Die Flinte nicht ins Korn werfen
Grüne Harfe bewegt die Menschen
Wir befinden uns im Jahre 2011 nach Christus. Ganz Essen ist von Baulöwen
besetzt ...Ganz Essen? Nein! Ein von unbeugsamen Bergvölkern besiedelter Stadtteil hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten…
Die Bürgerinitiative (BI) zum Erhalt der Flächen an der Grünen Harfe kämpft weiter und hat beileibe nicht, wie kolportiert, den Schwanz eingezogen.
Zu einer Diskussionsrunde, einem „Bürgerabend“, hatte die BI eingeladen und viele, viele Betroffene und Interessierte fanden den Weg in die Domstuben. Zunächst verdeutliche Michael Happe sein Vorgehen beim Moderationsverfahren, berichtete von Auftrag des Rats, dem Sammeln von Themen und der jeweiligen Bewertung durch Experten. Zuletzt stellte Happe seinen Kompromissvorschlag vor, der zwar eine Bebauung des Gebietes vorsieht, aber in abgespeckter Version und mit geringerem Versieglungsgrad. Die BI legte ihr Papier vor, dass neben vielen Elementen des Moderator-Entwurfes noch striktere Vorgaben macht, wann eine Bebauung überhaupt denkbar sei (der WK berichtete). In einer letzten Gesprächsrunde soll hier ein Vorschlag für den Rat „gezimmert“ werden. Schon in den ersten Wortmeldungen wurde ein tiefer Argwohn gegen die Stadt und den Besitzer Thyssen-Krupp deutlich. Viele tiefgründige Fragen ließen durchblicken, dass sich hier Menschen mit einer ihnen sonst fremden Thematik befasst haben, um ihre Heimat zu schützen. „Wie kann man Bauträgermaßnahmen verhindern?“ oder „Wie stellt man sicher, dass die angedachten 40 Prozent Grünfläche nicht in etwa zehn Jahren auch noch bebaut werden?“ Schnell wurde auch klar, dass die Werdener Verkehrsproblematik das heißeste Eisen ist, welches schon seit Jahrzehnten auf kleiner Flamme schmorte und nun durch das Moderationsverfahren endlich wieder auf der Tagesordnung ganz oben steht. Auch wurde immer wieder die Notwendigkeit der Bebauung angezweifelt, besonders, nachdem klar wurde, dass Thyssen-Krupp hier eben nicht für seine Mitarbeiter bauen wolle, sondern für den Markt und somit für seine finanziellen Interessen.
Heinz Behrendt , Architekt des Velberter Forums Niederberg, mahnte an, dass auch außerhalb von Heidhausen gigantische Bauprojekte in den Startlöchern stehen und zusätzliche Verkehre nach Werden führen werden. Auch zweifelte er die genannte maximale Haushöhe von zwölf Metern an: „Das wären vier Stockwerke!“ Eine Höhe von sechs, sieben Metern und Gründächer mit vorgeschriebener Neigung von 10 Prozent würden viel fürs Gesamtbild bringen. Behrendt warnte davor, naiv zu sein: „Lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen!“
Die weiter geplanten Bauvorhaben an der Jacobs- und Barkovenallee würden nicht thematisiert, warnte Anwohnerin Ursel Weyer, dort sollen ja auch reichlich Einheiten entstehen: „Wenn Thyssen-Krupp schon zurück rudert, warum dort nicht auch die Stadt Essen?“
Dankbar könne man den „Kruppianern“ schon sein, besonders der Stiftung, die viel Gutes tue. Doch warum der Kompromiss sein müsse, im Grunde nur wegen pekuniärer Interessen, dies leuchtete wohl keinem der Anwesenden ein.
Hier fanden die Ortspolitiker ins Gespräch.
Dr. Frank Roeser legte nach, gab ein emotionales Statement ab, verwahrte sich gegen den Eindruck, alles sei zur Zufriedenheit erledigt und der Kompromiss schon Fakt: „Ich wehre mich weiter gegen diese Dackelgaragen und andere Scheußlichkeiten. Mit mir gibt es keine Bebauung, das ist ja auch meine Heimat!“ Zusagen könnten schnell zu den Akten gelegt werden, wenn denn zum Beispiel „eine Heuschrecke Thyssen-Krupp gefressen hat“. Und dann wäre nichts mehr zu retten.
