Deutscher Pavillon auf der Biennale Venedig 2015
Kurator Florian Ebner präsentiert mit dem Museum Folkwang und dem ifa sein Konzept des Deutschen Pavillons für die Biennale di Venezia 2015.
Beteiligte Künstler: Olaf Nicolai, Hito Steyerl und Tobias Zielony sowie das Künstlerpaar Jasmina Metwaly / Philip Rizk.
Migrierende Bilder verspricht der Kurator Florian Ebner für die internationale Kunstschau und hat dazu hochkarätige Künstler aus der Foto- und Filmszene verpflichtet.
Die Biennale di Venezia startet am 7. Mai 2015 - vorab gab es am 24.10.14 schon erste Ankündigungen und Absichtserklärungen im Museum Folkwang Essen.
Das Museum Folkwang ist nicht nur die Arbeitsstelle des frisch gekürten Biennale-Kuratoren Ebner, es ist auch Hort einer über Jahrzehnte aufgebauten zeitgenössischen Foto- und Filmdokumentation. Der Museumsdirektor Tobia Bezzola betont, dass sein Haus über viele Jahre den hohen Stellenwert der Fotografie stets neben Malerei und Bildhauerei gewürdigt habe und daher auch für die Präsentation und Reflexion von Foto- und Filmkunstwerken bekannt sei.
Florian Ebner wurde 2012 Leiter der Fotografischen Sammlung des Museums Folkwang und erlebt durch die Berufung zum Kurator des Deutschen Pavillons auf der Biennale einen weiteren Karrieresprung. Der 1970 in Regensburg geborene Ebner studierte zunächst Fotografie in Arles und danach Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Bochum. Ebner hat bereits zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zur Fotografie der Moderne und zur zeitgenössischen Fotografie realisiert.
Die Biennale in Venedig gibt es bereits seit 1895; Deutschland war von Anfang an eines der Teilnehmerländer. Seit 1909 gibt es den Deutschen Pavillon, der 1938 umgebaut wurde und seitdem seine architektonische Form weitgehend behalten hat. In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren verstand sich der Deutsche Pavillon, dessen Gebäude denkmalgeschützt ist und der Bundesrepublik Deutschland gehört, als ein Ort der Infragestellungen und der Dekonstruktion deutscher Identitäten.
Seit 1971 wird der Deutsche Pavillon der Kunstbiennale Venedig im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom international vernetzten Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) koordiniert. Das ifa engagiert sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen. Zeitgenössische Kunst versteht das ifa als wichtiges Medium im internationalen Dialog.
Elke aus dem Moore, Leiterin der Abteilung Kunst am ifa, erklärt, dass durch die Förderprogramme des ifa derzeit rund 23.000 Kulturobjekte aus Deutschland weltweit touren können und künstlerische Austausch-, Vermittlungs- und Weiterbildungsprogramme ermöglicht werden.
Gerade die Biennalen seien Seismografen für Strömungen in der aktuellen Thematik der Kunst und darüber hinaus sogar für gesellschaftliche Fragestellungen, welche die Kunst zumeist vorweg nehme.
Florian Ebner kündigt an, der kommende Beitrag werde sich der heutigen Welt der Bilder und unserer globalen digitalen Kultur, reflektiert in künstlerischen Arbeiten, widmen. Die Besucher würden von der Ausstellung zu einer Meditation über die materielle und politische Natur der Bilder im digitalen Zeitalter und einer globalisierten Welt aufgefordert. Es gehe auch darum, dem heutigen Stellenwert der Fotografie im Kunstmarkt gerecht zu werden und der Reflexion über die heutige veränderte Bedeutung der Bilder einen zentralen Platz im künstlerischen Diskurs einzuräumen.
Ebner weist darauf hin, dass wir schon längst in einer digitalisierten und globalisierten Welt leben - einer Welt aus Bildern. Fotografien seien nicht mehr reine Aufzeichnungen, sondern Produkte fortwährender Neuberechnung und Optimierung, ihre Verbindung zur sichtbaren Wirklichkeit scheine bald gekappt zu sein.
