Cybermobbing und die bösen Folgen
Im Mariengymnasium ging es am Safer Internet Day um Privatsphäre und Sicherheit in den neuen Medien
Mariengymnasium, zweite Schulstunde, in der Klasse 8c. Lehrerin Irene Franke fragt in die Runde: „Könnt ihr euch vorstellen, wie sich die Lilli fühlt?“ Die Mädchen schweigen bedrückt.
Wohl jeder Teenager hatte schon mit Cybermobbing zu tun, ob als Zeuge, Opfer oder Täter. Zum „Safer Internet Day“ widmet sich das Mariengymnasium den für Kinder und Jugendliche wichtigen Themen „Neue Medien und Sicherheit“. Das dreht sich um Knowhow für junge User, Privatsphäre im Netz oder Fake News. In der 8c geht es um Cybermobbing. Zum Einstieg gibt es einen britischen Kurzfilm. Er macht seelische Verletzungen sichtbar. Völlig ungeschützt und allein steht ein Junge da: zunächst hat er Nasenbluten, dann ein blaues Auge, schließlich einen gebrochenen Arm. Als Maßnahmen werden empfohlen Stoppen, Blocken und Erzählen: „Überlege, bevor du etwas postest. Wenn du gemobbt wirst, blockiere die Person. Melde dies bei Eltern, Lehrern, der Polizei.“
„Ich will doch nur meine Ruhe“
Es ist zugegeben ein fiktives Fallbeispiel. Die Internet-Userin „Lilli15“ schreibt da, irgendwelche „Idioten“ hätten in ihrem Namen Einträge in Internetforen gemacht: „Mal finde ich Hitler gut, dann mal wieder hasse ich alle Lehrer, will mit allen Jungs schlafen, die sich melden…“ Dazu noch ihr Klarname mit Adresse und Telefonnummer: „Bei facebook gab es eine Hassgruppe mit meinem Namen.“ Die ersten Schritte sind durchaus richtig, Lilli spricht mit den Eltern, alle Forenbetreiber werden angeschrieben, diese Einträge zu löschen. Es tauchen aber immer wieder neue auf. Dann kursieren angebliche Nacktfotos von ihr auf WhatsApp: „Mir ist das voll megapeinlich.“ Schlaflose Nächte, Bauchschmerzen, Panikattacken, das Mädchen traut sich kaum noch in die Schule: „Ich fühle mich so miserabel. Dabei will ich doch nur meine Ruhe! Sogar an den endgültigen Weg habe ich schon gedacht.“ Es folgt der Gang zur Psychologin, die Medikamente gegen Angstzustände verschreibt, als letzten Schritt einen Schulwechsel empfiehlt. Wie ist das, wenn man öffentlich derart bloßgestellt wird? Wenn man glaubt, sich nicht wehren zu können? Wenn man nur ahnen kann, wer da anonym Cybermobbing betreibt?
Ehemals beste Freunde
Erst nach und nach öffnen sich die 13- und 14-jährigen Mädchen. Die Klassenlehrerin möchte nun, dass ihre Schülerinnen Begriffe sammeln: Zittern, schlechte Noten, Panik, paranoid sein. Isolation. Die Selbstsicherheit geht verloren, das Vertrauen ist weg. Schlaflosigkeit, Depressionen, Selbstzweifel können zu Selbsthass führen. Die Schülerinnen scheinen zu wissen, wovon sie da reden. Dann sollen die Achtklässlerinnen einen Brief schreiben: „Welche Tipps würdest du Lilli15 geben?“ Die Nummer wechseln? Soziale Netzwerke löschen? „Dann geht das trotzdem immer so weiter.“ Also zu einer Vertrauensperson gehen. Eventuell eine im gleichen Alter. Aber auch zur Polizei gehen: „Wir reden hier von einer Straftat.“ Die Mobber sind ganz oft ganz nah dran. Etwa ehemals beste Freunde. Lehrerin Irene Franke stellt klar: „Einer Freundin das Passwort nicht zu verraten, ist doch nichts Schlimmes. Mein Ehemann weiß meine Passwörter auch nicht. Und ich nicht seine.“ Doch die Briefe an die fiktive Lilli15 enthüllen noch mehr, hier ist Empathie gefragt: „Lerne, dich selbst zu lieben. Ich möchte dir eine Freundin sein, auch wenn wir uns noch nicht kennen. Ich kann mich sehr gut in dich hinein versetzen.“ Es folgt noch der Hinweis auf juuuport.de, eine von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt betriebene Plattform: Hier beraten keine Erwachsenen, sondern speziell geschulte Gleichaltrige, was die Einstiegsschwelle senkt.
Die Stunde verfliegt wie im Nu, die Pause ruft und Klassenlehrerin Franke sagt: „Das ist wirklich eine tolle Klasse, die 8c.“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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