ruhrtriennale 2012 (Kunst): "12 Rooms" im Museum Folkwang
Da staunten viele Besucher nicht schlecht: selten hatten sie eine so interaktive "Ausstellung" erlebt. Auch am letzten Besuchertag war "12 Rooms" gut besucht und machte Lust auf mehr Ruhrtriennale.
"Untitled" von Xavier Le Roy:
Im ersten Raum wurde es direkt düster - im wahrsten Sinne des Wortes! Die Tür war so befestigt worden, dass lediglich ein wenig Licht hineinfiel. nach wneigen Schritten stieß man bereits auf die ersten Besucher, die es sich auf dem dunkelgrauen Teppichboden bequem gemacht hatten und wie gebannt in eine Ecke starrten. "Was ist denn da?" fragte so mancher Neuzugang, ohne ein Antwort zu erhalten. Also: erstmal selbst gucken. Gar nicht so leicht, braucht es doch eine Weile, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Und dann, plötzlich: Da bewegt sich was! Zwei scheinbar kuschelnde Figuren, von Kopf bis Fuß in dunkelgrau gehüllt, saßen ineinander verschlungen in der Ecke.
"Mirror Check" von Joan Jonas:
Im nächsten Raum erwartete die Besucher nun das krasse Gegenteil: bei voller Beleuchtung sah man einer Dame zu, wie sie sich - nackt - vom Scheitel bis zur Fußsohle mit einem Handspiegel betrachtete. Während die Zuschauer gebannt diesem Spiel von Grazie und schonungsloser Offenlegung bewohnten, herrschte völlige Stille. Besonders am Schatten des "Kunstobjekts" ließ sich eine fast schon tänzerische Leichtigkeit ablesen.
"Ann Lee" von Tino Sehgal:
Kaum befinden sich Zuschauer im Raum, beginnt das junge britische Mädchen mit ihrem Monolog - doch halt, redet sie etwa mit UNS? Der Monolog über das Individuum in der Kunst, in der Gesellschaft, verwandelt sich fließend in einen Dialog, Besucher beantworten Fragen, die das leicht weggetreten wirkende junge Mädchen stellt. Und prompt verlässt sie auch den Raum und lässt ein paar verwirrt dreinschauende Teilnehmer im Raum stehen.
"Men=flesh/Women=flesh" von Laura Lima:
Nanu, was ist denn da los? Kriechen da etwa kultivierte Museumsbesucher auf dem Boden herum? Der nächste Raum ist nicht betretbar, sonder lediglich durch einen Schlitz einsehbar. Der Grund, weshalb sich viele Damen in Stöckelschuhen und Rock neben Herren in Polohemd und Stoffhose auf dem Boden wälzen, ist eine Person, die in einem nur 50 Zentimeter hohen Raum ihr Dasein fristet. Erstaunlich gut gelaunt reicht "die Kunst" uns die Hand, hält Pläuschchen mit den Besuchern. Ist doch alles ganz normal, oder?
"Luminosity" von Marina Abramovic:
Im Rampenlicht steht hier eine Person, die in einer Pose die Leonardo DaVincis "Der vitruvianische Mensch" anmuten lässt, auf einer Art Fahrradsitz mit Stützen für Füße und Hände. Still verharrt das Kunstobjekt - natürlich wieder nackend - in dieser Pose, nur hin und wieder werden die Arme leicht abwärts bewegt. "Das sieht extrem unbequem aus" flüstert ein Herr seiner Begleitung zu - Kunst tut eben manchmal weh.
"In Just a Blink of an Eye" von Xu Zhen:
Der Begriff "lebende Statue" fällt auf den ersten Blick ein, wenn man das "fallende" Kunstobjekt in der Mitte des Raumes sieht. Was sich wohl unter der weiten Kleidung verbirgt? Doch sicherlich eine Art Gestell, die diese unmöglich Pose doch noch möglich macht. "Ist das eine Wachsfigur" erklingt es aus einer Ecke des Raumes - und da blinzelt das Kunstobjekt.
"Future / Perfect" von Simon Fujiwara:
Ein Solarium. Ein knackiger Mann in knapper Badehose. Während er vor sich hinbrutzelt, um den perfekten Teint zu haben, redet er über sein Headset mit einem Bekannten: "Ich gehe nachher noch zum Friseur. Ja, natürlich ist der gut. Komm mit, dann kriegst auch du eine perfekte Frisur!" Die Zukunft, in der eben alles perfekt ist - zumindest von außen.
"Revolving Door" von Allora & Calzadilla:
Eine menschliche Drehtür bewegt sich in dem runden Raum - Eintreten auf eigene Gefahr! Und trotzdem trauen sich viele Besucher, an dem Experiment teilzunehmen. Die "Tür" bewegt sich jedoch nicht nur in eine Richtung, oder gar immer in einer geraden Linie - manch einer wird eingekeilt, verharrt, oder wird ohne Rücksicht auf Verluste weitergedrückt.
"Room Tone" von Lucy Raven:
Hier wird ein Ton-Experiment durchgeführt, das am Ende die Präsenz im Raum einfängt, statt die "eigentliche" Aufnahme. Der Raum verändert sich - durch unregelmäßigen Besucherfluss - ständig. So ist jede Aufnahme anders, einzigartig.
"Unrealised Proposal for Cadavre Piece" von John Baldessari:
Statt eines Raumes findet der Besucher hier lediglich Email-Korrespondenzen, die an eine Wand geheftet wurden und von dem Projekt handeln, das nie realisiert wurde - wohl weil ein Kadaver hier die Hauptrolle gespielt hätte. Oder war es nie die Absicht des Künstlers, und er wollte nur die Reaktionen auf seine Provokation sehen? Wir werden es wohl nie erfahren.
(Dies ist der Grund, weshalb es keine "13 Rooms"-Ausstellung war)
"Veterans of the wars of Yugoslavia, Bosnia, Kosovo, Serbia, and Somalia facing the corner" von Santiago Sierra:
Er steht in der Ecke, wie das früher die unartigen Kinder in der Schule mussten. Seine Mimik ist starr, sein Ausdruck leer. Seine Scham scheint auch viele der besucher zu bewegen - und anzustecken. In keinem anderen Raum der Ausstellung stellt man eine so hohe Besucherfluktuation fest; wenige Besucher ertragen das Gewicht der Aussage, die hier gemacht wird.
"Hans, Georg / Esther, Anna / Marian, Julian" von Damien Hirst:
Eigentlich ist in diesem Raum doch alles identisch, oder? Eineiige Zwillinge, in derselben Kleidung, dasselbe Buch lesend, auf denselben Stühlen sitzend... Nein, Halt, Stop: die Punkte an der Wand sind anders! Und lesen die zwillinge nicht auf unterschiedlichen Seiten? Manchmal lohnt eben ein zweiter Blick, um hinter die Fassade zu blicken...
"Swap" von Roman Ondák:
Die Ökonomie des Tauschens: wie funktioniert sie? Spielen Emotionen eine Rolle? Oder lediglich Vorlieben einzelner Individuen? Ein ständiger Dialog, ein bisschen wie in der Philosophie-Vorlesung, ein bisschen wie auf dem Marktplatz, findet hier statt. Das Wichtigste jedoch: alle Beteiligten hatten Spaß.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ausstellung "12 Rooms" im Museum Folkwang ein großartiger Auftakt zu der Ruhrtriennale 2012-14 war und Lust auf mehr Hochkultur dieser Art macht.
Autor:Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen |
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