Förster Armin Wuttke führt durch den Kettwiger Stadtwald

„Dort oben könnte sich ein Spechtloch oder gar der Horst eines Bussards befinden!“ Förster Armin Wuttke bei der Wald-Führung mit interessierten Kettwiger Bürgern.
  • „Dort oben könnte sich ein Spechtloch oder gar der Horst eines Bussards befinden!“ Förster Armin Wuttke bei der Wald-Führung mit interessierten Kettwiger Bürgern.
  • hochgeladen von Daniel Henschke

„Ein besonders emotionales Thema. Es ist schön, dass unser Wald den Bürgern genauso am Herzen liegt wie uns. Aber einige Übereifrige schießen über das Ziel hinaus!“

Eckhard Spengler vertritt Grün und Gruga und weiß, was in den letzten Jahren alles auf die städtische Forstwirtschaft einprasselte. Wüste Beschimpfungen, die in einer Strafanzeige gegen einen Förster gipfelten.
Der Deutsche Wald ist halt ein ganz besonderes Phänomen. In uns allen ist im Kern eine romantisch-verklärte Liebe zum „finstren Tann“ oder „heimeligen Hain“ angelegt. Wohlgemerkt, auch bei Menschen, die sonst nie einen Fuß in einen Wald setzen. Dort findet allerdings das Geschäft der Förster statt - Tag für Tag, bei Wind und Wetter. Und die müssen sich jetzt rechtfertigen, sie würden den Essener Wald „abholzen und dann verscherbeln!“
Kopfschüttelnd steht Armin Wuttke bei seiner Führung im Kettwiger Stadtwald und meint nur sarkastisch: „Ich bin noch zehn Jahre Förster. Da wäre ich ja falsch beraten, wenn ich mir meine Arbeitsstätte wegholzen würde!“

Keine „Rodungen“

Begriffe werden geklärt, ein erzürnter Bürger spricht von massiven Rodungen, dem hält Wuttke nur entgegen: „Unter Rodungen verstehe ich aber Baum-Entnahme mitsamt der Wurzel - das machen wir doch gar nicht!“ Die vielen Markierungen an den Bäumen, kommen die jetzt alle weg? „Nein“, schmunzelt der Fachmann, „Zum Beispiel die grünen Striche sind nicht von uns - da üben Hundeführer mit ihren Tieren, die haben ihre Strecke markiert.“ Punkte bestimmen die Bäume, die fallen sollen, und zwar nach ganz strengen Regeln: „Zunächst habe ich eine Artenschutzprüfung durchgeführt und dann mir genau angeschaut, ob es in dieser Fläche sogenannte ‚Habitat-Bäume‘ gibt. Die haben eventuell ein Spechtloch oder einen besonderen Pilz, beherbergen vielleicht sogar den Horst eines Bussards. Die dürfen stehen bleiben, obwohl sie krank sind und in Würde ‚sterben‘. Doch damit sie dies können, entfernen wir behutsam umliegende Bäume. Sie dürfen nicht vergessen, die Bäume befinden sich in einem harten Konkurrenzkampf untereinander, gerade in unseren Wäldern setzt sich die Buche durch, macht allen anderen Arten das Leben schwer!“ Das Konzept sieht vor, mehr Licht in den Wald zu bringen. Bäume wie etwa der Bergahorn, der mehr Licht braucht, sollen gefördert werden. Die, die sie „bedrängen“, also in der Nähe stehen, sollen entfernt werden.

