hält Jackisch eisern den Rekord als schnellster je vom Platz gestellter Debütant.

Und auch die beiden Bochumer Torhüter Markus Croonen und Dirk Drescher werden einen Tag in ihrer Karriere nie vergessen. Am ersten Spieltag der Saison 1985/1986 flog Croonen in seiner allerersten Partie bereits nach 25 Minuten vom Feld und der gerade einmal 17 Jahre, 5 Monate und 13 Tage alte Drescher musste überraschend ins Tor. Völlig überfordert meinte der Neuling anschließend: »Ich war mit einem Male so nervös, dass ich es nicht schaffte, meine Fußballschuhe zuzubinden«. Das übernahm kurzerhand Mannschaftskamerad Heinz Knüwe. Nach einem durch und durch unansehnlichen Spiel, das der VfL mit 1:0 beim Club gewann, meinte der Nürnberger Trainer Heinz Höher wenig schmeichelhaft: »Wir waren doch nicht einmal in der Lage, einem 13- oder 14jährigen Knaben einen Ball ins Netz zu setzen«. Drescher spielte nie wieder in der Bundesliga.

Wenig später war auch für Brösel das Kapitel Live-Fußball beendet. Für ihn gab es im Ruhrstadion einfach nichts mehr zu entdecken. Nach einem 2:1-Heimsieg gegen Bayer 05 Uerdingen schaute unser Kamerad andächtig in den Himmel und meinte sichtlich beeindruckt: »Boah! 14 Flugzeuge sind während des Spiels übers Stadion geflogen. Das ist echt viel!« Wir nickten uns leise zu, klopften Brösel auf die Schulter und ahnten: Manchmal kann auch ein bisschen Fußball-Wahnsinn normaler sein als das Leben drum herum!

Autor:

Ben Redelings aus Bochum

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