Mythos Georg-Melches-Stadion - Rückschau auf 90 Jahre Hafenstraße
Wenn Rot-Weiss Essen zur Saison 2012/13 seine neue Spielstätte bezieht, blickt der Verein auf eine 90-jährige Historie an der Hafenstraße zurück. Die Autoren Georg Schrepper und Uwe Wick widmen dem „Mythos“ Georg-Melches-Stadion einen eigenen Band.
Freilich: Als es die Rot-Weissen, damals noch unter dem Namen „Spiel und Sport 1912“, 1922 von Vogelheim nach Bergeborbeck an die Hafenstraße zog, fanden sie hier nur eine etwas weitläufigere Sportanlage vor. Mit einem Spiel gegen Schalke 04 - der FC Meineid war noch nicht erfunden - wurde 1939 das „Stadion an der Hafenstraße“ eingeweiht. Erst nach einem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und der Installation der ersten Flutlichtanlage der Republik in den 50er Jahren wurde das Stadion 1964 nach dem verstorbenen Ehrenvorsitzenden Georg Melches benannt.
In diesen früheren Tagen gaben sich zahlreiche Fußballgrößen die Ehre: Ob Weltjahrhundertfußballer Pelé mit seinem FC Santos (1963), die ungarische Nationalmannschaft um Ferenc Puskás (1951), die DFB-Elf auf dem Weg zur WM 1970 oder aber Helmut Rahn, Horst Hrubesch und Manni Burgsmüller, die bei RWE das Fußballspielen erlernten - sie alle jagten an der Hafenstraße dem runden Leder hinterher.
Für ihren Band „An der Hafenstraße, RWE“ (Arbeitstitel) lassen Georg Schrepper und Uwe Wick diese längst vergangenen Fußballmomente wieder auferstehen. In Archiven und Privatbeständen fahndeten sie nach zeitgenössischen Fotomotiven, die vor allem die einzigartige Atmosphäre des Georg-Melches-Stadions festhalten - und trugen dabei gleich eine Vielzahl erzählenswerter Anekdoten zusammen. Wie die vom Essener Pfostenbruch.
„Viele glauben, der Pfostenbruch vom Gladbacher Bökelberg wäre der erste gewesen. Der erste der Bundesliga, ja. Aber tatsächlich gab es bereits 1952 einen Bruch an der Hafenstraße“, berichtet Uwe Wick. Und das ausgerechnet im Derby gegen den Lokalrivalen ETB. Der Unparteiische brach die Partie beim Stande von 1:1 ab. Während die Partie zwischen Gladbach und Bremen 1971 am grünen Tisch entschieden wurde, stand in Essen eine Wiederholung des Stadtderbys bevor. Endstand: 8:1.
Das Georg-Melches-Stadion ist zwar primär die Spielstätte der Rot-Weissen, gleichwohl wird das Buch von Wick und Schrepper kein neues Buch über RWE. Fankultur, Länderspiele, technische Entwicklungen (und auch Rückschritte), ja, selbst Joe Cocker, David Bowie und die Kelly Family sind für die beiden Autoren von Bedeutung. Schließlich zog die heutige Ruine auch Musik-Fans an. Das Stadion als Eventbühne - eine Hoffnung, die im Zuge des Neubaus wieder auflebt.
Der Stadionneubau und die politischen Ränkespiele werden ebenfalls ihre Erwähnung finden, wenn auch nicht in epischer Länge. Schrepper: „Uns geht es schließlich darum, die Geschichte zu würdigen. Das neue Stadion ist zum jetzigen Zeitpunkt Zukunftsmusik.“ Und so für die nächste Autorengeneration interessant.
Immerhin: Mit dem Neubau hat die Stadt ein seit 100 Jahren geplantes Vorhaben umgesetzt: Nämlich ein eigenes Stadion zu bauen. Schon 1911, zum 100-jährigen Jubiläum von Krupp, hatte der Konzern 500.000 Mark für den Bau einer städtischen Spielstätte gestiftet. Wo das Geld geblieben ist? „Es ist wohl in der Inflation untergegangen“, vermutet Wick.
„An der Hafenstraße, RWE“ wird pünktlich zum Saisonbeginn 2012/2013 erscheinen. Die Autoren sind weiterhin an Fotos und Geschichten interessiert, insbesondere an solchen, die an Konzerte oder aber RWE-Originale wie Moses, Frank Malz, Sirenen-Willi oder den „ominösen“ Kokosnussverkäufer erinnern. Unter der E-Mailadresse mail@uwewick.de sind die beiden RWE-Chronisten zu erreichen.
Die Autoren:
Georg Schrepper, 1975 erstmals in der Westkurve, wurde von seinem Vater mit dem RWE-Virus infiziert und hat diesen erfolgreich an seinen Sohn weitergegeben. Der Lehrer vom Don-Bosco-Gymnasium hat sein Studium mit einer Arbeit zum Thema „Fußball unter‘m Förderturm“ abgeschlossen.
Uwe Wick wurde von seinem Großvater regelmäßig ins Georg-Melches-Stadion „geschmuggelt“. Der Sport- und Kulturwissenschaftler ist im Stadtarchiv tätig und ehrenamtlicher „RWE-Archivar“. Zusammen mit Georg Schrepper veröffentlichte er 2004 die Chronik „...immer wieder RWE“.
Autor:Patrick Torma aus Essen-Nord |
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