Wer Rudel sät - RWE und Lotte teilen sich die Punkte
Am Ende wird es versöhnlich. Die offizielle Fragerunde im Presseraum ist kaum beendet, da treffen sich zwei Trainerkollegen zur Aussprache. „Und dann kommt eines zum anderen“, erklärt Sportfreunde-Coach Maik Walpurgis – sein Gegenüber, Waldemar Wrobel, nickt. Shake hands. 90 intensive Minuten sind vorerst abgehakt.
Es brodelte ganz schön im Vorfeld. Kaum war bekannt geworden, dass mit Robert Moewes ein vierter Spieler an der Wettaffäre (RWE-Spieler gaben vor der 0:4-Pleite gegen Borussia Dortmund II im Mai Insider-Informationen weiter, am Ende stiegen die Schwarz-Gelben in die dritte Liga auf, Lotte hatte das Nachsehen, verspielte aber auch einen 14-Punktevorsprung) beteiligt war, da äußerte SF-Obmann Manfred Wilke via Reviersport den Verdacht, dass doch „die gesamte Mannschaft gesungen“ habe. Auch bezichtigte er den RWE-Trainer und Polizeibeamten Wrobel der Lüge. Die Rot-Weißen drohten wiederum mit einer Verleumdungsklage. Fall erledigt?
Denkste. Kurz vor dem Aufeinandertreffen am Dienstag zieht RWE-Geschäftsführer Michael Welling den Unmut der Lotter auf sich. Im Vorwort der Stadionzeitschrift „kurze fuffzehn“, das auch im sozialen Netzwerk facebook verbreitet wird, spricht Welling von einer Lotter Dolchstoßlegende. Dass an deren Entstehung nur „einzelne Personen“ beteiligt seien und es bei den Sportfreunden „bedächtigere[..] Stimme[n]“ gebe, „mit denen wir uns gerne austauschen“, wird nur am Rande von den Gästen zur Kenntnis genommen.
Was bleibt, ist die Erinnerung an eine Spirale der Provokation, in der eben „eines zum anderen kommt“. Filmemacher Sam Peckinpah hätte an dieser Dramaturgie seine helle Freude gehabt. Rudelbildung, Schubser, Ausraster an der Seitenlinie – kaum ein Pfiff kommt ohne Gemütswallungen aus. Ein hitziges, gegen Ende sogar hässliches Spiel. Schiedsrichter Stefan Glasmacher, hilflos wie ein UN-Beobachter, der zwischen die Fronten geraten ist, vermag nicht mehr zwischen Foul und Finte zu unterscheiden. Und steht am Ende als „Schieber“ da.
Der Strafstoß zum 1:1-Ausgleich aus Essener Sicht (vollstreckt durch Benedikt Koep)? „Ein Elfer, der vielleicht einer war“, meint Maik Walpurgis. Eine Berührung ist zu sehen, Kerim Avci scheint den Elfmeterpfiff aber auch zu erzwingen, nachdem er sich fest läuft. Die gelb-rote Karte gegen Max Dombrowka, der wie Avci (fünfte Gelbe) für das Siegen-Spiel gesperrt ist? Im Stimmungsbild auf der Haupttribüne irgendwo zwischen „kann man geben“ und „krasse Fehlentscheidung“ anzusiedeln. Der Fall Aleksandar Kotuljac aus der 85. Minute? „Hundertprozentig ein Elfer“, ist Walpurgis überzeugt. „Das zeigen die Videobilder“.
Wird Glasmacher mit gellenden Pfiffen und Schmipftiraden verabschiedet, kommt er auf der Pressekonferenz vergleichsweise glimpflich davon. „Schade, dass der Schiedsrichter Respekt vor der Kulisse gezeigt hat“, urteilt der SF-Coach. Die Trainer lenken den Blick auf die sportlichen Leistungen ihrer Mannschaften. Lotte zeigt in den ersten 60 Minuten, als das Spiel noch in geregelteren Bahnen verläuft, warum es im Saisonvorfeld zum Kreis der Aufstiegskandidaten zählte. Geschicktes Verschieben nach hinten, gefälliges Kombinieren nach vorne. Rot-Weiss spielt mit Leidenschaft, kommt – wie schon in Wuppertal - nach einem Rückstand gegen ein Top-Team zurück.
Wrobel ist deshalb „stolz“ auf seine Mannschaft. Die Bergeborbecker bleiben im neuen Stadion – sieht man von der Pokal-Niederlage gegen Union Berlin ab – ungeschlagen. Maik Walpurgis pflichtet bei: „Hier in Essen ist Großartiges aufgebaut worden.“ Wie gesagt: Am Ende wird es versöhnlich. Keiner hat verloren, die Punkte sind geteilt. Was beiden Teams allerdings den Sprung nach ganz oben verwehrt. Essen bleibt auf Platz vier der Regionalliga-Tabelle, Lotte verharrt auf Rang fünf.
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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