Handballer wehren sich! Turnhallen für Unterbringung der Flüchtlinge - droht „die letzte Option“?

Die Velberter Turnhalle „Waldschlösschen“ wurde als Flüchtlingsunterkunft umgebaut.
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  • Die Velberter Turnhalle „Waldschlösschen“ wurde als Flüchtlingsunterkunft umgebaut.
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In Velbert-Neviges war es letzte Woche soweit: Mit gerade einmal 48 Stunden Vorwarnzeit informierte die Bezirksregierung, dass bald Busse mit 150 Flüchtlingen vor der Tür ständen. Fieberhaft suchte die Stadt Velbert eine Lösung, in der Sporthalle „Waldschlösschen“ wurde ein provisorisches Lager aufgeschlagen. Ähnlich sieht es in den anderen Städten aus, nur in Essen wurde diese „letzte Option“ nicht ergriffen. Noch nicht.

Stephan Sülzer hat diese Entwicklung in Velbert, seiner Arbeitsstätte, aus erster Hand mitbekommen: „Der ansässige Niederbergische HC war völlig überrascht und kann seine Saisonvorbereitung nicht wie geplant durchführen. Eine blöde Situation für den Velberter Verein.“
Aber Sülzer ist auch Vorsitzender des Essener Handballkreises. Durch vielfältige Aktionen, unter anderem dem höchst beliebten „Final 4“ in der Sporthalle Werden, versucht der engagierte Funktionär, seine besonders im Bereich der Jugend sinkenden Mannschaftszahlen wieder zu steigern.

Schlag ins Kontor

Da schlägt es ihm doppelt ins Kontor, dass zunächst Essens Vorzeigeobjekt, das „Handball-Leistungszentrum“ an der Raumerstraße, geschlossen wurde. Hier wurde zunächst die Hälfte der 59 Übernachtungsplätze mit Asylbewerbern belegt. 21 Zimmer und zwei Seminar-Räume sollen durch entsprechende Umbauten bald bis zu 110 Menschen beherbergen. Bereits im Handball-Leistungszentrum gebuchte Lehrgänge mussten abgesagt oder umquartiert werden.
Parallelität der Ereignisse: Der Politik liegt eine Sparliste von „Rödl & Partner“ vor, die Konsolidierungspotenziale bei den Sport- und Bäderbetrieben aufzeigt. Neben der Schließung des Grugabades ist dort auch die des Übernachtungs- und Bewirtungsbetriebes am Handball-Leistungszentrum aufgeführt, denn das 1975 in Betrieb genommene Zentrum mache jährlich 118.000 Euro Minus, erreiche gerade noch einen mittleren Jugendherbergs-Standard. Da müsse viel Geld investiert werden.

Lehrgänge

Stephan Sülzer: „Es handelt sich hier um das einzige Leistungszentrum in ganz NRW, es finden an jedem Wochenende Lehrgänge statt, pro Jahr spielen und übernachten hier rund 2.000 Kinder und Jugendliche. Jetzt haben wir das blöde Gefühl, dass hier eine Schließung ‚durchs Hintertürchen‘ erfolgen soll. Durch intensiven Kampf des Handballverbandes hatten wir zumindest den Betrieb bis Jahresende gesichert. Das hat sich ja nun erledigt.“
Denn auch hier ging alles ganz schnell: „Uns am 29. Juni zu schreiben, dass wir am 1. Juli raus müssen, ist ganz schlechter Stil. Wir konnten nicht mehr reagieren.“
Sülzer ist Realist: „Ehrlich gesagt, glaube ich nicht daran, dass wir unser Leistungszentrum jemals zurück bekommen. Durch geschicktes Taktieren ist die Stadt Essen eine ihr unliebe Sportstätte losgeworden.“ Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum, nur die Geschäftsstelle am Hauptbad. Dort muss übrigens auch der Nord-Fußballkreis Unterschlupf suchen, der bisher die Raumerstraße mitnutzte.

Schonfrist

Doch nicht nur das Leistungszentrum ist bedroht. Mit den Erfahrungswerten aus Velbert weiß Sülzer nämlich auch, dass die bisherige „Schonfrist“ für die Essener Turnhallen von jetzt auf gleich vorbei sein könnte: „Wir kämpfen sowieso mit enormen Renovierungsstau in den Hallen, der Ganztag schafft auch große zeitliche Probleme, unsere Kinder- und Jugendtrainings durchzuführen. Wenn jetzt noch Hallen geschlossen würden und der Spielbetrieb beschnitten wäre...“
Ein Beispiel? „In der Überruhrer Klapperstraße spielen 26 Mannschaften, sogar in der Oberliga. Wo sollten wir die denn unterbringen? Das wäre für unseren Ligabetrieb existenzbedrohend. Auch unsere Mini-Turniere für die Kleinsten, über Essens Grenzen hinaus beliebt, wären gefährdet. Das wäre fatal, wo wir gerade die rückläufige Tendenz stoppen konnten.“

Verantwortung bewusst

Stephan Sülzer stellt eindeutig klar: „Die Notwendigkeit ist uns bewusst. Auch wir tragen Verantwortung, den Menschen zu helfen, die aus größter Not zu uns kommen!“ Aber durch mögliche Schließungen werde die Akzeptanz in der Bevölkerung bestimmt nicht gefördert, fürchtet der Handballvorsitzende.
Essen muss in diesem Jahr mindestens 2.865 neue Asylbewerber unterbringen, in Übergangsheimen, städtisch angemieteten Wohnungen und Behelfseinrichtungen.
Bis Ende 2015 fehlen über 900 Plätze! Am 23. Juni standen bereits keine freien Plätze mehr zur Verfügung. Bestehende Behelfsunterkünfte wurden erweitert, das Centerhotel sowie Gebäude in Altenessen-Süd und in Schonnebeck angemietet, zurzeit werden weitere mögliche Standorte geprüft und schnellstens in Betrieb genommen.

Notfall

Dennoch kann es durchaus sein, dass bald auch in Essen eine notfallmäßige Unterbringung in Turnhallen erforderlich wird. Welche Hallen überhaupt in Frage kämen, wurde anhand von Brandschutz, Fluchtwegen und Sanitäranlagen definiert. Auf der Liste finden sich die Standorte Katzenbruchstraße, Klapperstraße, Pinxtenweg, Rosastraße, Ruschenstraße, Schonnebeckhöfe, Raumerstraße, Lührmannwald, Im Löwental, Prinz-Friedrich-Straße, Friedrich-Lange-Straße und Am Hallo.
Hier wären nicht nur die Handballer, auch die anderen Hallensportler betroffen. Lobend erwähnen möchte Sülzer die Rolle des Essener Sportbundes: „ESPO-Geschäftsführer Wolfgang Rohrberg setzt sich sehr für die Hallennutzer ein - hier müssten alle Sportarten noch intensiver zusammenarbeiten!“ Auch Heinz Volkhausen als Vizepräsident des Westdeutschen Verbandes kämpfe für „seinen“ Handball.

Integration

Sozialdezernent Peter Renzel hatte betont, dass nur im absoluten Notfall Sporthallen eingesetzt werden müssten. Man sei dem Sport hinsichtlich der Integration von Flüchtlingen, die in vielen Sportvereinen selbstverständlich praktiziert wird, zu großem Dank verpflichtet.
Hilfe für Flüchtlinge ist durchaus ein Thema für Stephan Sülzer: „Jeder muss seinen Beitrag leisten, auch der Handball. Aber einerseits lobt man den Sport für seine integrative Kraft, andererseits werden Sportstätten geschlossen? Wo sollen unsere Vereine denn integrativ arbeiten?“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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