Blue Nights – in Bochum brennen die Bäume seit mehreren Jahren!

Ja, ich weiß, am Wochenende haben die schwarz-gelben und königsblauen Nachbarn mal wieder gewonnen und auch die rot-weißen Essener machen nur noch Freude - doch es gibt aus Bochumer Sicht einfach zu viel zu erzählen.

Von den drei Ingolstädtern plus weiblicher Begleitung, die am Samstag Bochum unsicher machten und eine Menge Spaß hatten. Von den netten Leuten, mit denen ich während der neunzig Minuten im Ruhrstadion geredet habe. Von der letzten Woche, als ein Bergmann auf der Zeche Hugo mich, den VfL-Fan, mit den Worten begrüßte: »Ach, ihr seid das doch mit dem schlechten Torhüter? Nee, ach was, mit den zwei schlechten Torhütern, ne?!«

Am Samstag fragten sich jedoch alle VfL-Fans nur eins: War dies denn nun endlich der »Tiefpunkt«, der Marianengraben des Absturzes eines Vereins, der seit 1971 ununterbrochen in der ersten und zweiten Bundesliga gespielt hat? Ich persönlich befürchte, wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht gesehen. Das »fallende Messer« ist auch weiterhin im Sturzflug. Rasant. Doch irgendwie ist bei dem Debakel gegen Ingolstadt wohl auch dem letzten Optimisten klar geworden, dass dieser Verein der Scherbenhaufen einer völlig desolaten Beziehung ist. Schuldzuweisungen in alle Richtungen zeugen davon, dass hier etwas grundsätzlich zerstört ist. Es wird Zeit, dass die gepackten Koffer endlich in die teuren Edelschlitten verladen und aus der Stadt hinaus gefahren werden. Es wäre für alle Seiten das Beste.

Denn die Fans müssen ja ohnehin bleiben, wo sie sind und klarkommen mit den Überbleibseln eines einst stolzen Klubs arbeitender Fußballer. Es ist traurig, wie innerhalb kürzester Zeit jegliche Hoffnung und Perspektive im Kern vernichtet wurde. Man weiß gar nicht mehr, wo man anfangen müsste, um eine schnelle Besserung herbei zu führen. Der nach Bosman entemotionalisierte Profisport offenbart beim VfL Bochum momentan seine hässlichste Fratze. Selbstkritik, eine ehrliche, kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Beruf gibt es in diesem Job wohl eh nur noch selten – in Bochum leider gar nicht. Es sind immer die anderen Schuld. Mal die Fans, aktuell die nicht vorhandene Führungsetage. Wenn es denn so ist, dass ein Spieler angeblich am Samstag Anhängern gegenüber geäußert hat, er würde ja gerne seinen Vertrag zurück geben, dann wäre dies ein erster Schritt in die richtige Richtung. An ein tatsächlich so gemeintes und nicht phrasiertes »GEMEINSAM« darf man angesichts der schrecklichen letzten drei Jahre nicht mehr ernsthaft glauben.

Das Gefühl der Machtlosigkeit, dass die Fans im Moment erfahren, erinnert an Menschen, die mit eigenen Augen ansehen mussten, wie ihr Haus mit all den lieb gewonnenen Erinnerungsstücken langsam abbrennt. Noch ist das Feuer beim VfL nicht gelöscht, aber wir alle sollten uns auf den Tag vorbereiten, an dem wir mitanpacken können, um unseren Verein wieder aufzubauen.

Das »Blue Nights« war übrigens einmal ein Amüsierladen für Männer in Ingolstadt, wie einer der Schanzer am Samstag beim Bier erzählte. Heute ist der Laden zu. Wollen wir mal hoffen, dass dies kein böses Omen für meine Blau-Weißen ist. Im Moment brennen auf jeden Fall schon einmal alle Bäume in Bochum.

Autor:

Ben Redelings aus Bochum

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