Das Idyll zerstören - Brigitte Baldauf „Hidden Chances“ bei kunstwerden
Landschaftsbilder und Naturdarstellungen. Idyll! Wirklich? Der Verein „kunstwerden“ präsentiert seine neue Ausstellung. Bis zum 27. April sind Bilder der Künstlerin Brigitte Baldauf zu sehen.
Ihre Bilderwelt umfasst nur scheinbar das Fotorealistische, Gefällige. Brigitte Baldauf hat die faszinierenden Wasseroberflächen für sich entdeckt: „Das hat mich gepackt - was passiert da?“
Schwebeprozesse, Spiegelungen, immer spannender, je länger man sich mit ihnen beschäftigt. Doch die Krefelderin geht noch weiter. In jedem Werk gibt es einen Fremdkörper, von der Künstlerin zugefügt. Diese Objekte verbinden sich harmonisch, aber auch höchst irritierend mit den Wasseroberflächen.
So ist auch der Arbeitsablauf. Die Malerin fotografiert zunächst, was sie interessiert, berührt. Das sind verschiedenste Motive: Brackwasser, Tümpel... Dazu Elemente, die oft erst auf den zweiten, dritten Blick ihr Wesen enthüllen: „Ich habe es zunächst gar nicht gewusst, dass ich da verhüllte Stapel von geretteten Balken alter Fachwerkhäuser vor der Linse hatte!“
Hintergründig
Dann folgt der entscheidende Schritt, diese Objekte werden in perfekter Maltechnik in das Bestehende „implantiert“, hier entstehen hintergründige, nachdenklich machende, oft sogar verstörende Kompostionen. Spannende Beziehungen entstehen, mit Dingen, die da nicht hingehören.
Oder eben doch? „Erst später - oft Jahre später - geht mir auf, dass die Objekte wirklich nicht willkürlich dort gelandet sind - sondern, dass sie genau da hin sollten! Da passieren Dinge im Unterbewusstsein, die ich höchst spannend finde...“
Aber Brigitte Baldauf sucht nicht nur Hintergründiges in ihren Bildern, die studierte Künstlerin betont stets das Formale im Bild.
So bilden vertikale und horizontale Linien ein starkes Beziehungsgeflecht, rhythmisierte Muster überzeugen mit dominierender, fast schon strenger Form. Da ist nichts Zufall, gar beliebig. Auf Genaueste komponiert, zeigen die Bilder den künstlerischen Ursprung - Brigitte Baldauf kommt von der abstrakten Malerei: „Auch dort habe ich in Schichten gearbeitet, mit Respekt vor der Leinwand. Für mich war es eine logische Weiterentwicklung.“
Aufwändige Ölmalerei
Zu betrachten sind verschiedene Formate, Einzelstücke, aber auch serielle Elemente, die im großzügigen und doch intim-zurückhaltenden Galerieraum des Vereins zum unvoreingenommenen Schauen einladen. Sehr aufwändige Ölmalerei, sehr nah am Foto. Arbeiten älteren Datums, auch ganz neue: „So eine graue Brackwasserlandschaft kann ich nicht einfach im Sommer malen, da braucht es schon das passende Licht der trüben Jahreszeit. Das Bild ist gerade fertig geworden, der Firniss soeben getrocknet!“
„So im Vorbeigehen“ geht nicht, hier sperren sich die Baldauf‘schen Werke, zwingen geradezu zum näheren Hinschauen. Die Malerei „beschäftigt“ den Betrachter, jeder Zentimeter der Leinwand will wahrgenommen sein. Die Bilder haben eine ganz besondere Präsenz, sorgen für Entschleunigung in der heutigen, überreizten Bilderflut.
"Kuckucksbilder"
Ein entfernt an einen Früchtekorb erinnerndes Bild entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein professionell zusammengelegtes Fischernetz mit roten Schwimmkörpern. Brigitte Baldauf: „Ich sehe unheimlich gerne Handwerkern - hier bretonischen Fischern - bei ihrer Arbeit zu. Da passt alles, es wird sehr sorgfältig gearbeitet, ohne jeden überflüssigen Handgriff!“
Brigitte Baldauf gibt sich locker, hat so gar nichts von „Ich bin ein ernsthafter Künstler“, steht zu ihren Werken, mit großem Vertrauen, aber durchaus auch mit ironischer Note.
So nennt sie eine Reihe „Kuckucksbilder“, denn hier hat es eben nicht ihr Element der Implantierung gebraucht, sondern „nur“ den Blick fürs Ungewöhnliche. In Venedig fand sie eine große Zahl höchst mysteriöser, verhüllter Körper. Ganz einfach erklärt, erfuhr Brigitte Baldauf: „Das waren verpackte Außenbordmotoren, die so vor dem Kot der Vögel und Korrosion geschützt werden sollten. Da haben die Venezianer eben alles genommen, was ihnen in die Hand fiel: einen alten Sonnenschirm, Bett-Tücher…Scheinbar absichtslos entstand so eine Gesellschaft, die eine faszinierende Reihe bildet!“
„Bitte nicht Monet!“
Brigitte Baldauf ist angenehm locker im Umgang mit ihrem Werk, alles ist im Fluss: „Nach Jahren sehe ich meine Bilder anders - weil ich selbst an einer anderen Stelle meines Lebens bin!“
Nur eines mag die Künstlerin gar nicht: „Bitte kein Vergleich mit Monet!“
Wie könnten wir? Anschauen!
Ausstellung
Brigitte Baldauf, in Neuss geboren, lebt und arbeitet heute in Krefeld.
Ihre Werke waren bereits im Deutschen Pavillon der EXPO im spanischen Zaragoza wie auch in verschiedenen deutschen Museen und Kunstvereinen zu sehen. Die Ausstellung „Hidden Chances“ ist vom 15. März bis zum 27. April immer freitags von 20 bis 24 Uhr und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Am Sonntag, 13. April, gibt es um 16 Uhr eine Führung mit Künstlergespräch. „kunstwerden“ in den Werdener Toren, Ruhrtalstraße 19 Tor 2, 45239 Essen-Werden.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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