Chemical pictures - „Steinkohle redux“ - Miles Cooldige bis zum 7. März bei „kunstwerden“
Eigens aus seiner Heimat Los Angeles angereist, sitzt Miles Coolidge im Keller von „kunstwerden“ und berichtet über den Entstehungsprozess seiner Bilder.
Miles Coolidge ging 1994 nach seinem Master of Fine Arts mit einem Stipendium nach Deutschland, um an der Kunstakademie Düsseldorf die Klasse von Bernd Becher zu besuchen.
Die „Becherklasse“
Die Becherklasse und die Düsseldorfer Fotoschule im Atelier von Bernd und Hilla Becher prägten Cooldige, „die Bechers“ als Vorreiter der deutschen Konzeptfotografie vermittelten eine fotografische Sichtweise aus einer gewissen Distanz - „Markenzeichen“ sind die digitale Bildbearbeitung und das extreme Großformat.
Becher-Schüler wie Andreas Gursky oder Thomas Ruff gehören zu den weltweit erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen.
Cooldige lernte in diesem Jahr das Ruhrgebiet kennen, den spannenden Strukturumbau der Region, den postindustriellen Wandel.
Inzwischen ist der gebürtige Kanadier Professor an der University of California, im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung interessierte sich der Fotograf immer mehr für die „unbeabsichtigten Folgen der industriellen Revolution“.
Bei „kunstwerden“ gibt es zwei Serien zu betrachten, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier filigrane, kreisförmige Farbverläufe, dort wuchtige schwarze Kohlenflöze.
Doch über den technischen Entstehungsprozess dieser Werke findet sich eine interessante Verbindung.
Denn Miles Coolidge stellte fest, dass Fotografie vom Rohstoff abhängig ist, denn die Pigmente, die für Inkjet-Drucke verwendet werden, bestehen aus Kohlenstoff!
Künstliche Farbstoffe
Die deutsche Industrie verdankte ihren Aufschwung nicht nur der Kohleförderung, sondern auch der Nutzung der beim Abbau anfallenden Abfallprodukte.
Die Erforschung dieser Produkte ermöglichte erst die Synthese künstlicher Farbstoffe, die zur kommerziellen Herstellung von Farbfilmen führte.
Auf der Suche nach Literatur über Farbe und Farbpigmente fand Cooldige Bücher über die Geschichte der Chemie in Deutschland, wurde so auf Friedlieb Ferdinand Runge aufmerksam.
Dieser Zeitgenosse von Goethe war Schüler von Hegel und arbeitete mit Kohlenteer und daraus entstehendem Ruß.
In seinem Buch „Der Bildungstrieb der Stoffe“ hielt Runge seine Chromatografie-Experimente fest: Verschiedene wassergelöste Chemikalien werden auf speziellem Papier zur Reaktion gebracht, erzeugen „selbst gewachsene Bilder“.
Runges Erkenntnisse waren grundlegend für den Vier-Farben-Offsetdruck und somit die Farbfotografie. So isolierte Runge im Jahr 1834 aus Kohlenteer Anilin, wichtig zur Herstellung von Farbstoffen. Coolidge empfindet seine Reihe „Chemische Bilder“ als Hommage an Runge und seinen Pioniergeist, verwandte Originalrezepte.
Pure Form
Die großformatigen Fotografien, die 2013 im Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop aufgenommen wurden, sprechen für sich, hier zeigt Cooldige, was ist: Schwarze Monochrome, Struktur, pure Form. Faszinierend.
Ausstellung
Miles Coolidge:
„Steinkohle redux“
im „kunstwerden“,
Ruhrtalstr. 19 a,
in den Werdener Toren.
Öffnungszeiten:
Freitag 20 bis 0 Uhr,
Sonntag 15 bis 18 Uhr.
Die Ausstellung endet
am Freitag, 6. März.
Autor:Daniel Henschke aus Essen-Werden |
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