Wieder mehr Wachsamkeit lernen
Attentioner-Grupenprogramm will Aufmerksamkeitssteuerung von Schülern verbessern
Es geht zwischenzeitlich recht laut zu in dem vom Familienzentrum der Jona-Gemeinde angebotenem Attentioner-Kurs. Gerade führt die Gruppenleiterin Petra Kleebolte mit den Schülern Dennis, Fynn und Cedric eine Kinesiologieübung durch. Die Kinder lassen unter Gekicher und Gelächter ihren Oberkörper hängen und schwingen dabei die Arme über Kreuz. Manche tun dies so wild, dass sie zu kippen drohen. „Eigentlich gehören diese Übungen nicht zu dem Programm“, erklärt die erfahrene Diplom-Pädagogin, „ich mache sie aber zwischen den Einheiten des Kurses, da durch die Überkreuzübungen der Kinesiologie erreicht wird, dass wieder beide Gehirnhälften zugeschaltet sind.“
Und schon geht es weiter mit dem von Claus Jacobs und Franz Petermann entwickeltem Kleingruppentraning „Attentioner“. „Ursprünglich wurde das Programm für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS oder ADS konzipiert, ich finde aber, angesichts dem was den Schülern heute abverlangt wird, dass es für jeden gut ist, die Aufmerksamkeit zu trainieren“, erklärt die engagierte Werdenerin. Das Programm, das für Kleingruppen von vier Schülern erstellt wurde, besteht aus 15 Einheiten á 60 Minuten. Während dieser Zeit müssen die Kinder jeweils bis zu vier Aufgaben mit von Woche zu Woche steigendem Schwierigkeitsgrad bewältigen.
Die drei heute erschienenen Schüler, die einzige weibliche Teilnehmerin ist erkrankt, erhalten die Aufgabe eine T-Tabelle aufzuzeichnen. Dann passieren eigentlich drei Dinge gleichzeitig: von einem Tonband werden Begriffe abgespielt, die fünfzehnjährige Hannah, die Petra Kleebolte unterstützt, hält für die Kinder einfache Rechenaufgaben auf Blättern hoch und die Gruppenleiterin läutet in kurzen Abständen ein kleines Glöckchen. Die Kinder erhalten zuvor die Anweisung: „Wird bei der Tonwiedergabe ein Tier genannt, macht ihr links in der Tabelle einen Strich, stimmt eine der Rechenaufgaben nicht, notiert ihr das in der rechten Spalte und wenn ich läute, steht ihr bitte kurz auf.“ Keine leichte Aufgabe, während die Kinder bei schnell vorgetragenen Begriffsreihen wie „Tee, Faulpelz, Menschenaffe, Lausebub oder Pferdekuss“ noch nachgrübeln, was davon jetzt eigentlich ein Tier ist, kriegen sie schon „9-7=2“ angezeigt, müssen entscheiden, ob das richtig ist und reagieren zunächst gar nicht als plötzlich die Glocke ertönt.
„Du solche Übung lernen die Kinder zum einen Ablenkungen besser auszublenden, zum anderen schaffen sie es, effektiver ihre Aufmerksamkeit auf die relevanten Dinge zu fokussieren.“ Und tatsächlich, nachdem zwei- dreimal zwischendurch geklingelt wurde, springen alle bei dem verabredeten Zeichen auf, dazwischen herrscht weitgehend konzentrierte Stille. Doch die scheint nach einigen Sekunden wieder zu kippen, beim Stichwort „Bärenhunger“ brüllt Cedric: „Den hab ich auch!“ Die Übunsgleiterin reagiert sofort, hält eine Karte hoch und ruft: „Rote Karte“. Die Stille kehrt zurück, wissen die Schüler mittlerweile genau, dass ein nochmaliges Auffallen innerhalb der nächsten zwölf Minuten einen Punktabzug bedeutet. Ein gutes Abschneiden bei den Einheiten bringt dagegen Punkte.
Ebenso der Versuch den „Geheimauftrag“ zu lösen. „Dabei handelt es sich um eine bewusst knifflig gestellte Hausaufgabe, die ruhig mit Hilfe des Internets oder auch der Eltern gelöst werden darf.“ Mit diesen Aufgaben werden verschiedene Kompetenzen einstudiert: zunächst wird bereits der Versuch sie zu lösen und das selbstständig daran denken, sie wieder mitzubringen durch Punkte belohnt. Somit wird das eigenverantwortliche Handeln trainiert. „Außerdem sind die Aufgaben zum Teil so schwierig, dass selbst die Eltern nicht mehr weiter wissen.“ Auch das wurde bewusst in Kauf genommen, da so der Umgang mit Frustrationen geschult und gleichzeitig, dem Kind das Ohnmachtgefühl genommen wird, Eltern zu haben, die alles wissen.
Warum das Training so wichtig ist, erläutert Petra Kleebolte: „Die Anforderung drei Dingen gleichzeitig zu folgen, erleben die Heranwachsenden doch heute jeden Tag im Schulalltag z. B. wenn der Lehrer was an die Tafel schreibt, gleichzeitig etwas anderes erklärt und der Mitschüler währenddessen versucht, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen.“ Neue Medien, eine immer schnelllebigere Zeit und bei einigen natürlich auch Anlagen, lassen zudem den Bedarf an solchen Programmen wachsen“, weiß die Übungsleiterin, die auch Kurse für Erst- und Zweitklässler an der Heckerschule anbietet, Autogenes Training lehrt und an zwei Tagen in einem Bredeneyer Lerninstitut Kurse gibt. „Bei allen Angeboten habe ich mich auf die Arbeit mit Kindern spezialisiert“, lächelt die Dozentin, die selbst zweifache Mutter ist.
Der nächste Attentioner-Kurs vom Jona-Familienzentrum startet am 17. März. Er findet fünfzehn mal, jeweils donnerstags zwischen 17 und 18 Uhr, im kleinen Saal der Jona-Kirche statt (Kosten: 135 Euro). Anmeldungen sind direkt bei der Kursleiterin Petra Kleebolte unter der Rufnummer 403428 oder per E-Mail petra.kleebolte@t-online.de möglich.
Autor:Birgit Hölker-Schüttler aus Essen-Werden |
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