Scheinheiliges Schmarotzertum
Theater im werden zeigt entlarvende Gesellschaftskritik von Anouilh
Seit 1984 erfreut die Laiengruppe „theater im werden“ einmal im Jahr die Abteistädter mit ihren Stücken. Stand im letzten Jahr noch eine Kriminalkomödie von Agatha Christie auf dem Spielplan, sollte es in diesem Jahr wieder etwas Ernsthafteres sein. „Wir wollten jetzt mal wieder weg vom Boulevardstück und haben uns für die Tragikomödie „Das Rendezvous von Senlis“ von Jean Anouilh entschieden“, erläutert Stephan Pfeiffer. Er hat offiziell die Regie übernommen, nachdem Manfred Braumann, der jahrelang die Truppe geführt hat, im Mai beim Besprechen des diesjährigen Stückes aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt angekündigt hatte. „Wir mussten etwas finden, dass auch zu unserer Truppe, mit drei Männern und sechs Frauen passt. Meine Tochter Sophia ist auf das Stück von Anouilh gestoßen und fand es genau richtig, weil es zwar ein ernsterer Stoff ist, der aber dennoch viele komische Elemente bietet.“
In dem Stück geht es um den Lebemann Georges Delachaume, der seit über fünf Jahren mit der wohlhabenden Henriette verheiratet ist, die er nicht liebt. Gezwungen wurde er von seinen verarmten Eltern zu dieser Ehe, die es ihnen ermöglicht, im Haus Henriettes und mit deren Geld ihr gewohnt luxuriöses Leben weiterführen zu können. Georges flüchtet in zahlreiche Affären aus dieser für ihn unerträglichen Situation, wobei er selbst vor Barbara, der Frau seines besten Freundes Robert nicht zurückschreckt, der wiederum diese Liaison stillschweigend duldet. Beide wohnen ebenfalls seit nunmehr zwei Jahren mit Georges und Henriette unter einem Dach.
Als Georges das junge, natürliche und vor allem ehrliche Mädchen Isabelle kennen lernt, wird er sich seiner eigenen Lebenslüge bewusst. Doch zunächst zu schwach, um die Konsequenzen daraus zu ziehen, erfindet er für Isabelle eine Parallelwelt, mietet ein Haus in Senlis und engagiert obendrein zwei Schauspieler, die in die Rolle seiner Eltern schlüpfen sollen. Ob dieses hastig erbaute Kartenhaus bestand hat, können die Zuschauer bei zwei Aufführungen im Gymnasium Werden herausfinden...
Mit den Proben hat die Gruppe vor den letzten großen Ferien begonnen und sich seither einmal wöchentlich zum gemeinsamen erarbeiten des Stücks getroffen. So ist zwar Stephan Pfeiffer offiziell der Regisseur, dennoch betont er: „Wir machen aber eigentlich alles in Teamarbeit, jeder kann seine Ideen reinbringen.“ Ideenreich ist auch Sieglinde Haß, die diesmal keíne aktive Rolle spielt, dafür aber ihren ganzen Elan in die Gestaltung des Bühnenbilds gelegt hat. „Ich hatten einen schönen Salon der dreißiger Jahre im Kopf und habe als Tapeten edle Stoffbahnen zusammengenäht, rote schwere Stoffe für die Ränder genommen und sie mit großen Weihnachtsschleifen dekoriert, hier ist eben Fantasie gefragt“, lacht sie. Auf der Bühne stellen sich derweil die ersten Schauspieler in Positur. Barbara, dargestellt von Daniela Francese und ihr Ehemann Robert (Stephan Pfeiffer) treffen in der Wäschekammer des Hauses aufeinander. Als beide Schauspieler ansetzen, erhalten sie von den anderen Mitgliedern der Truppe sofort die Anweisung lauter zu sprechen. Fortan wird der Schlagabtausch der beiden Eheleute deutlich hörbarer fortgeführt. Später kommen noch Gerd Elfring und Elisabeth Czinki hinzu, die in dem Stück witzigerweise sowohl die echten Eltern von Georges, als auch die drittklassigen Schauspieler, die seine Eltern vor Isabelle darstellen sollen, geben. Kein Problem für eine so erfahrene Aktrice wie Elisabeth Czinki, die seit Beginn der Theatertruppe dabei ist: „Als Schauspieler-Mutter gebe ich mich total überdreht und kichere viel, als echte Mutter führe ich die Regie und habe die Fäden in der Hand“, freut sie sich über die Doppelrolle. Dennoch gehört für die meisten von ihnen das Lampenfieber vor den Aufführungen dazu. So erklärt Isabelle-Darstellerin Sophia Pfeiffer: „Es ist zwar nicht so schlimm, wie bei meiner Examensprüfung, dennoch habe ich jetzt schon ein paar mal nachts von meinem Auftritt geträumt.“
Info:
Das Stück „Das Rendezvous von Senlis“ von Jean Anouilh wird jeweils freitags, am 1. und am 8. April aufgeführt. Beide Vorstellungen beginnen um 19.30 Uhr. Karten zu 8 Euro (ermäßigt 4 Euro) sind an der Abendkasse und bei den Buchhandlungen Folgner und Schmitz erhältlich. Der Erlös der Vorführungen ist auch in diesem Jahr für den Verein der Freunde und Förderer des Gymnasiums Essen-Werden bestimmt.
Autor:Birgit Hölker-Schüttler aus Essen-Werden |
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