Können Sie nicht auch draußen spielen?

„Um es direkt Vorweg zu nehmen - die Antwort auf diese häufig gestellte Frage lautet Nein! Ein professionelles Akkordeon ist nicht besonders geeignet für den Open Air - Einsatz. Einige Elemente sind aus zartem Papier, andere aus Leder. Bei Feuchtigkeit beispielsweise könnten größere Schäden entstehen!“

Also kein Einsatz auf dem Volksfest mit der „Quetschkommode“? „Auf keinen Fall“, lacht Mie Miki, Professorin für das in Deutschland häufig im Bereich „Volkstümliche Musik“ angesiedelte Akkordeon. „In Deutschland haben sie immer diese lustigen Begriffe für Akkordeon - aber bei dem klassischen Akkordeon handelt es sich um ein wirklich ernstzunehmendes Instrument!“
Bereits seit 30 Jahren ist die gebürtige Japanerin an Hochschulen im Bereich „Ihres“ Akkordeons tätig - eine asiatische Akkordeon-Spielerin? Wie kam im fernen Asien ein kleines Mädchen darauf, das Akkordeonspielen zu lernen?
„Als ich zirka zwei Jahre alt war, haben meine Eltern mir ein Spielzeug-Klavier geschenkt. Und ich habe dann alle möglichen Lieder nachgeklimpert. Ein gewisses musikalisches Talent haben meine Eltern darin erkannt. Mein Vater wollte aber auf keinen Fall, dass ich beispielsweise richtig Klavierspielen lerne. Er war davon überzeugt, dass im Bereich ‚Professionelle Musik‘ einfach zu viel Konkurrenz und Missgunst vorherrschen. ‚Musik soll Harmonie bringen‘, hat er immer zu mir gesagt - und entschieden, dass ich das Akkordeonspielen erlernen soll. Ein schönes Instrument für Picknick oder Party - aber eben nichts, was man professionell spielen kann.“
Da hatte der Vater allerdings die Rechnung ohne seine ehrgeizige Tochter gemacht. Sie blieb am Ball - und bereits mit 13 Jahren kam sie das erste Mal nach Deutschland, um bei einem speziellen Seminar ihr Spiel noch zu verbessern. „Es gab damals nur die Möglichkeit nach Moskau oder nach Trossingen zu gehen. Meinen Eltern war die Sowjetunsion unheimlich - und so ging ich nach Deutschland.“ Knapp drei Jahre später kam sie wieder, um zu studieren. „Meine Eltern haben mir damals Schilder gebastelt - eine Seite auf Japanisch - eine auf Englisch. Die konnte ich dann jeweils hochhalten, wenn ich irgendwas brauchte. Da stand dann drauf: „Ich habe Hunger“ oder „Wo ist die Haltestelle“. Als ich in den Flieger stieg hatte ich die alle umhängen - das muss sehr lustig ausgesehen haben.“
Und wie steht sie heute zu ihrem Geburtsland Japan - warum ist sie in Deutschland geblieben? „Ich habe geheiratet - eine deutschen Pianisten. Und ich hatte mich an Deutschland gewöhnt. Auch wenn ich finde, dass in Japan einiges besser läuft. Ich musste mich beispielsweise erst einmal daran gewöhnen, dass man in Deutschland nicht rund um die Uhr einkaufen kann.“
Die Faszination für ihr Instrument ist bis heute geblieben: „Man geht mit dem Akkordeon einfach eine sehr starke und auch körperliche Verbindung ein - es liegt beim Spielen sehr nah am Körper. Bewegt man es, ist das ein bisschen, als würde es atmen. Und glauben Sie mir, geschulte Ohren hören, ob der Spieler zum Beispiel nervös ist - dann zittert auch der Ton!“ Viel Geld könne man für ein richtiges Profi-Instrument ausgeben, fährt die Fachfrau fort - ihres hier koste beispielsweise 50.000 Euro. Insgesamt besitze sie zwei - das wäre völlig ausreichend. „Es sind ja doch keine kleinen Instrumente. Gerade auf Reisen merke ich das - und beneide manchmal doch ein wenig die Musiker, die sich für die Querflöte entschieden haben.“

Autor:

Julia Colmsee aus Essen-Süd

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