Vereinigte Staaten von Europa? Podiumsdiskussion zur Europawahl im Gymnasium Werden
Felicitas Schönau, Leiterin des Gymnasiums Werden, begrüßte die Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 11 zur Podiumsdiskussion mit Politikern - Thema waren die am 25. Mai anstehendenden Europawahlen.
Felicitas Schönau unterstrich die Bedeutung der Europawahl: „Ziel kann es nur ein stabiles Europa sein. Ich wünsche uns eine ungezwungene Atmosphäre und anregende Diskussionen!“
Moderiert wurde die Runde von den Schülersprechern Vito Heinen und Julia Zahn. Vorweggenommen - die Beiden machten ihre Sache ausgezeichnet - eine faire, ausgeglichene und erstaunlich professionelle Gesprächsführung mit notfalls dem einen oder anderen „in die Parade fahren“, das tat richtig wohl.
Eingeladen waren natürlich alle Wettbewerber, nicht alle Parteien konnten (oder wollten?) der Einladung folgen, doch beeindruckende Politprominenz fand in die pickepackevolle Aula des Werdener Gymnasiums.
Politprominenz
Ein Landessprecher der Linksjugend, ein echter Landesvorsitzender und zwei veritable Europa-Abgeordnete saßen mit den beiden Schülersprechern auf der Bühne.
Daniel Kerekeš begann die Vorstellungsrunde, ist Landessprecher der linksjugend NRW, sieht die Europäische Union als Konstrukt von Banken und Konzernen.
Dr. Renate Sommer sitzt seit 15 Jahren für die CDU im Europa-Parlament, die Diplom- Agraringenieurin befasst sich mit der Lebensmittel-Gesetzgebung, sitzt im Innen-Ausschuss und ist Mitglied der Türkei-Delegation.
Jens Geier ist ebenfalls Europa-Abgeordneter, der SPD-Mann hat Sitz und stimme im Haushaltsauschuss, sein besonders Interesse gilt der Regionalpolitik.
Patrick Schiffer ist NRW-Vorsitzender der Piratenpartei, kümmert sich besonders um die Asylpolitik und das immer wichtiger werdende Thema „Integration“.
Die erste Frage hatte es direkt in sich, denn über die Nach- und Vorteile der EU ließe sich trefflich palavern. Vito Heinen mahnte deswegen größtmögliche Knappheit der Redebeiträge an.
Renate Sommer schwärmte von der EU: „Sie hat unglaubliche Vorteile, ist ein Friedensprojekt, auch der wissenschaftliche Aspekt ist wichtig. Ein gemeinsamer Binnenmarkt ohne Zollgrenzen, Umwelt- und Verbraucherschutz, die sichersten Lebensmittel weltweit, Reisefreiheit, die gemeinsame Währung - Nachteile sehe ich nicht so, höchstens das sich zu sehr ins „Kleinklein“ Einmischen der Bürokratie.“
Auch Daniel Kerekeš findet die europäische Idee großartig, es sei eine originäre Idee der Linken seit über 100 Jahren. Doch die EU habe zu viele fatale Fehler: „Zu viel Rüstungsgüter, die Festung Europa lässt Flüchtlinge ertrinken, das EU-Parlament hat nichts zu sagen - alles wird in der Kommission entschieden!“
Patrick Schiffer bemängelt auch, dass das Europaparlament keine Gesetze einbringen kann: „Beim Zuwachs zusätzlicher Staaten fehlt noch der Rückbau der Nationalstaaten. Im Internet kenne ich keine Grenzen, die in Europa noch viel zu starr sind. Meine Ziele sind ein wirklich ‚grenzenloses‘ Europa, Teilhabe Aller, Kontrolle der Banken, ein Europa der Menschen - die Schere zwischen Arm und Reich klafft zu sehr auseinander!“
Jens Geier sieht das EU-Parlament schon als gleichberechtigten Gesetzgeber: „Es hat schon eine Menge zu sagen - sonst ich würde ich nicht kandidieren! Europa heißt auch, 69 Jahre Frieden in Deutschland. Wir lösen die Probleme mit unseren Nachbarn, statt ihnen den Knüppel über den Kopf zu ziehen. Deutschland wäre ohne die EU nicht Export-Weltmeister.
