Du sollst nicht einkaufen, du sollst trainieren: Fußballkultur hautnah!
Im Moment bin ich auf Tour. Das heißt, ich erlebe die viel besungene »Fußballkultur« quasi hautnah. Denn mit das Schönste an den Abenden quer durch die Republik sind die Begegnungen mit den Leuten, die sich selbst wenig zimperlich als »Fußball-Bekloppte« bezeichnen - und das schon lange bevor ein Reiner Calmund diese Titulierung salonfähig machte. Unterwegs erzählen mir diese Menschen immer wieder ihre Geschichten. Fußball-Unterhaltung an der Basis. Ehrlich und urkomisch.
Neulich irgendwo im Ruhrgebiet. Der Abend beginnt mit einem Lacher. Auf die Frage, ob jemand im Raum sei, der keine Ahnung von Fußball habe, ruft ein Mann in einem Schalke-Trikot mit einem breiten Grinsen »Ja, sia, alle Dortmunder« in die Menge. Sein Sitznachbar dreht sich zur Seite, mustert den Königsblauen ernst von oben bis unten und sagt dann deutlich: »Vorsicht, Kollege! Sonst zeigt dir der Dortmunder mal, wie viel Ahnung von Fußball er allein schon in seinen Oberarmen hat!« Für einen Moment herrscht Stille im Saal. Dann zwinkern sich die beiden Fußballfreunde entspannt zu, stoßen mit ihren bereits halb geleerten Pilstulpen an und genießen ihren Applaus.
Man kennt und erkennt sich. Als an einem anderen Abend zwei ältere Damen mit Lesebrille auf der Nase den Veranstalter bereits am Eingang fragen, ob es denn auch eine »schöne Tasse heißen Kakao« gäbe, sieht man diesem die Verzweifelung deutlich an. Nach der Pause sind die beiden Gewinnerinnen eines Preisausschreibens verschwunden. Niemand scheint sich zu wundern.
Stattdessen erzählt der Veranstalter im Anschluss an den Abend temperamentvoll von seinem letzten Köln-Besuch. Als er vor zwei Jahren mit einem Freund im Supermarkt an der Kasse stand, betrat ein bekannter FC-Spieler den Laden. Ohne zu zögern, löste sich ein etwa achtjähriger Junge hinter ihnen aus der Schlange, ging direkt zum Kölner Fußballstar und trat ihm mit voller Wucht gegen das Schienenbein. Die Leute im Supermarkt machten große Augen. Doch noch ehe der Spieler etwas sagen konnte, stemmte der Junge seine Arme in die Hüften und rief voller Zorn: »Du sollst nicht einkaufen, du sollst trainieren!«
Neulich an diesem Abend im Ruhrgebiet standen zur Pause der Dortmunder mit den großen Oberarmen und der Schalker mit dem Trikot schließlich bei einem alleine an der Theke sitzenden Mann. »Hömma, haben Sie dich hier vergessen oder hast du keine Freunde?«, fragte der Königsblaue gewohnt frei heraus. Der einsame Mann zog ohne ein Wort zu sagen den Reißverschluss seiner Jacke hinunter, deutete auf das Logo in der Herzgegend und sagte: »Ich bin Bayern-Fan!«
Alle drei Fußballbekloppte schauten sich abwechselnd in die Augen und dann wurde herzlich gelacht. Beim nächsten Mal, soviel ist sicher, würden sie wieder eine Geschichte mehr zu erzählen haben.
Autor:Ben Redelings aus Bochum |
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