Traditionsreiche Herbstwanderung mit Meinhard Brummack
Sportlich-historische Tour
Schon seit 2003 lädt Meinhard Brummack einmal im Jahr unternehmungslustige Menschen ein zu einem herbstlichen Wandertag. Immer neue Touren führen durch Werden und Werden-Land.
Beim TC Am Volkswald denkt man nämlich nicht nur an den weißen Sport, nach Ende der Medenspielsaison darf es auch gerne eine Entdeckungsreise durch die Heimat sein. Diesmal entfielen der sonst übliche „Boxenstopp“ und das gemeinsame Singen aus voller Kehle. Beides nicht in Einklang zu bringen mit der aktuellen Corona-Schutzverordnung des Landes. Ein paar Tage später hätte die traditionelle Wanderung sogar ganz abgesagt werden müssen. Unter diesen misslichen Umständen war sie mit 22 Personen sogar noch gut besucht. Wanderführer Meinhard Brummack ließ sich vom „Historischen Pfad Werden-Land“ inspirieren und erinnerte daran, dass die nun leider verstorbene Hannelore Kahmann diesen Rundweg 2017 mit dem Werdener Bürger- und Heimatverein realisiert hatte. Brummack ergänzte die Tour noch um weitere Anlaufpunkte und teilte sie in zwei Etappen. An allen Stationen der Tour erklärte Brummack die historischen Zusammenhänge.
2.000 Ausflugsgäste
Kühle, aber trockene Witterung begleitete die Wandernden. Durch den Heidhauser Volkswald ging es zum ehemaligen Rathaus für Werden-Land, das mit Aloys Schaphaus nur einen einzigen Bürgermeister erlebte. Über die Jacobsallee ging es am Heiligenhäuschen von 1721 vorbei bis hin zum Denkmal für den Maler Theodor Mintrop, der viele Jahre auf dem früheren abteilichen Oberhof Gut Barkhoven lebte.
Die evangelische Tagungs- und Begegnungsstätte „Haus am Turm“ übernahm den Namen des 1892 erbauten und mit 23 Metern schon beeindruckenden Kaiser-Friedrich-Turm. Das Gasthaus „Zum Aussichtsturm“ bot einst Platz für 2.000 Ausflugsgäste. Nicht weit entfernt davon fand sich bis zum Ende des 2. Weltkriegs das „Restaurant Pastoratsberg“. Es wurde 1817 auf dem Gelände der karolingischen Ringwallanlage „Herrenburg“ erbaut. Hier auf dem früheren Widuberg hatte das Pastorat der 1817 abgerissenen Clemenskirche seine Heimat. Seit Januar 1958 krönt die Jugendherberge dieses Heidhauser Filetgrundstück. Rund um die Herberge existieren zahlreiche Wanderpfade, die ab 1881 vom Werdener Verschönerungsverein angelegt worden waren. Auf einem dieser Pfade gelangte die Gruppe abwärts.
Der 99-Tage-Kaiser
Kurz vor dem Erreichen der Straße „An der Stadtmauer“ erinnert ein verfallenes Kleingebäude an bessere Zeiten. Schon in den 1930er Jahren gab es am Hang die Trinkhalle „Ruhrblick“ mit zwei Trockenklosetts. Dieser herrliche Aussichtspunkt überlebte nur bis 1976, nachdem das Provisorium bemängelt und der Einbau einer Wasserspülung angemahnt wurde. Nun ist das Gelände verwaist. Nach weiterem Abstieg erreichten die Wanderfans über die Rittergasse und den Platz des ehemaligen Kastells die Ruhr. Die Königsbrücke aus dem Jahr 1853 bekam 1932 eine Nachfolgerin, die 1968 von der Gustav-Heinemann-Brücke abgelöst wurde. Nun ging es in den Werdener Ortskern. Neben dem Romanischen Haus aus dem 12. Jahrhundert mit dem hier unterirdisch verlaufenden Mühlenbach wurde auch der Pelikan-Brunnen von 1910 gestreift. Zeit für ein Päuschen. Die in der nahen Bäckerei georderten Leckereien wurde verteilt. In der Dudenstraße verblüffte die Tatsache, dass die Türme der evangelischen Kirche von 1900 und der katholischen Basilika von exakt gleicher Höhe sind. Der alte Friedhof an der Dückerstraße ist heute ein beliebter Stadtpark für die Werdener. Hier grüßten die Reichsgründer von 1871, die früher auf der Königsbrücke standen. Schnell war das Rondell mit dem Albermann-Denkmal für Kaiser Friedrich III. erreicht. Der 99-Tage-Kaiser hatte Werden als Kronprinz besucht und war hier sehr beliebt.
Spuren hinterlassen
Nun ging es hinauf bis zum Tuchmachersteig. Wo früher Gärten waren, entstand Bauland der katholischen Kirche. Wer bei den Flurprozessionen besonders positiv aufgefallen war, erhielt den Zuschlag. So lästerte zumindest der Werdener Volksmund. Daher rührt wohl auch die liebevolle Bezeichnung als „Gelobt-sei-Jesus-Christus-Siedlung“. Die Firma Forstmann & Huffmann, später Werdener Feintuchwerke, hat bis in die 1960er Jahre bemerkenswerte Spuren in Werden hinterlassen. Die Tuchmacherfamilien haben sehr viel für ihre Belegschaft und die Gemeinde bewirkt. So wurden zum Beispiel 1953 allein 250 Wohnungen für die 900 Beschäftigten verzeichnet. Ein Teil davon ist am Tuchmachersteig noch heute zu sehen. Eine Sensation waren und sind noch heute die Schwedenhäuser. Die Holzhütten entstanden in den 1920er Jahren mithilfe einer Fertigbauweise und wurden, damals noch politisch korrekt, aber doch scherzhaft „Negerdorf“ genannt. Nächste Station der Wandergruppe war das Heiligenhäuschen am Viehauser Berg. Hier verlief die große Werdener Flurprozession. Die lateinische Inschrift bedeutet übersetzt: „Zu Ehren des Heiligen Ludgerus, des ersten Bischofs von Münster, hat dieses Häuschen erbauen lassen der ehrwürdige Pater Stephan Horster, Mönch zu Werden, im Jahre 1721.“ Über Lürsweg, Rebenranke, Wintgenstraße, Velberter Straße, Kathagen, Zahnrad und Brosweg wurde der letzte Programmpunkt angesteuert: die ehemalige Ziegelei Frielingsdorf von 1864, nahe der Quelle des Mühlenbachs gelegen.
Ein leckeres Tröpfchen
Nach neun Kilometern in drei Stunden war der historische Rundkurs geschafft. Zurück am Volkswald hatte Vereinsgastronom Pietro Arcoria mit seinem Team alles vorbereitet, um durstigen Kehlen zu spülen und hungrige Mäuler zu stopfen. So saß man noch mehrere Stunden gemütlich beieinander und Vereinspräsident Heinz Thiemann dankte dem Wanderführer mit einem leckeren Tröpfchen. Meinhard Brummack ließ derweil eine Mappe mit historischen Fotos zu allen 23 Programmpunkten dieser historisch-sportlichen Tour herumgehen. Zudem gab es ein Blatt voller Informationen und mit einer Wegebeschreibung. Im nächsten Jahr wird es den zweiten Teil dieser herbstlichen Wanderung geben.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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