Gefahren-Bäume

Außerdem müssen natürlich an Grenzen des Waldes, bei Straßen, Bebauung, Eisenbahntrassen, Schulen, Kitas und so weiter Gefahrenbäume entnommen werden, die Menschen gefährden könnten. Immerhin hat Essen 530 Kilometer Waldflächengrenzen - eine grüne Stadt! Dort setzte ja auch die Kritik an, die Stadt Essen sähe den Wald nur als Abholzlager, um sich in Zeiten steigender Preise eine goldene Nase zu verdienen. Genau anders herum sieht es aber aus: „Durch Bombensplitter aus dem letzten Krieg sind viele Bäume nicht zu verkaufen, da würde dem Sägewerk die Säge kaputt gehen!“ Außerdem ist der Marktpreis ausgerechnet bei Buchen zurzeit im Keller, und diese Art dominiert den Essener Wald nun mal extrem.
Also merken wir uns: „Bäume mit einem Kringel dürfen stehen bleiben!“ Mit einem Nagel angetackerte weiße Plättchen sind übrigens zur Linienführung sogenannter „Rückegassen“, dort, wo mit einem Mindestabstand von 40 Metern, die geschlagenen Bäume zum Abtransport gezogen werden. „Warum werden dafür keine Rückepferde genommen?“ Zunächst einmal wäre es an vielen, steilen Stellen schlicht und einfach Tierquälerei. Zudem würden die Pferde ja auch auf dem Waldboden herumtrampeln, ihn verdichten, wohingegen schwere Maschinen auf dem befestigten Weg stehen müssten und die Baumstämme mit langen Seilen gezogen würden.
Empörte Bürger sammelten Unterschriften gegen die „Abholzung von über 4.000 Festmetern“, da gab es ein Missverständnis, so Wuttke: „Die größte Menge wurde bereits im Wirtschaftsjahr 2013 entnommen, für das Wirtschaftsjahr 2014, das jetzt am 1. Oktober beginnt, sind nur 1.200 Festmeter vorgesehen.“ Und wieviel Bäume sind das jetzt? Kann man so nicht sagen, manche „Riesen“ ergeben bis zu drei Festmetern, kleinere natürlich entsprechend weniger. Voraussichtlich 1.000 bis 4.000 Bäume werden also fallen, immer noch eine stolze Zahl.
Die Kettwiger Bürger sind nun deutlich informierter, aber nicht beruhigter, zu tief sitzt der Argwohn. Susanne Berger von den Grünen sitzt in der Bezirksvertretung und hält fest: „Wir hoffen, dass durch diesen Termin und die Berichterstattung die Entnahmen von Seiten der Förster noch ein wenig genauer überlegt werden, damit der Wald auch weiterhin ein erholsamer Wald bleiben wird, der diese Bezeichnung auch verdient und im Sommer möglichst viel Schatten spendet.“

Erholungs-Dauerwald

In Essen wird der sogenannte „Erholungs-Dauerwald“ angestrebt. Der als „Baum-Professor“ charakterisierte Dr. Volker Dubbel von der Fachhochschule Hildesheim begleitete den Prozess der Bürgerbeteiligung, informierte, verhalf interessierten Bürgen zu so viel Fachwissen, dass sie mitentscheiden konnten. Grundlage war das Drei-Säulen-Modell der Schwerpunkte „Ökologie“, „Ökonomie“ und „Soziales“. Die Bewertung ergab zwei Hauptanliegen der Essener Bürger: Naturschutz und Erholungsfaktor, Einnahmen durch Verkauf wurden als nicht so wichtig bewertet. Diese Ziele sieht Dubbel im Verfahren des „Hochwaldes“ gewährleistet, der sich von anderen Betriebarten wie etwa „Niederwald“ und „Mittelwald“ durch den Erhalt von Baumriesen auszeichnet. Die Formen „Schlagweiser Hochwald“ und „Plenterwald“, hierzu fehlen die Fichten und Tannen, passen in Essen nicht, aber der „Dauerwald“.
Zudem soll er erholungsorientiert sein, da viele Essener ihre Grünflächen zum „Durchatmen“ nutzen. Ein Dauerwald zeichnet sich aus durch fehlende Kahlschläge, das heißt, keine geschlagene Baumgruppe ist größer als 0,25 Hektar - also eine Fläche von 50 Mal 50 Metern. Ein solches „Loch“ gilt nicht als Kahlschlag, weil kein boden- und baumschädliches Freiflächen-Klima entsteht.

Der „Wald-TÜV“

Überprüft wird vom „Wald-Tüv“, einem unabhängigen Institut, welches nach dem strengen FSC-Standard untersucht, ob die Stadt Essen in Sachen Naturschutz, aber auch Arbeitsschutz, ihre Hausaufgaben gemacht hat. Moniert wurden der unsichere Hochsitz eines Jagd-Pächters, die fehlende Ausbildung in „Astung von Nadelhölzern“ und die Überprüfung, ob die beauftragten Unternehmer ihre Arbeiter wirklich tariflich entlohnen. Außerdem hatten die Essener in einer Rückegasse Pfützen stehen lassen, um Bergmolch-Laich und Erdkröten zu schützen. Dies wurde moniert, in Zukunft sei darauf zu achten, dass die Wiederherstellung unmittelbar nach Abschluss der Rückearbeiten erfolgt. Elmar Seizinger vom FSC, „Forest Stewardship Council“, einem weltweit renommierten Öko-Label, hat diese Prüfung neutral begleitet und ist zuversichtlich: „Essen wird das FSC-Zertifikat wieder bekommen!“
Die zertifizierte Forstfläche beträgt stolze 1.745 Hektar, hat ein jährlichen Zuwachs nachwachsender Bäume von 10.000 Kubikmetern, entnommen werden zurzeit pro Wirtschaftsjahr nur etwa 5.500 Kubikmeter. Der Essener Wald schrumpft also nicht, sondern wird ein wenig „mehr“.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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