Für Ebner besteht die allgemeine Fotoszene einerseits aus unzähligen narzisstischen oder exhibitionistischen Selbstdarstellungen, neuerdings auch aus sogenannten "Selfies".
Daneben gebe es Fotos zur Veränderung, Teilhabe und Dokumentation sozialer Prozesse.
Und schließlich sei da noch die experimentelle Seite, welche sich dem Thema "Licht" zuwende.
Die Frage sei, wie sich künstlerische Fotografie in einer Zeit der Allgegenwart der Bilder platziere.
Ebners Ansatz für den Deutschen Pavillon 2015 ist, anhand von vier Aspekten und Ideen ein inhaltliches und formales Kraftfeld abzustecken, aus dem dieser Pavillon seine Spannungen beziehen wird.
1. Migrierende Bilder: Migration ist für Ebner eine Seinsbedingung des modernen Menschen. Das migrierende Bild stelle die Frage, wie dokumentarische Praktiken auf die Auswirkung der Globalisierung reagieren und sich eventuell auch selbst verändern. Die Frage, was ein Bild eigentlich darstelle, gerate in den Hintergrund, zunehmend werde der performative Akt des Bildermachens und -zeigens relevanter.
2. Teilhabe der Akteure: Die Formen die das Internet an Teilhabe ermöglicht, hat viele Seiten. Partizipation werde im Pavillon in seiner politischen und medialen Bedeutung diskutiert. Aber auch das Auftreten und Verschwinden des menschlichen Subjekts in den Bildern unserer Tage werde reflektiert.
3. Licht als elementarer Bildträger: Sonnen- und Mondlicht im Bild wurde vom elektrischen Licht abgelöst und inzwischen vom digitalen Licht. Die heutige Übertragung, Codierung und Verteilung von Information ist nicht anderes als die Reduzierung und Übertragung der Information in Lichtsignale.
4. Das Dach als anderer Ort: Das Pavillon-Gebäude ist innen wie außen auch stets eine Bühne für visuelle Arbeiten. In der anstehenden Konzeption wird auch das Dach in die Gestaltung mit einbezogen. Ein Dach, das ist der Ort, an dem sogar Freiheit denkbar ist.
Der Kurator Florian Ebner sagt, er verstehe sich als Katalysator, der Personen und Standpunkte zu einer bestimmten Fragestellung zusammen bringe. Seine Einladung zur Teilnahme ging an fünf Personen mit vier künstlerischen Standpunkten, die sich durch ihre bisherigen Arbeiten speziell für die obigen vier Themenbereich empfohlen haben.
Als Künstler sind zur Teilnahme am Deutschen Pavillon eingeladen:
Olaf Nicolai, 1962 in Halle/Saale geborener Bildhauer und Germanist,
Hito Steyerl, 1966 in München geborene Dokumentarfilmerin und Philosophin,
Tobias Zielony, 1973 in Wuppertal geborener Fotograf und Kommunikationsdesigner sowie das in Kairo lebende Künstlerpaar
Jasmina Metwaly (1982 in Warschau geborene Malerin und Filmemacherin) und Philip Rizk
(1982 auf Zypern geborener Filmemacher, Nahostwissenschaftler und Philosoph).
Klassische Fragen der Repräsentation im Foto - das Machtverhältnis von Subjekt und Objekt und die alte Asymmetrie von Fotograf und Modell - stellen sich im Lichte der digitalen Bilder neu.
Es bleibt spannend, wie die Protagonisten ihre Aufgabe lösen werden, ohne Migrantenschicksale abzunudeln, Tränendrüsen zu quetschen, in politischen Aktivismus zu verfallen oder gar ihre Kunst politisch instrumentalisieren zu lassen.
Florian Ebner räumt ein, dass es zwar auch ein politischer Pavillon werde, aber die künstlerische Umsetzung vorrangig sei.
Und Hito Steyerl kündigt schon an, sie stehe nicht für Krisenjournalismus und Mitleid heischende Bilder, auch wenn sie als Person an Migrantenschicksalen durchaus interessiert sei.
Autor:Dorothea Weissbach aus Oberhausen |
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