Auch am Tag, als in New York die Türme fielen, wurde Fußball gespielt!

Als am 11. September 2001 in New York das erste Flugzeug in den nördlichen Turm des World Trade Center raste, lag ich im Aufwachraum eines Bochumer Krankenhauses und gab im völlig benebelten Zustand zwei Schwestern Schnäppchen-Tipps. Die beiden Frauen hatten eifrig über die günstigsten Fitness-Studios debattiert und schauten mich nun mit großen Augen an. Ihre verwunderten Blicke konterte ich noch mit dem Spruch: »Aber ich kann, weiß Gott nicht, erkennen, meine Damen, warum Sie Sport treiben müssten!« Dann verabschiedete ich mich wieder in einen tiefen Schlaf.

Als ich eine knappe Stunde später in meinem Zimmer wach wurde, stand meine damalige Freundin und heutige Frau neben mir am Bett und guckte auf einen Fernseher unter der Decke. Was ich dort sah, verschlug mir den Atem. Immer noch leicht weggetreten, fragte ich sie, warum denn der Fernseher an sei und warum wir ausgerechnet so einen Horror-Trash-Film anschauten? Doch ehe sie antworten konnte, ging die Tür auf und mehrere Männer in weißen Kitteln betraten den Raum. Ausnahmslos blickten alle auf das TV-Gerät. In diesem Moment brach der südliche Turm in sich zusammen. Es war kurz nach 16 Uhr an dem Nachmittag dieses ganz besonderen Tages. Beim Abschied hob einer der Ärzte eher beiläufig die Bettdecke an, schaute auf meine Operationswunde, nickte stumm und gab mir die Hand: »Das hier werden Sie wohl nie vergessen, was?« Er sollte Recht behalten.

Die Bilder des 11. September 2001 haben sich tief ins Gehirn eingebrannt. Und deshalb erinnere ich mich noch gut daran, wie am Abend dieses wach erlebten unendlichen Albtraums tatsächlich der Ball rollte. In der gerade frisch eröffneten Arena Auf Schalke sollte der erste große Feiertag stattfinden. Der FC Schalke 04 in der Champions League gegen Panathinaikos Athen. 52.333 Zuschauer hatten sich auf dieses Spiel gefreut und nun das. Der langjährige Fanbeauftragte Rolf Rojek erinnert sich: »Wir hatten keine Lust mehr zu feiern. Wir hatten auf gar nichts mehr Lust.«

Das Spiel endet 0:2. Es ist eine dieser Niederlagen, die Fans egal ist. Selbst der Perfektionist Huub Stevens kann nicht umhin anzuerkennen, dass da um ihn herum etwas Stärkeres passiert. Er akzeptiert nicht nur die Niederlage, er versteht, dass an diesem Tage die Gedanken nicht frei sind. Fußball ist für einen kurzen Moment nicht mehr das Wichtigste im Leben. In dieser schwierigen Situation findet der Schalker Trainer die passenden Worte: »Ich kann doch nicht einem Spieler ins Gesicht sagen: Warum bist du Mensch geblieben?«

Als am darauf folgenden Wochenende die Bundesliga angepfiffen wird, ist nichts normal. Statt Ballermann-Musik wird »Give Peace a Chance« gespielt und gejubelt wird eher leise. Nur in München vergisst Giovane Elber nicht, auch in diesen tragischen Stunden, dass die Show weitergehen muss. Nach seinem Tor kurz vor Schluss gegen den FC Freiburg bildet er mit den Händen eine Friedenstaube. Eine Geste, die - nach Babyschaukel und Daumennuckeln – seltsam befremdlich wirkt.

Am kommenden Wochenende jährt sich der 11. September zum neunten Mal. Es wird Fußball gespielt werden. Bundesliga-Alltag. Doch es wird kaum einen Menschen in den Stadien der Republik geben, der nicht für einen Moment über die Ereignisse dieses nie enden wollenden Tags nachdenkt. Denn es ist immer noch nicht vorbei. Und jeder weiß ganz genau, wo er war, als es damals begann.

(Fußball am 11. September 2001? Fast unvorstellbar im Rückblick. Wo waren Sie, als es geschah?)

Autor:

Ben Redelings aus Bochum

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