Gerald Janke von den Linken sieht sich den Bürgern und ihrer Initiative verpflichtet, wäre persönlich dafür, dass die gesamte Fläche als Landschaftsschutzgebiet gesichert würde: „Aber wenn schon Bebauung, dann bitte darauf achten, dass kein Jota von den Forderungen der BI abgewichen wird“.
Peter Maas als Grüner hatte erwartungsgemäß einen schweren Stand, musste er doch erklären, warum vor Ort, Maas allen voran, die Grünen strikt gegen eine Bebauung der Grüne Harfe sind, im Rat aber anderes Abstimmverhalten zu erwarten sein wird. Hier gäbe es Dissens, seine Überzeugungsarbeit wirke nicht bei allen Ratsfrauen und -herren, dies sei ihm auch peinlich, merkte der Umweltschützer an: „Wenn es nach mir ginge, würde nicht gebaut!“
Bezirksbürgermeister Dr. Michael Bonmann (CDU) gab zu, dass auch er, wie mittlerweile alle Bezirksvertreter, gegen die Bebauungspläne sei. Doch das Wichtigste wäre nun mal das vermaledeite Verkehrsproblem, erst nach der Lösung könne man über Anderes nachdenken. Die BI bekam ein dickes Lob: „Sie haben durch ihren hartnäckigen Widerstand verdammt viel erreicht, aber man darf den Bogen nicht überspannen“. Denn die Mehrheitsverhältnisse im Rat solle man nicht unterschätzen, deswegen sähe er im Vorschlag von Herrn Happe gute Möglichkeiten.
Auf die Frage von Wallburga Fleischer, was denn an der Moderationsrunde so „ergebnisoffen“ sei, antwortete Michael Happe sachlich, dass der Auftrag der Stadt eben dies beinhalte, er gesehen hätte, dass absolute Einigung nicht möglich sei und er deswegen einen für alle Beteiligten tragfähigen Kompromiss unterbreiten wolle. Ohne diesen Vorschlag käme es doch nur wieder zu „Hauen und Stechen“, außerdem könne der ganze Prozess dann in eine gänzlich andere Richtung laufen, doch da wolle er nicht spekulieren. Auf seine zarte Andeutung, hier würde es zu oft emotional, konterte eine Anwohnerin: „Wenn das Thema nicht emotional wäre, wären wir alle doch gar nicht hier!“
Dr. Pomp von der BI stellte „an die Hausfrauen unter ihnen“ die Frage: „Was tun sie, wenn die Milch überkocht? Den Herd noch mehr aufdrehen und Milch dazu schütten? Oder nehmen sie den Topf von der Platte, damit nicht Schlimmeres passiert?“
Die angestrebte und auch dringend nötige Entlastung des Verkehrs um mindestens 25 Prozent soll nach Ansicht Aller bereits vor weiteren Baumaßnahmen umgesetzt werden, denn ein nachhaltiges Verkehrskonzept für den Innenstadtbereich von Werden fehlt immer noch. Und eine parallele Herangehensweise lehnten alle Bürger ab: „Zug um Zug muss es gehen. Es ist Pflicht und Schuldigkeit der Politik, zunächst die akuten Probleme zu lösen“.
Diesen Ansatz sah auch Ratsherr Freye (Linke), der auf völlig ungeklärte Verhältnisse im Rat verwies und deutlich machte: „Die Räte entscheiden und nicht Thyssen-Krupp!“ Freye zollte der BI Respekt: „Sie haben die Chance genutzt, die Verkehrsproblematik wieder zum Thema zu machen. Da muss man jetzt dranbleiben. Der Kompromissvorschlag kommt dem Eigentümer sehr, sehr entgegen!“
Und wenn die angestrebten Lösungen nicht kommen? Dann kann sich die Stadt Essen wohl schon auf eine Klageflut einstellen. Denn die Umwidmung der Bürgerinitiative in eine Klagegemeinschaft ist angedacht und die Anrufung des Oberverwaltungsgerichtes Münster in einem Normenkontrollverfahren könnte jeden Bebauungsplan kippen. Wie sagte Architekt Behrendt? „Sie können klagen und Sie werden gewinnen!“ Das Schlusswort hatte Ludger Hicking von der BI: „Wir werden jetzt nach zehn Jahren gewiss nicht die Flinte ins Korn werfen!“
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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