Nachteile gibt es natürlich auch: bisher wurden noch nicht genügend soziale Standards eingeführt, in vielen Ländern fehlt der Arbeitsschutz, Jobs sind unsicher, es fehlt der Mindestlohn. Auch müssen wir die Steuerschlupflöcher schließen - in Bayern, in Deutschland oder sonst wo!“
Nun war es an den Schülern, sich einzubringen. Sie hatten im Unterricht Fragen zum Thema Europa vorbereitet, vor allem auch jugendrelevante Fragen, und wollten diese nun den Volksvertretern stellen.
Ob Europa zukünftig ein einziger Staat werden solle, wurde eindeutig beantwortet. Jens Geier ist Essener Vorsitzender der „Europa-Union“ und hielt fest: „Ziel sind ‚die Vereinigten Staaten von Europa‘, seit 1925 Forderung der SPD. Aber ob wir das noch erleben? Allerdings behält auch dann jedes Volk seine Sprache, singt seine Lieder, kocht sein Essen!“
„Sollte Griechenland in der EU bleiben?“ Dazu nahm Daniel Kerekeš die Hellenen in Schutz: „Das ist die Entscheidung der Menschen in Griechenland - die Krise wurde verschuldet durch Zockerbanken!“
Patrick Schiffer erklärte auf die Frage nach seinem Verständnis von einem Europa ohne Grenzen: „Die Schlagbäume sind weg, aber in den Köpfen noch da. Nach und nach müssen Kompetenzen wie Rechtsprechung auf europäische Ebene gehoben werden. Aber Europa muss auch seine Grenzen nach außen - Stichwort Lampedusa - öffnen!“
Der mögliche Beitritt der Türkei wird von Renate Sommer kritisch gesehen: „Grundlegende Werte wie Demokratie, Menschen- oder Minderheitenrechte fehlen. So ein Land kann unmöglich in die EU kommen. Solange die Türkei meint, sie brauche sich nicht zu ändern, auf gar keinen Fall!“
Müssten nicht Privilegien wie der Beibehalt des englischen Pfund abgeschafft werden? Jens Geier weiß es genau: „Im Vertrag steht, dass der Euro die Währung der EU ist. Allerdings haben sich einige Länder eine Klausel erbeten. Die neu dazu gestoßenen Länder mussten sich aber dem Euro verpflichten.“
Reante Sommer würde gerne das deutsche Modell der sozialen Marktwirtschaft europaweit einführen und die Sozialsysteme überall ausbauen. Daniel Kerekeš findet das System so sozial nicht: „16 Millionen Deutsche leben in prekären Verhältnissen, kämpfen mit Reallohnverlust.“ So sah das auch Jens Geier: „Immer weniger besitzen immer mehr, während immer mehr immer weniger haben. Da müssen wir einen Riegel vorschieben!“
„Die Welt ist nicht friedlich!“
Die Rolle der EU in der Ukraine? Für Daniel Kerekeš steht fest: „Hier werden nur wirtschaftliche Interessen verfolgt!“ Das sieht Jens Geier anders: „Der bisherige Regierungschef Janukowytsch hat sich benommen wie ein 12-Jähriger. Leider ist die EU sich nicht einig - in einigen Staaten herrscht jedenfalls nackte Angst. Eine militärische Lösung ist aber keine Option!“ Renate Sommer weiß, dass zum Beispiel die Polen sich von Russland bedroht fühlen, das Gleiche gelte fürs Baltikum. Deswegen seien auch weiterhin Abschreckungs-Armeen notwendig: „Die Welt ist nicht friedlich - der Mensch ist nicht friedlich.“
Einig waren sich alle vier Politiker in ihrem Appell an die Schüler: „Gehen Sie auf jeden Fall wählen!“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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