Soll „die alte Tante“ SPD wieder in die GroKo?
Der SPD Ortsverband Werden / Bredeney ehrte langjährige Parteimitglieder
Die SPD ringt mit sich: Doch wieder GroKo? Oder ist das ein NoKo? Beim Ortsverband Werden / Bredeney fand man seine ganz eigene Lösung: es gab GrüKo…
Der Grünkohl dampfte bereits verführerisch, die Redner übten sich im Kurzfassen. In Krüger’s Landgasthaus im Hespertal trafen sich traditionell die Sozialdemokraten, um das Jahr Revue passieren zu lassen und einen Ausblick zu wagen. Auch darf nie die Ehrung der Jubilare fehlen. Es begann mit einer Schweigeminute für Reinhold Schulzki. Der Ortsvereinsvorsitzende Peter Allmang gedachte seines nun verstorbenen Vorgängers, der auch stellvertretender Bezirksbürgermeister war: „Reinhold war ein humorvoller und immer positiv denkender Mensch. Er wäre heute für 50 Jahre Mitgliedschaft geehrt worden. Reinhold wird uns sehr fehlen.“
Verdiente Genossen
Vor 150 Jahren wurde am 23. Juni 1867 auch in Essen eine Abteilung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“ gegründet, Vorläufer der heutigen SPD Essen. Thomas Kutschaty ist ihr Vorsitzender und übernahm die Ehrung zweier Jubilare: „Langjährig verdiente Genossen!“
1977 gab es RAF-Terror. Auch wirtschaftlich war das Jahr bedenklich, im Stahlbereich kamen die ersten Stilllegungen. 1977 trat aber auch Jens Geier als 16-Jähriger in die Partei ein. 1961 in Frankfurt am Main geboren, wuchs Geier im Ruhrgebiet auf, ging in Essen zur Schule und studierte nach geleistetem Zivildienst an der Ruhr-Universität Bochum Geschichte, Literaturwissenschaft und Politik. Machte früh mit in der Partei, war im Juso-Bundesvorstand, beim SPD-Landesvorstand, beim SPD-Parteivorstand, Referent von Björn Engholm. Seit 2009 ist Jens Geier Europa-Abgeordneter und vertritt die Städte Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen sowie die Kreise Kleve, Viersen und Wesel im Europäischen Parlament. Geier zeichne aus, dass er die komplizierten Dinge in Europa so erklären könne, dass man sie endlich auch versteht. Frieden und Freiheit in Deutschland seien das Verdienst eines gemeinsamen Europas.
„Kampf dem Atomtod“
Fast ein wenig ehrfürchtig wurde Kutschaty, als er Alfred Eberhardt die Urkunde „für 60 Jahre treue Mitarbeit bei der Verwirklichung unserer gesellschaftlichen Ziele“ überreichte. Bei den Werdener Feintuchwerken begann Eberhardt als Weber und Kettenscherer, der bringt die Längsfäden in den Webstoff. Der damals 21-Jährige überlegte noch, welche Partei es denn sein sollte. Der Wahlkampf zum Bundestag 1957 wurde schmutzig. Bundeskanzler Konrad Adenauer äußerte auf dem CDU-Parteitag, ein Sieg der SPD würde „Finis Germaniae“, also das Ende Deutschlands bedeuten. Das „Keine Experimente“ zog beim Wähler, die Unionsparteien holten die absolute Mehrheit. Auch in Essen lag die CDU deutlich vor der SPD. 1957 kam auch heraus, dass bereits US-Atomwaffen auf deutschem Boden stationiert waren. Da Eberhardt mit der von der Sozialdemokratie unterstützten „Kampf dem Atomtod“-Friedensbewegung sympathisierte, wusste er genau, wo er hingehört: „Ich habe das Hitlerreich miterlebt. Das darf nie wieder passieren.“ Alfred Eberhardt arbeitete später dann als Sekretär der Gewerkschaft „Textil und Bekleidung“ und saß für die SPD im Werdener Bürgerausschuss, dem Vorläufer der heutigen Bezirksvertretung. Sein „Zwilling“ dort war Hanslothar Kranz von der CDU: „Ich nannte ihn gerne meinen Bruder im Irrtum. Aber mit dem Lothar habe ich mich immer gut verstanden.“
Bittere Wahlniederlagen
Der Grünkohl schmeckte, die Diskussionen hielten an. Es war ein schweres Jahr für die SPD, mit ganz bitteren Wahlniederlagen in Land und Bund. Für die Partei ist Selbstreflektion angesagt, alles muss hinterfragt werden. Dabei möchte „die alte Tante“ SPD dennoch mit Optimismus in die Zukunft sehen. Liegt diese in einer weiteren Großen Koalition? Nun laufen ergebnisoffene Sondierungsgespräche, doch die Euphorie im Saal hielt sich stark in Grenzen. Einerseits wurde die staatspolitische Verantwortung unterstrichen: „Deutschland braucht eine stabile Regierung. Die anderen können es offensichtlich nicht. Wer soll es sonst richten?“ Doch die Verantwortung könne durchaus darin bestehen, im Bundestag eine wirkliche Opposition anzuführen. Andererseits sei Kanzlerin Angela Merkel angeschlagen, bekomme ja offenkundig keine Regierung zusammen, nicht einmal Jamaika: „Bei der Union steht zurzeit nicht die Tür auf, sondern ein ganzes Scheunentor.“ Da könnte man viele sozialdemokratische Projekte durchdrücken. Aber der Tenor blieb fest: „Die GroKo ist abgewählt worden.“ Ein stures „Weiter so“ dürfe es auf keinen Fall geben. In NRW gebe es sowieso keine Stimmung für das Eingehen einer weiteren GroKo. Eher gehe es um den eleganten Ausstieg.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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